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Tarkon
Vom Höhlenwind zum Sturmreiter

von Michael "Myan" Berger

Myan


Inhalt

Unter dem Berg
Der Tag des Klopfens
Zudenka
Das Luftschiff
Unter Trollen
Zladak Elfensohn Stoneclaws
Die Bloodlore
Auf der Steppenwind
Auf der Akademie
Wichtige Charaktere
Die Schiffsmannschaft

Unter dem Berg

Am 18.8.1380 TH wurde ich im Kaer Ourayn geboren. Ourayn ist auch der Name einer großen Niall, die das Kaer vor unvorstellbar langer Zeit gebaut hatte, um sich selbst, meinen Clan und drei kleine Menschendörfer in der dunklen Zeit zu schützen und zu verbergen. Mein Clan, die Wipfelkitzeln, hatte sich einen schönen Bereich dort eingerichtet. Aber gerade das Zusammenleben mit den T’skrang brachte viel Spaß und Abwechslung. Man lernt schnell aufzupassen, denn gewiefte Händler sind sie, die einen mit Charm und Witz einlullen, während sie einen bisweilen gründlich übers Ohr hauen. Aber wir verstanden uns stets gut mit den lebhaften, wasser-liebenden Aufschneidern. Wir Windlinge hatten uns das Kaer über die Jahrhunderte so eingerichtet, dass wir die Enge des Raumes, in dem wir uns bewegten, fast vergessen konnten. Wir hatten Wiesen aus Moos und Bäume aus Stein, Blumen aus bunten Flechten oder glitzernden Kristallen und einen Bach. Wir hatten sogar einen Windspielplatz, an dem man prima gegen die Zugluft, die zwischen den großen Höhlen wehte, anfliegen oder sich einfach mit dem Zug treiben lassen konnte. Meine ganze Kindheit und Jugend verbrachte ich innerhalb der Wände dieses Kaers und hatte keine Vorstellung von der Größe und Weite der Welt außerhalb. Heute könnte ich so nicht mehr leben, aber damals kannte ich nichts anderes und daher war es schön. In dieser Zeit sind mir neben meinem Clan auch einige Freunde besonders ans Herz gewachsen. Da muss ich zuallererst von Tsslis’za erzählen, denn sie schaffte es an so vielen Abenden, uns mit ihren spannenden Geschichten in ferne Welten zu locken und weite Reisen mit uns zu unternehmen. Die mittlerweile sehr alte T’skrang ist mit Sicherheit die beste Geschichten- erzählerin überhaupt. Durch ihre Geschichten wurden uns die Helden längst vergangener Tage wieder lebendig und viele von uns träumten davon, selbst einmal Adepten zu werden und die Welt zu retten. Meine Jugendclique verbrachte so viele Abende bei Tsslis’za und die alte T’skrang freute sich stets über uns Zuhörer. Die Clique, das waren Marcyn, Melua, Innuaray und ich. Wir vier waren zufällig alle im selben Jahr geboren, eine Seltenheit in unserem Windlingclan. Wenn Tsslis’za uns eine spannende Geschichte erzählt hatte, durchstreiften Marcyn und ich oft stundenlang die tiefsten und abgelegensten Höhlen und träumten davon, selbst ein Monster zu besiegen und das Kaer zu retten. Als Mutproben bezeichneten wir es, wenn wir eine verlassene Höhle erkundeten. Wenn dann freilich ein Knacken oder Knirschen aus dem Schatten zu hören war, waren wir ganz schnell wieder zurück in den Clanhöhlen. Marcyn war viel ruhiger und steter als ich. Er war zwar langsamer, aber dafür auch stärker als ich und zwar im Körper wie im Geist. Als wir schon fast ausgewachsen waren, verlor ich allmählich den Glauben daran, dass wir große Helden und mächtige Adepten werden würden. Marcyns Wille hingegen war unerschütterlich. Wir stritten uns dann manchmal deswegen. So kam es, dass ich mich in der Werkstatt meiner Mutter nützlich zu machen begann. Schließlich war ich geschickt und konnte ihr helfen, Dinge zu reparieren. Ich machte mich über Marcyn lustig und meinte, er solle auch der Realität ins Auge blicken. Eines Tages jedoch kam er mit leuchtenden Augen zu mir und lachte mich aus. Er erzählte mir, dass eine Menschen-Kriegerin ihn zu einem Adepten ausbilden würde, weil sie meinte, er habe das Zeug dazu. Ich hätte wohl nicht das Zeug zum Krieger, da ich viel zu flatterhaft wäre und nicht den starken Willen dazu hätte. Das war mir eine Lehre. Seither ging ich Marcyn aus dem Weg, da er das geschafft, was ich mir immer erträumt hatte und er ließ es mich bei jeder Gelegenheit spüren. Lange Zeit glaubte ich in jedem Adepten einen herablassenden, arroganten Blick auf mich zu spüren und ich selbst war schlecht zu sprechen auf sie, die glaubten, sie wären was Besseres. Also war ich zufrieden mit meinem Leben im Clan als Handwerker in der Werkstatt und mit meinen übrigen Nichtadeptenfreunden, mit denen man immer ne Menge Spaß haben konnte. Viel später jedoch lernte ich auf der Suche nach Holzresten in den verlassenen Höhlen der unteren Ebenen ein Menschenmädchen kennen. Sie hieß Zudenka und war unglaublich traurig. Irgendwie rührte sie mich und daher verbrachte ich Zeit mit ihr und zeigte ihr alle schönen Windlingplätze, die sie auch zu Fuß erreichen konnte. Immerhin war sie eine sehr geschickte Kletterin. Mit der Zeit erfuhr ich mehr über sie. Sie war eigentlich gar nicht traurig wegen irgendwas Bestimmtem sondern eher melancholisch und still an sich. Außerdem, und das überraschte mich am meisten, war sie Adeptin. Scout. Sie hatte unglaubliches Fernweh und sehnte sich nach draußen in die Welt. Ich nahm sie mit zu Tsslis’za und bei ihren Geschichten konnte Zudenka in die Ferne reisen. Dafür war sie mir dankbar und wir wurden Freunde. Durch sie begriff ich, dass nicht alle Adepten arrogant waren, sondern dass ich einfach nur beleidigt war, weil ich etwas, wonach ich mich sehnte, nicht erreicht hatte. Eines Tages, nur wenige Wochen nach meinem 48. Namenstag, ertönte das ganze Kaer von einem lauten Klopfen. Die Aufregung war groß, da keiner wusste, woher das Geräusch kam und ob es bedeutete, dass ein dunkles Wesen den Einbruch geschafft hatte.

Der Tag des Klopfens

Die Lahalla Ourayn ist eine sehr alte und schlaue Frau. Sie rief alle Kaerbewohner zur großen Versammlungshöhle. Sie als einzige wusste, was das Klopfen zu bedeuten hatte und erzählte uns allen von einer uralten Magie, die noch aus der Zeit vor der Plage stammt, als die Kaers gebaut wurden. Nur in den großen Kaers, so erzählte uns die Alte, gab es Vorrichtungen, mit denen man erkennen konnte, wann die lange Nacht vorbei ist. Daher hatten sie die Pflicht, den kleinen Kaers die Zeit der Morgendämmerung zu verkünden. So erzählte sie uns auch vom Ritual des Klopfens. Dass dieses Ritual nun durchgeführt worden sei, meinte sie, sei das Zeichen, die Tore zur Welt zu öffnen. Nach so langer Zeit wagten wir die Öffnung des Kaers. Schon lange lebte keiner mehr, der die Welt draußen gesehen hatte. So viele Windlinge waren in Ourayn geboren und gestorben, ohne je die Welt draußen sehen zu dürfen. Nur Geschichten wie die von Tsslis’za wurden erzählt von der Sonne und dem Himmel und den richtigen Bäumen. Wunderschön sollte sie sein, die Welt. Alte Gemälde und Schmuckstücke waren die einzigen Verheißungen einer frischen, grünen und saftigen Welt mit Bäumen voller bunter Früchte und Blätter und mit einem blauen Himmel, der unendlich hoch sein sollte. Die Aufregung war groß und ein riesiges Fest wurde vorbereitet. Alle erzählten sich aufgeregt, was sie alles tun wollten, wenn sie zum ersten Mal die frische Luft in ihren Flügeln spürten. Die Alten erzählten die Geschichten, die sie von ihren Großeltern gehört hatten, die sie selbst von noch älteren Windlingen gehört hatten. In allen Geschichten wurde von einer schönen Welt erzählt. Schön, aber gefährlich. Eine Herausforderung für jeden Windling, der in den hohen Himmel fliegen will, um den Wind die Flügel und die Sonne die Haut kitzeln zu lassen. Es klang wundervoll. Inzwischen hatte die Lahalla ein Antwortritual durchgeführt und zu dem allgegenwärtigen Klopfen gesellte sich ein Ton wie aus einem riesigen Horn. Das ganze Kaer vibrierte von dem Brummen des Horns. Einige waren ängstlich, ob nicht ein schlaues Dunkelwesen das Ritual gelernt haben könnte, um uns nun nach draußen ins Verderben zu locken. Daher versammelten sich schließlich alle Adepten bis an die Zähne bewaffnet vor den großen Toren. Marcyn war auch dabei und wirkte unglaublich wichtig. Die Lahalla stellte sich in die Mitte vor das Tor. Zwei besonders große T’skrangfrauen standen bei ihr, ich weiß es noch als wärs heute! Die eine hielt ein riesiges, grünblaues, schuppiges Buch aufgeschlagen vor der Lahalla. Die andere hielt einen schweren Gegenstand aus Kristall hoch über ihrem Kopf. Der Kristall schimmerte und funkelte in vielen Farben, als wär er lebendig. Zwei weitere, sehr alte T’skrang, eine davon war Tsslis’za, standen mit Musikinstru- menten, die wie lange Rohre aussahen, hinter ihr und bliesen eine auf- und abschwellende Melodie. Es war eine seltsame, alte Melodie, die harmonisch zum Brummen des Horns und Klopfen des Kaers passte. Sehr schön und irgendwie magisch. Da begann die Lahalla zu singen. Ihr Gesang fügte sich ein in das wunderliche Konzert. Kein Geräusch sonst konnte man hören. In tiefer Andacht und gleichzeitig höchster Anspannung lauschten wir der Musik und starrten auf das Geschehen. Das Licht des Kristalls pulste mit dem Takt des Klopfens und wurde mit jedem Pulsschlag ein wenig heller. Die Wände des Kaers wurden in alle Farben getaucht. Irgendwie wurde mir sehr warm dabei und ein bisschen schwummrig. Ich hatte das Gefühl, als legte sich eine Decke über mich, kuschelig und warm. Nach einiger Zeit, mir kam es vor wie nach einem langen Tagtraum, hörte man plötzlich ein tiefes, den ganzen Berg erschütterndes Knirschen und Rumpeln. Die schweren Ketten, die an den Toren angriffen, spannten sich langsam. Ein aufgeregtes Brummen von vielen Namensgebern erhob sich, da setzten sich die Tore ganz langsam in Bewegung. Uralte Mechanik, seit Jahrhunderten unbenutzt und wenig beachtet, funktionierte einwandfrei und erfüllte ihren vorbestimmten Zweck. Es war unglaublich spannend. Ein Lichtspalt drang durch die Tore und ein Windhauch erfasste unsere Flügel. Nur ein kleiner Hauch und doch schmeckte er ganz anders als die uns bekannte Zugluft in den Höhlen. Gänsehaut! Die Tore öffneten sich weiter und offenbarten uns den Blick nach draußen. Da wurde es still. Plötzlich waren alle still. Die Musik, das Klopfen, der Gesang waren verstummt und alle schwiegen. Ein Moment, in dem niemand recht wusste, wie es weitergehen würde. Wohin nun? So viele Möglichkeiten! Wir waren, glaube ich, alle überwältigt von dieser Flut an neuen Möglichkeiten, dass niemand so recht wusste, was er tun sollte. Da hörten wir ein schallendes Gelächter. Einen unglaublichen Schreck jagte es uns ein und man hörte einen Ruck durch die Reihen der Bewaffneten gehen. Aber es war ein T’skranglachen und die Stimme, die dazu gehörte, fing nun an zu rufen:
"Was steht ihr denn da wie die Ölgötzen und glotzt wie die Fische? Kommt raus aus eurem stinkenden, trockenen Loch und genießt eure Freiheit, die frische Luft und den Wind! Die Plage ist vorbei!
" Eine Gruppe T’skrang, Abgesandte der Schwimmenden Stadt, waren gekommen und hatten geklopft. Ein riesiges Fest wurde gefeiert und die von der obersten T’skrangfrau in der Schwimmenden Stadt zu uns gesandten T’skrang waren für uns echte Helden... und sie waren Adepten.

Zudenka

Das Fest war großartig. Zudenka strahlte vor Glück und war ausgelassen wie ich sie noch nie erlebt hatte. Wir feierten und tanzten bis in den nächsten Morgen und schauten uns dann alle zusammen unseren ersten Sonnenaufgang an. Einige Adepten aus meinem Clan wollten gleich am Tag darauf aufbrechen und einen geeigneten Platz für unser neues Clanheim suchen. Ich wollte mit, aber sie meinten, das wäre zu gefährlich für einen Nichtadepten. Als ich enttäuscht zu Zudenka flog, sah ich, dass auch sie ihre Sachen packte. Sie strahlte mich an und meinte:

"Tarkon! So viele Geschichten haben wir gehört über das Land, die großen Städte und anderen Rassen. Jetzt will ich meine eigenen Geschichten erleben. Ich will alles mit eigenen Augen sehen. Kommst Du mit mir?"

Das war es! Eigene Geschichten erleben! Die große weite Welt erleben! Ich war begeistert und umarmte sie. Ich packte meine Sachen, verabschiedete mich von meinem Clan und meinen Freunden und war bereit für die Welt. Ein bisschen mulmig war mir schon, alle mir Lieben zurückzulassen. Aber die Neugier siegte, schließlich bin ich ein Windling! Zwei Tage später brachen wir auf, unser erstes Ziel war die schwimmende Stadt. Zudenka wusste, wie wir dahin kommen konnten, sie hatte sich mit den Abgesandten darüber unterhalten. Nur drei Tage sollte die Reise dauern. Doch auf dieser Reise erfuhren wir, dass die Welt gefährlich war, zu gefährlich für uns, obwohl Zudenka Adeptin war. Es war der zweite Reisetag, an dem ein riesenhaftes Tier, halb Bär halb Widder, uns an einem Fluss überraschte. Es griff Zudenka an und sie wurde dabei verwundet. Nur mit Mühe konnte sie sich auf einen hohen Stein retten. Man musste sich schon in größeren Gruppen zusammenschließen, wenn man durch diese wilde Welt wandern wollte. Leider hatten weder ich noch Zudenka die Kenntnisse, eine Wunde zu versorgen. Sehr vorsichtig, jede Deckung nutzend, sehr viel langsamer und mit vielen Pausen setzten wir unsere Wanderung fort. Fünf nervöse und besorgte Tage später erst erreichten wir den Bannsee. So viel Wasser auf einem Haufen!! Es war ein toller Anblick. Ein Wind wehte über den See und er roch süßlich und frisch. Beständig plätscherten kleine Wellen gegen das Ufer. Auf dem See sahen wir Schiffe. Wie auf den Bildern in den T’skrang-Höhlen des Kaers. Und auf den Schiffen sprangen lauter T’skrang lustig umher. Eines dieser Schiffe brachte uns dann schließlich zur Schwimmenden Stadt. Die Wunde von Zudenka könne man dort leicht heilen, lachten die T’skrang. Den Anblick werde ich auch nie vergessen! Die Schwimmende Stadt kann man gar nicht mit Worten beschreiben, man muss sie selbst sehen. Da schwimmt einfach mitten auf dem See eine riesige Korbinsel. Über der Insel schimmerte bunt eine Kuppel aus flirrender Luft. Auf der Insel dagegen waren viele große und noch buntere Gebäude, so ganz anders als die Höhlen im Kaer, viel luftiger und leichter. Wir verbrachten einige Zeit dort und lernten die wundervolle Stadt kennen, während Zudenka sich sehr schnell von ihren Verletzungen erholte. Es gibt sogar einen Windlingclan in dieser Stadt. Ich könnte noch vieles erzählen über die großartige Zeit, die wir dort verbrachten und die vielen Dinge, die wir dort sahen. Nach einiger Zeit fand Zudenka heraus, dass gelegentlich Zwergenkarawanen an den Bannsee kamen, denen sie ihre Dienste als Scout anbieten konnte. Ich durfte auch umsonst mit, wenn ich half, das Zaumzeug der Lasttiere in Schuss zu halten und kleinere Reparaturen mit meinen geschickten Händen durchzuführen. So konnten wir im Schutz einer Karawane das Land besser kennenlernen. Viele Wochen zogen wir so durch die Gegend und konnten vieles sehen. Die Karawanen gehörten Throalitern. Der Umgang mit den Zwergen war etwas schwierig. In jedem zweiten Satz ein Hoch auf Throal, den Ratsvertrag und den König. Für jede Handlung gibt es einen Antrag oder ein Formular. Aber man kann sich auch daran gewöhnen, wenn man dafür mit ihnen durchs Land ziehen kann. Immerhin hatten sie auch einiges erreicht und durch wenig bekannte oder gefährliche Gegenden Handelsstraßen errichtet. All ihr Wissen sammeln sie in ihrer Bibliothek und machen es auf diese Weise allen zugänglich. Die Zwerge erreichen mit ihren Karawanen Orte, die den T’skrang auf ihren Wasserwegen unerreichbar blieben. Wie weit musste man erst kommen, wenn man auch den Boden hinter sich lassen und durch die Luft reisen konnte? Aber was mir als Windling vorbehalten war, blieb den anderen Namensgebern wohl verwehrt. Und alleine durch die Gegend fliegen war offensichtlich zu gefährlich... Als wir eines Tages zurück zur Schwimmenden Stadt kamen, wollte sich Zudenka ausbilden lassen. Das gab mir die Zeit, ein wenig die anderen Windlinge auf der Insel kennen zu lernen und die Stadt weiter zu erkunden. An einem dieser Tage - ich ließ mir gerade auf einem hohen Dach die Sonne auf den Bauch scheinen - sah ich dann etwas Wunderbares: ein Luftschiff! Ein echtes Luftschiff! Doch keine Märchen, es gab sie wirklich! Unglaubliche Magie! Dieses Wunderding flog geradewegs auf die Schwimmende Stadt zu... vielleicht gab es ja doch einen Weg für mich, im Schutz einer Gruppe die Welt aus der Luft zu erleben!

Das Luftschiff

Das Luftschiff machte an einem hohen Turm fest. Ich war längst näher geflogen, um alles genau beobachten zu können. Das Schiff war aus Holz, aus rotem Holz in verschiedenen Rotschattierungen. Es sah wundervoll aus! Auf dem Schiff waren Trolle, riesenhafte, echte Trolle. Und die Trolle, obwohl sie nicht fliegen konnten, sprangen einfach vom Schiff und glitten aus hoher Höhe bis runter auf den Boden der Schwimmenden Stadt. Sie waren wild und lustig. Sie lachten. Einer der Trolle stand oben auf dem Schiff auf einer erhöhten Stelle und schaute dem Treiben zu. Ich flog zu ihm. Ein riesiger Namensgeber, sein Arm war dicker als mein Bauch. Er roch streng, ein bisschen nach Moschus. Er bemerkte mich, als ich ihn gerade ansprechen wollte.

"Ich müsste Dich dafür umbringen, dass Du unser Schiff ohne meine Erlaubnis betrittst!"

"Oh! ... aber ich betrete es ja gar nicht, ich fliege doch..."

"Was willst Du denn?"

Seine Stimme war unglaublich tief und rauh. Sein Akzent klang irgendwie kantig. An seiner Seite hing eine riesige Axt. Lag es an mir oder sah er immer so finster aus? Ich nahm schnell all meinen Mut zusammen, bevor ich es mir anders überlegte.

"Ich.. ähh... will bei euch mitfliegen!"

"Unsinn! Wir nehmen keine Passagiere!"

"Bin kein Paschair, nein, nein! Ich meine, ich will einfach nur mitfliegen. Ich bin ziemlich geschickt, kann Dinge reparieren und versuchen, mich nützlich zu machen..."

"Du bist kein Troll."

"Das sehe ich auch. Ist das ein Problem?"

"Du bist schwach."

"Ja, aber schnell!"

"Hmm... hmmm... hmm hmm hmmm... mutig bist Du, he? Sonst rennen sie immer weg vor uns. Kämpfen kannst Du wohl nicht? Hast ja nicht mal ne Waffe dabei..."

"Ich kann Kämpfen aus dem Weg fliegen! Ich hab schon Karawanen begleitet!"

"Karawanen? Höhöhööö!"

Schneller als ich gucken konnte, zog er eine kleinere große Axt aus seinem Gürtel und schleuderte sie nach mir. Sie bohrte sich direkt über meinem Kopf in das Holz des Schiffes. Ich machte mir in die Hosen...

"Siehst Du? Du kannst nicht jedem Kampf aus dem Weg fliegen! Wir können nicht auf Dich aufpassen, Du würdest uns schwächen im Kampf. Aber Du hast Mumm. Wenn Du wirklich so geschickt bist wie Du sagst, gibt es vielleicht einen Weg für Dich auf dieses Schiff. Geh jetzt! Sei morgen früh, bevor die Sonne aufgeht wieder hier, dann werde ich Dir meine Entscheidung sagen."

Abends ging ich zu meinen neuen Freunden im Windlingclan und erzählte ihnen alles. Sie waren fast so begeistert wie ich. Ich packte meine Sachen und hinterlegte eine Nachricht für Zudenka. In der Nacht machte ich kein Auge zu. Früh am nächsten Morgen flatterte ich zum Schiff. Auf dem Schiff standen bereits einige Trolle und als ich näherflog, winkte mir einer zu. Ich flog zu ihm und erkannte den Riesen vom Vortag.

"Ich bin Akmal Flugrausch Stoneclaws, Kapitän der Siebenrot. Neben mir steht Zladak Elfensohn Stoneclaws, der Maat dieses Schiffes."

"Ich bin Tarkon Höhlenwind vom Clan der Wipfelkitzeln aus dem Kaer Ourayn."

"Höhlenwind? Höhöö! Nun, Tarkon Höhlenwind, mein Maat ist der geschickteste und schnellste hier an Bord. Wenn einer Deine Geschicklichkeit beurteilen kann, dann er. Wir fliegen heute noch einmal zu einer Bodensiedlung wie dieser, nach Urupa. Heute abend sind wir dort. Das gibt Dir einen Tag Zeit, Dich geschickt anzustellen. Zladak Elfensohn wird Dir zeigen, wie Du Dich nützlich machen kannst. Steh bloß niemandem im Weg rum sonst fliegst Du gleich runter!"

Das war einfach großartig. Ich schwor mir, keinen Fehler zu machen und mich so gut wie möglich anzustellen. Es war ein erhebendes Gefühl, als das Schiff ablegte, sich langsam drehte, bevor es durch die Skulls immer schnellere Fahrt aufnahm und über das Land dahin glitt. Schnell wurde die Stadt kleiner und auch den See konnte man von hier oben als ganzes sehen. Und all das nicht mit den natürlichen Flügeln eines Windlings, sondern mit einem riesigen, würdevollen, von Trollhänden erschaffenen Luftschiff. Der Tag verging im Flug. Ich kam gar nicht richtig dazu, das berauschende Gefühl der Geschwindigkeit zu genießen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie schnell diese Luftschiffe waren. Wenn man da über Bord fliegt, ist man weg, denn so schnell fliegt kein Windling. Aber Zladak wusste mich zu beschäftigen. Es galt, das Loch im Strohüberdach zu stopfen. Zladak beobachtete mich ständig, ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Ich sollte ihm Werkzeuge aus dem Lagerraum holen, deren Namen ich noch nie gehört hatte und immer musste alles schnell gehen. Ich kam ganz schön ins Schwitzen. Am späten Nachmittag hatten wir es geschafft und Zladak sagte zu mir:

"O.K. Tarkon. Jetzt komm mit mir zur Reling und schau Dir die Landung an. Wir sind gleich da."

Da sah ich zum ersten Mal von einem fliegenden Luftschiff herab auf die sich stetig verändernde Landschaft. Es war ein unbeschreibliches Gefühl! Der kalte Wind im Gesicht, gegen den unsere Zugluft in den Höhlen ein Witz war. Und vor uns tauchte das Meer am Horizont auf. So viel Wasser! Und ich dachte, der Bannsee sei groß! Die Luft schmeckte salzig. Schließlich flogen wir einen Bogen und an der Steilküste tauchte Urupa an der Flussmündung auf. Nachdem das Schiff gelandet war, kam der Käptn zu uns. Er wandte sich an Zladak und fragte:

"Wie macht er sich?"

"Brauchbar! Aber wichtiger noch: sieh ihm mal in die Augen."

Ich war verwirrt. Was war denn mit meinen Augen? Der Kapitän sah mir in die Augen und fing an laut zu lachen. Hää?

"Seht mal alle her! Hier ist ein winziger Windling, der in unser Schiff verliebt ist, als wär er ein Troll!"

Einige Trolle der Mannschaft kamen grinsend her und beglotzten mich, um sich dann dem lauten Gelächter ihres Kapitäns anzuschließen. Mittlerweile grinste ich selber ein wenig debil vor mich hin und war vermutlich tiefrot angelaufen. Da wandte sich Akmal Flugrausch wieder mir zu.

"Also Tarkon. Kannst bleiben. Aber überlegs Dir gut. Nur selten kommen wir an diesen Bodenstädten vorbei. Du wirst lange Zeit mit niemandem außer Steinklauen reden können. Wir werden häufig kämpfen müssen. Dabei werden wir nicht auf Dich aufpassen. Du musst selber sehen, dass Du Dich aus den Kämpfen raushältst. Bist Du immer noch mutig?"

"Natürlich!"

"Dann ernenne ich Dich jetzt zum Schiffsjungen der Siebenrot! Der erste Nichttroll, den ich überhaupt je auf einem Drakkar gesehen habe – außer vielleicht Zladak hier, der alten Elfenschwuchtel…"

"Haha! Sehr lustig. Ich lach dann später."

"… höhöö! Komm, püns doch, Zladak! Zladak wird Dir sagen, was Du zu tun hast. Morgen mache ich Dich mit der Mannschaft bekannt. Du bist jetzt ein Teil von ihr! Du bist ein Teil der Siebenrot! Vergiss das nicht!"

So kam ich auf mein erstes Luftschiff. Es war, als ob ein Traum in Erfüllung ging noch bevor ich ihn richtig geträumt hatte. Die Trolle hatten einen rauhen aber aufrichtigen Umgang miteinander und ich stellte fest, dass man mit ihnen sehr gut auskommen konnte. Sie waren viel unkomplizierter und direkter als die Karawanenzwerge.

Unter Trollen

Nachdem wir einen Abend in Urupa verbracht hatten, wurde ich früh morgens der Mannschaft als neues Mitglied vorgestellt. Neben Zladak und Akmal gab es noch die Steuerfrau, die Kommandantin, die Navigatorin, eine Bordelementaristin und eine Mannschaft aus vierzig Matrosen auf der Siebenrot. Unser erstes Flugziel war das Clanheim der Steinklauen und wir legten früh ab. Zladak wusste mich auch weiter zu beschäftigen, erklärte mir zu jeder Aufgabe aber auch den Sinn, der sich dahinter verbarg. Er ließ mich das Deck schrubben, damit das Holz nicht faulte. Er ließ mich eine Skullbank reparieren und fragte mich, was ich wohl glaubte, wofür die Löcher und Haken da wären. Ich hatte natürlich keine Ahnung. Aber ich schaute zu den rudernden Trollen und versuchte mir den Bewegungsablauf vorzustellen, bevor ich antwortete. Mit meiner Antwort schien er leider nicht sehr zufrieden. So verging die Zeit stets sehr schnell und ich kam selbst im kältesten Wetter noch gut ins Schwitzen. Der Besuch im Clanheim der Steinklauen war für mich natürlich aufregend. Da ich nicht zum Clan gehörte, wurde ich als Gast aufgenommen. Die Wohnhöhlen in den unzugäng-lichsten Stellen der steilsten Berghänge waren beeindruckend und befremdlich zugleich. Ungemütlichkeit scheint den Trollen nicht nur wenig auszumachen sondern sie sogar heraus-zufordern. Sie können von dem wenigen, was ihre Ziegen hergeben offensichtlich nicht gut überleben. Daher ziehen sie auf Beutezüge, um ihre Familien zu ernähren. Gelegentlich tauschen sie auch in den Städten Rohstoffe, die sie in ihren Bergen gewinnen, oder den Teil der Beute ein, den sie nicht brauchen können. Meine ersten Flüge waren solche Rohstoffflüge. Mit großen Netzen wurde in kleinen Schiffsverbänden von je zwei bis drei Drakkars in großer Höhe Luft geschürft. Für mich war das komplett neu und ich verstand zunächst gar nichts von dem, was sie da machten. Zladak jedoch war ein geduldiger Beantworter all der Fragen, die ich stets hatte, solange ich nicht aufhörte zu arbeiten. Nach zwei Wochen verließen wir die Berge wieder und flogen über den riesigen Schlangenfluss ins Flachland. Ich wusste nicht, was das Ziel der Reise war, und freute mich, als ich unten eine Karawane entdeckte, die wie eine Schlange über das Land an einem Flüsschen entlang zog. Ich zeigte sie Zladak und der war so erfreut über den Anblick, dass er es gleich auf seiner für mich unverständlichen Sprache allen lauthals mitteilte. Sofort kam Akmal an Deck und brüllte Befehle. Das Schiff wechselte seinen Kurs und flog in einem weiten Bogen über die Karawane und verlor dabei deutlich an Höhe. Nie hatte ich damit gerechnet, mit meiner Entdeckung so einen Wirbel zu verursachen. Eine Gruppe Trolle sprang sogar über Bord und glitt hinunter zur Karawane. Währenddessen sank das Schiff weiter, bis es fast den Boden erreicht hatte, so dass auch die meisten anderen Trolle das Schiff verließen und auf die Karawane zurannten. Aber meine naive Freude schwand schnell, als ich erkannte, was der Grund für diesen Trubel war. Die Karawane wurde angegriffen und ausgeraubt. Ich blieb natürlich auf dem Schiff, war bleich und zitterte. Mir war schlecht bei dem Gedanken, dass womöglich Zudenka die Führerin dieser Karawane hätte sein können. Als die Trolle zurückkamen, hatten viele von ihnen Schrammen, einige waren verwundet und zwei mussten sogar getragen werden. Die Lasttiere wurden entladen und der Lagerraum des Schiffes gefüllt. Die Karawane war völlig zerstört. Den Überlebenden hatte man ihre Waffen abgenommen. Die Reittiere und entladenen Lasttiere waren größtenteils geflohen. Mir war klar, dass ohne Waffen und Reittiere und mit diesen Wunden kaum einer lebendig die nächste Siedlung erreichen konnte. Mir war schlecht. Hätte ich doch meine Klappe gehalten, dann würden diese Leute noch leben. War ich denn von Mördern umgeben? Ich versuchte mir zu sagen, dass die Trolle das nur machten, um zu überleben und dass ein paar reiche Zwergenhändler solche Verluste wohl verschmerzen konnten. Es dauerte viele Tage, bis ich diesen Schreck verwunden hatte. An die Toten und Verletzten versuchte ich möglichst nicht zu denken. Den Trollen hingegen schien es seit dieser Schlacht umso prächtiger zu gehen. Sie waren ausgesprochen gut gelaunt und sangen beim Rudern. Akmal kam sogar zu mir und meinte:"

"Gut gemacht, Tarkon! Zladak hat mir erzählt, Du hättest die Karawane zuerst gesehen! Du bist ein Teil der Mannschaft und so langsam denkst Du auch wie ein Troll! Ich bin zufrieden!!"

"…!"

Ich musste mich übergeben.

Zladak Elfensohn Stoneclaws

Zladak Elfensohn war trotz der vielen anderen Aufgaben, die er als Maat hatte, stets freundlich zu mir und erstaunlich geduldig. Mir war aufgefallen, dass er ein wenig anders war als die anderen Mannschaftstrolle. Er schien tatsächlich wesent-lich behänder zu sein als seine Kollegen und auch keinen besonderen Wert auf seine Stärke zu legen. Dennoch wurde er genauso geachtet wie jeder andere und seine Befehle wurden genauso befolgt wie die der Offiziere. Nach dieser Schlacht hatten wir auf dem Rückflug ein wenig Zeit und er setzte sich zu mir. Da fragte ich ihn, wie er zu seinem Namen gekommen sei.

"Ich heiße Elfensohn, weil ich von Elfen aufgezogen worden bin. Meine Mutter war Sky Raider. Als sie bereits mit mir schwanger war, wurde sie in einer Schlacht sehr schwer verletzt. Sie rettete sich in ein Gebüsch. Ihr Schiff wurde zerstört und die meisten Mannschaftsmitglieder getötet. So kam es, dass sie zurückblieb und von den Elfen einer nahe gelegenen Waldsiedlung gefunden wurde. Sie wurde zum Krüppel mit nur einem Arm und einem Bein. Doch das Elfendorf nahm sie auf, pflegte und ernährte sie. Dann kam ich auf die Welt. Später erfuhr ich, dass es an ihrer Schwangerschaft lag, dass sie überhaupt aufgenommen wurde. Eines Tages starb meine Mutter, weil sie die Schande ihrer Abhängigkeit von der Hilfe anderer nicht ertragen konnte. Die Elfen zogen mich auf. Bei ihnen durfte ich nicht nur lernen, wie man überlebt, sich verteidigt und Gefahren erkennt, sondern auch wie man Schönheit sieht, was Eleganz ist und wie man mit geschickten Fingern Kunstwerke erschaffen kann. Ich lernte lesen und schreiben. Als ich erwachsen war, brachten sie mir das Luftsegeln bei und bei ihnen wurde ich zum Adepten ausgebildet. Sie sagten, ich dürfe erst wieder zurück zu meinem Clan, wenn ich alleine in der Wildnis bestehen und die gefährliche Reise in die Berge überleben konnte. So kam es, dass ich als Air Sailor zurück zu meinem Clan kam. Mein Clan war froh, dass ich zu ihnen gefunden hatte aber auch erschüttert, weil sie meine schwangere Mutter im Stich gelassen hatten. Um ihre Ehrschuld wieder zu begleichen, gestatteten sie mir, als Air Sailor unter Sky Raidern auf der Siebenrot mitzufahren und weitere Air Sailor auf der Siebenrot auszubilden. Und das, Tarkon Höhlenwind vom Clan der Wipfelkitzeln, ist es auch, was ich machen werde. Bisher gab es noch keinen, den ich meine Magie lehrte. Du wirst der Erste sein. Morgen früh fangen wir damit an."

Das war viel. Nicht nur seine in knappen Worten gefasste, ungewöhnliche Geschichte. Er wollte mich ausbilden. Ich, ein Adept... ich war völlig sprachlos und glotzte ihn an. Wahnsinn! Die Ausbildung war hart. Aber nach ein paar Wochen spürte ich tatsächlich zum ersten Mal Magie in mir. Ein unglaublich berauschendes Gefühl! Ich fühlte mich so stark wie nie zuvor. So wurde ich Air Sailor und damit auch zum Matrosen ernannt. Nach drei Jahren, die ich auf der Siebenrot verbrachte, hatte das Schiff in vielen Schlachten wacker gekämpft. Inzwischen hatte ich den Grund für diese Bluttaten eingesehen und begann, mich an den trollischen Begriff für Eigentum zu gewöhnen. Wenn man sich seinen Besitz von anderen abnehmen ließ, war man entweder zu schwach und verdiente ihn nicht oder aber man brauchte ihn nicht und war deshalb nicht bereit, sein Leben dafür zu riskieren. Die Trolle waren immer bereit, für ihren Besitz zu kämpfen. Es war unehrenhaft, jemanden zu töten, der keine Gefahr darstellt. Sie plünderten nie wahllos, sondern stets, um selbst zu überleben. In einer dieser Schlachten war die Kommandantin ums Leben gekommen. Dadurch rutschte Zladak auf den Posten des Steuermanns und mich ernannte Akmal zum neuen Maat. Wegen des traurigen Anlasses dauerte es eine Weile, bis ich mich darüber freuen konnte und bis ich begriff, welche Ehre mir hier zuteil wurde. Obwohl ich kaum mehr trollisch als ein paar Kommandos konnte und obwohl ich erst seit drei Jahren Matrose war, machte er mich zum Maat. Mir wurde schwindlig bei so viel Verantwortung. Bei einer unserer Fahrten kamen wir nach erfolgreichen Plünderungen nach Travar, um unnützen Tand gegen Essbares zu tauschen. Es gab offensichtlich Leute, die bereit waren, für Krempel kostbares Essen herzugeben. Warum also sollte man ihnen den Gefallen nicht tun? Zwei weitere Steinklauenschiffe hatten bereits in Travar angelegt, was sehr ungewöhnlich war. Akmal, Zladak und Chludarr, die neue Kommandantin, verließen das Schiff und meinten, sie wüssten noch nicht, wann sie wieder kämen. Das war noch ungewöhnlicher. Erst nach drei Tagen kamen sie zurück und waren so verschlossen und mürrisch wie nie. Auf meine Fragen bekam ich diesmal auch von Zladak keine Antworten. Wir legten ab und flogen in höchster Geschwindigkeit in Richtung Clanheim. Die anderen beiden Schiffe lagen immer noch über Travar. Eine merkwürdige Spannung hatte sich über die Siebenrot gelegt, man konnte es förmlich knistern hören. Kein Gesang beim Rudern, nur das Knarren des Schiffes im Rhytmus der Skulls. Ein starker Wind pfiff über unsere Köpfe und die Wolken jagten in dunklen Fetzen über uns hinweg. Obwohl niemand etwas gesagt hatte, gaben alle ihr bestes, die Siebenrot auf höchste Geschwindigkeit zu bringen. Das war das seltsame an einem Luftschiff. Die Mannschaft war ein Teil der Siebenrot und alle spürten was getan werden musste, obwohl niemand Befehle brüllte. Plötzlich jedoch brüllte dann dennoch einer:

"Ein Schiff... zwei Schiffe... Backbord querab über und Steuerbord querab über..."

Akmal, Zladak und Chludarr standen an der Reling und beobachteten gespannt die sich nähernden Schiffe.

"Bloodlore! Bewaffnet euch!"

Die Bloodlore

Durch ihren Höhenunterschied holten die Bloodlore uns schnell ein. Doch griffen sie nicht an, was nach allem, das ich über sie gehört hatte, ein Wunder war, sondern hielten den Abstand und schickten ein Airboat mit drei Trollen zu uns. Was wollten sie nur? Die drei Bloodlore sprangen auf unser Schiff und bauten sich vor Akmal und den Offizieren auf. Da sie trollisch sprachen, verstand ich kein Wort. Aber es war nichts freundliches, da war ich sicher. Mittlerweile war der Wind stärker geworden und erste Sturmböen erfassten die drei Schiffe. Als die Bloodlore wieder mit ihrem Boot zurückfuhren, brüllte Akmal Befehle. Es waren Kampfmanöver, das bedeutete eine Schlacht mit zwei Bloodlore-Drakkars – nicht gut. Ich hatte Bloodlore noch nie selbst kämpfen gesehen, doch genug über sie gehört. Es ging alles sehr schnell. Die Bloodlore hatten uns in der Zange und es dauerte nicht lange, bis sie uns entern würden. Da kam Akmal zu mir.

"Tarkon, schnell! Dieser Kampf wird unser letzter. Für Dich jedoch habe ich eine andere Aufgabe. Wenn wir geentert werden, nutze die Verwirrung der Schlacht und versuche unauffällig unter dem Backbordschiff hindurch an das Airboat zu kommen. Mach es los. Nimm Dir Gharbosch, unseren jüngsten Sky Raider. Er soll auf das Boot springen, nachdem Du es losmachen konntest. Sinkt möglichst senkrecht ab, da fallt ihr vielleicht niemandem auf. Versucht, zu zweit zurück nach Travar zu rudern. Dort findest Du in einer Herberge mit Namen "Schwarzes Fass" Yerrik Stoneclaws, den Chief unseres Moots. Sag ihm, die Bloodlore haben uns den Krieg erklärt und lauern seinen beiden Schiffen auf. Sie wissen Bescheid über Throal. Es ist ein Haduk cha’Norr, ein Krieg bis zum letzten Tropfen. Tarkon, Yerrik muss gewarnt werden, hörst Du? Er muss!! Fliegt tief und fliegt in einem nördlichen Bogen, damit die Bloodlore euch nicht sehen! Jetzt los! Harek’Chado, es war gut, Dich gekannt zu haben!"

Mir brummte der Kopf. Das war ja schrecklich! Der letzte Kampf? Die Siebenrot? Die ganze Mannschaft? Gut mich gekannt zu haben? Und ich sollte fliehen? Meine Freunde im Stich lassen? Befehl war Befehl! Wie in Trance stand ich an der Reling und wartete unentschlossen ab. Schnell kamen die beiden Schiffe näher. Die Siebenrot versuchte zwischen ihnen steil aufzusteigen, doch die Bloodlore erkannten das Manöver und zog nach. Die Steinklauen schlugen mit ihren Waffen auf ihre Schilde und sangen. Jetzte senkte sich die Siebenrot ab in dem letzten Versuch unter den feindlichen Schiffen abzutauchen. Aber schon sprangen die ersten Bloodlore auf die Siebenrot, wo sie von den Steinklauen erwartet wurden. Enterhaken verkeilten sich in der Reling und machten das Abtauchmanöver zunichte. Das Schlagen von Stahl auf Stahl und das ohrenbetäubende Gebrüll der Sky Raider mischten sich unter das Geheul des stärker werdenden Sturms. Ein Troll kam auf mich zugestürmt, bei dem Sturm konnte ich schlecht wegfliegen, ich erwartete seinen Angriff.

"Tarkon! Das Boot",

brüllte der vermeintliche Angreifer, da erkannte ich ihn.

"Gharbosch, Du bist es!"

"Das Boot!!!"

Ich hatte keine Wahl. Befehl war Befehl. Ich schaute auf das nun leicht über uns gelegene Backbordschiff. Enterhaken verhinderten, dass die Boote voneinander wegdrifteten. Da sah ich am Heck das Boot. Schnell stieß ich mich ab und tauchte unter dem Bloodlore-Drakkar durch. Ob mich jemand gesehen hatte? Der Sturm riss mich fast weg, nur mit größter Mühe erreichte ich das Boot. Ich krallte mich am knappen Kiel fest und schnaufte vor Anstrengung. Ich musste noch einmal das Boot loslassen und aus eigener Kraft im Sturm vom Kiel nach innen gelangen. Und los! Ich flog, dass mir schwarz vor Augen wurde, erreichte die Seitenleiste und zog mich hinein. Kurz durchatmen. Hatte mich jemand gesehen? Ein Blick nach oben, niemand schien mich zu beachten. Das Boot war mit drei Tauen am Drakkar festgemacht. Ich kappte sie mit meinem Schwert. Sofort löste sich das Boot vom Drakkar und wollte im Sturm davontreiben. In dem Moment spürte ich einen dumpfen Schlag und das Boot schwankte. Ein Troll war ins Boot gesprungen, es war Gharbosch. Sofort griffen wir die Skulls und ruderten mit unserem stärksten Willen unter das Drakkar. Dort liessen wir uns absinken. Gharbosch Blauzahn Stoneclaws war das jüngste Mannschaftsmitglied, aber ein guter Sky Raider mit einem starken Willen. Außerdem interessierte er sich sehr für Karten und erkannte die Landmarken auf dem Weg nach Travar besser als ich. Als wir nicht mehr weit über dem Boden waren, sahen wir, wie schnell uns der Sturm über das Land trieb. Wir mussten dagegen anrudern. Da half nichts. Ich versuchte mich an die Luftfahrerweisheiten zu erinnern, wie man am besten mit einem Sturm klarkam. Wir nutzten Bodenerhebungen aus, versuchten Stellen zu nutzen, an denen der Sturm gezwungen war in andere Richtungen zu blasen. Und wir ruderten, ruderten und ruderten. Es war ein Höllenritt! Nachts konnten wir nicht fliegen, da wir keine Sterne und nicht einmal den Mond durch die Wolken sahen, wonach Gharbosch sich hätte orientieren können. Wir wollten das Boot festmachen und den Tag abwarten. Doch Bäume kamen dafür in diesem Sturm kaum in Frage. Wo also festmachen? Ein Schleppanker? Aber wenn wir weiterruderten, in größerer Höhe, damit wir nirgends dagegen flogen und wenn wir uns nach der Windrichtung orientierten, einfach hoffen, dass sie nicht drehte und einfach hoffen, dass wir nicht so weit vom Kurs abkamen, dann konnten wir sehr wertvolle Zeit gewinnen. Also ruderten wir die Nacht durch. Am Morgen betrachtete Gharbosch die Landmarken, die Flüsse und Anhöhen und es dauerte lange Zeit, in der er nichts erkannte. Erst am Mittag rief er erstaunt auf. Er hatte etwas erkannt. Wir hatten den Kurs wieder. Er meinte, unsere Kursabweichung wäre gering geblieben und in der Nacht hätten wir mehr Boden gut gemacht als verloren. Das war gut. In einem Bogen, wie Akmal es mir vorgeschlagen hatte, flogen wir zwei volle Tage bis Travar. Den Schmerz spürte ich nicht mehr, Gharbosch verzog das Gesicht, gab aber ansonsten nichts von sich zu hören. Wir waren so mit uns, dem Boot und dem Sturm beschäftigt, dass keiner von uns noch an die Siebenrot dachte. Zuletzt ruderte ich fast automatisch und bemerkte Travar erst, als es schon fast unter uns war. Wir legten an einem der beiden Steinklauenschiffe an, begrüßten die Bordwachen und ließen uns den Weg zum Schwarzen Fass beschreiben. Ich flog auf dem direktesten Weg dorthin, Gharbosch kam mit zwei der anderen Steinklauen hinterher. Der Sturm wütete immer noch, ich hatte ihn satt. Zum Glück war es nicht weit bis zum Fass, ich war zum Sterben müde. In der Schankstube sah ich direkt die Trolle, Yerrik war dort. Einige Zwerge saßen bei ihnen am Tisch und hatten Berge von Papier vor sich aufgetürmt. Eine Standarte mit dem mir inzwischen bekannten Symbol Throals war hinter einem der drei Zwerge aufgebaut. Ich flog ohne Umschweife auf den Tisch und setzte mich auf einen der Papierstapel.

"Bringe Nachricht von der Siebenrot... wurden angegriffen! Bloodlore!"

Ich musste Luft holen. Die Zwerge lamentierten irgendetwas über Unterbrechung, Unverschämtheit, Papiere und Ausweis- pflicht.

"Lasst den Windling reden! Du bist der Maat der Siebenrot? Sprich!"

"Die Bloodlore haben den Steinklauen den Krieg erklärt, bis auf den letzten Tropfen. Sie wissen über Throal Bescheid, was immer das heißt. Sie lauern Deinen beiden Schiffen genauso auf, wie sie der Siebenrot aufgelauert haben. Es ist... es war die letzte Schlacht der Siebenrot... das zumindest meinte Akmal... das war vor zwei Tagen... Ich bin mit dem jungen Gharbosch - ah, da kommt er ja! - in einem Airboat gekommen, um Dich zu warnen... Akmal hat mich geschickt."

Allmählich wurde mir erst wieder die Bedeutung dessen bewusst, was ich da gesagt hatte. Ich stockte...

"Du bist durch diesen Sturm mit einem Airboat geritten, um mir diese Nachricht zu bringen? Jetzt setz Dich, trink etwas und hol Luft, bevor Du mir nochmal alles genau erzählst!"

Ich tat was er sagte, mir war alles recht. Gharbosch saß in sich gesunken da und sagte kein Wort. Ich erzählte Yerrik alles, mir selbst durch meine Worte die Erinnerungen vor Augen führend. Ich war wie betäubt. Meine Freunde! Zladak! Akmal! All die anderen! Die Siebenrot! Als ich fertig erzählt hatte, die Zwerge saßen mit großen Augen daneben und schwiegen, sagte Yerrik:

"Tarkon, Gharbosch, jetzt ist Krieg und ich muss zu meinem Moot! Wir werden den Bloodlore in den Arsch treten, aber zunächst holt mir Lljanda!"

Einer der Trolle verschwand und kam nach kurzer Zeit mit einer alten Zwergin wieder. Sie war eine Rocktapper-Zwergin, ich hatte von dem eigentümlichen Steinklauen-Clan gehört. Sie war über und über mit Symbolen behängt, trug eine braune, schäbige Robe, die wiederum mit mystischen Symbolen bestickt war. Ihre Haltung, ihr schäbiges, ungepflegtes Äußeres und ihr modriger Geruch standen im scharfen Gegensatz zu ihren Augen und ihren selbstbewussten Zügen. Das also war Lljanda Graubart Rocktapper, die berühmte Elementaristin der Cloudwalker, dem persönlichen Schiff des Chefs. Über sie gab es beinahe genauso viele Geschichten wie über ihn. Yerrik erklärte uns seinen Plan:

"Lljanda wird Kontakt aufnehmen mit unserem Mootheim. In eineinhalb Tagen sind drei Drakkars Verstärkung da. Sie werden im Nebel kommen, dafür wird Lljanda sorgen. Wir werden sie nicht hier treffen, sondern dort, wo auch die Siebenrot kämpfte. Dann werden wir sehen, ob wir nicht den Bloodlore in den Arsch treten! Nach diesem Kampf wird der Kriegsrat einberufen und Kriegsvorbereitungen werden getroffen."

Dann wandte er sich an Gharbosch und mich.

"Tarkon, Gharbosch! Durch eure Warnung können wir die Bloodlore besiegen. Euer Ritt auf dem Sturm war genauso groß wie eure Nachricht entsetzlich. Der Verlust der Siebenrot ist für uns alle schlimm. Aber wir werden sie rächen, dank euch. Höhlenwind ist ein unpassender Name für Dich, Tarkon. Deine Zeit im Kaer ist vorbei, jetzt lebst Du ein neues Leben. Ich werde Dich fortan Sturmreiter nennen, denn das ist es, was Du bist, Tarkon Sturmreiter. Du musst nun eine Entscheidung treffen. Dies ist ein Krieg unter Trollen. Du bist keine Steinklaue. Also ist es nicht Dein Krieg. Auf einem unserer Luftschiffe zu fliegen, bedeutet gegen die Bloodlore Krieg zu führen. Aber Du kannst wählen! Wir nehmen Dich als Newot in unseren Clan auf, dann bist Du eine Steinklaue und dies ist Dein Krieg. Oder aber Du entscheidest Dich zu gehen. Wir würden das verstehen. Du würdest dennoch stets als Gast in unseren Höhlen willkommen sein. Wir bleiben noch bis übermorgen früh. Bis dahin kannst Du Dich entscheiden."

Das war nun schwierig. Gelegentliche Überfälle auf Karawanen oder Dörfer, um uns zu ernähren, war eine Sache. Ein Krieg unter Trollen dagegen eine ganz andere. Die Siebenrot war wohl verloren. Meine Freunde vermutlich tot. Natürlich war ich Air Sailor und die Trolle waren mir lieb geworden. Aber einen Krieg zu führen gegen andere Trolle, wo ich noch nicht einmal verstand, worum es eigentlich ging? Ein Krieg bis zum letzten Tropfen, ein Vernichtungskrieg ohne Sinn? Schon am nächsten Tag wusste ich, wie meine Entscheidung lauten würde. Aber es war eine traurige Entscheidung, ich fühlte mich elend. Die Zeit bei den Steinklauen war schön, aber nun war sie vorbei. Entweder fand ich irgendwann ein anderes Luftschiff, auf dem ich anheuern konnte oder ich würde mit meinen anderen Fertigkeiten über die Runden kommen. Am nächsten Tag teilte ich Yerrik meine Entscheidung mit. Yerrik und die anderen hatten ihre Verhandlungen mit den Throalitern zu Ende geführt und trafen nun die Vorbe-reitungen für die bevorstehende Schlacht. Alle hatten viel zu tun. Der Abschied war daher kurz und umso frustrierender. Yerrik wiederholte seine Einladung. Vielleicht war der Krieg ja eines Tages vorbei. Traurig ging ich zum Kai, um mich von den anderen zu verabschieden. Ich wartete ihren Abflug ab und winkte ihnen hinterher. Über drei Jahre flogen einfach davon. Als sie aus meinem Blick verschwanden, blickte ich noch lange hinterher. Danach zog ich mich zurück, nur um am nächsten Tag wieder zum Kai zu gehen. Doch kein Drakkar wartete dort. Ich hasste meine Entscheidung, obwohl ich wusste, dass sie richtig war. So verging viel Zeit. Ich verdingte mich mit meinen handwerklichen Fähigkeiten in einer Werkstatt. Sie hieß „Lodurs Reparaturen“ und gehörte Lodur Immerwach, einem Menschen. Lodur war Zimmermann und in seiner Werkstatt nahm er allerlei kaputtes Mobiliar an, um es zu reparieren. Dabei konnte ich ihm helfen, wofür ich genug Geld bekam, um zu leben und mich abends in den Tavernen rumzutreiben. Travar ist eine große Stadt und es gab immer viele Aufträge. Auch sonst hatte Travar viel zu bieten. Langweilig musste einem hier nicht werden. Dennoch zog es mich immer wieder zum Kai und es dauerte lange, bis ich die Hoffnung, die Siebenrot könnte vielleicht doch noch auftauchen und die Schlacht durch ein Wunder überstanden haben, aufgab. Gelegentlich legten Drakkars an, meist Steinklauen – ein Umstand, der mir auffiel. Offensichtlich waren die Steinklauen diejenigen Trolle, die am ehesten in die Städte kamen, um Waren gegen andere Waren zu tauschen. Gute fünf Jahre verbrachte ich in Travar und wurde dabei zunehmend unruhig. Ich musste wieder in die Luft. Andererseits hatten die Umstände, die mich von den Trollen getrennt hatten, noch immer Bestand. Als ich jedoch eines Morgens wieder zum Kai ging, sah ich dort kein Drakkar und dennoch war ein Luftschiff da. Eines, dessen Bauart ich noch nie gesehen hatte. Es sah schnell und schnittig aus. Zwerge standen am Kai und handelten. War es möglich? Hatten die Throaliter eigene Handelsschiffe gebaut, um ihre Karawanen über den Himmel zu schicken? Ich flog näher. In throalischen Lettern stand ein Name am Schiff:"Steppenwind". Steppenwind? Das klang so gar nicht nach Throal! Ich flog auf das Schiff zu und schaute mich um. Eine Ork brüllte Befehle. Ich wartete einen ruhigen Moment ab und sprach sie an.

"Ich bin Tarkon Sturmreiter! Ich war Maat auf der Siebenrot. Könnt ihr einen Air Sailor brauchen?"

Sie musterte mich kritisch. Sie wirkte ein wenig unwirsch. Doch da war auch noch mehr in ihrem Gesicht. Es waren ihre Falten, sie sahen nach Lachen aus. Diese Frau lachte oft. Der kritische Blick dazu, das machte sie zwar seriös aber nicht wirklich grimmig.

"Verdak Sorka, Kapitänin der Steppenwind. Eine Handelsgaleone aus Urupa. Gute Leute kann ich immer brauchen. Ob Du gut bist, musst Du aber erst noch beweisen. Wenn Du gut bist, kannst Du bleiben. Du fängst als Zweiter Maat an. Sold gibt’s aber erst, wenn klar ist, ob Du bleibst!"

Auf der Steppenwind

Alles war anders auf diesem Schiff. Es wurde viel mehr geredet. Für alles gab es irgendwelche Regeln. Es erinnerte mich an die Karawanen. Vermutlich ist Regulierung eine allgemeine Vorliebe von Zwergen. Aber ich war wieder auf einem Luftschiff und das war die Hauptsache! Außerdem gab es auf diesem Schiff mehr Air Sailor als Sky Raider und offensichtlich war die Steppenwind ein friedliches Schiff. Sie war schnell und wendig. Der Laderaum war nicht, wie ich es bei einem Handelsschiff erwartet hätte, viel größer als bei einem Drakkar. Vermutlich konnte man mit geringerer Zuladung Angriffen besser ausweichen. Mit einer 60- köpfigen Ruderbesatzung und 20 Skulls waren alle drei Wachen voll besetzt. Während eine Wache ruderte und eine ruhte, musste ein Teil der die dritten Wache die Segel bedienen. Zudem gab es zwei Wachoffiziere und außer mir zwei weitere Maats. Die Navigation wurde von den Wachthabenden übernommen und Verdak selbst übernahm die Rolle der Steuerfrau. Einen Elementaristen gab es auch an Board, was schon mal sehr gut war. Die sechs Ballisten an Board wurden von Schützen bedient, die extra dafür eingeteilt waren. Obwohl die Steppenwind als Handelsgaleone einem reichen Zwergenhändler aus Urupa gehörte, war nirgends eine throalische Flagge oder ein anderes Zeichen throalischer Hoheit zu sehen. Auch die Eigenart der Karawanenzwerge, jeden über ihren Ratsvertrag zuzutexten, war den Zwergen auf diesem Schiff überhaupt nicht zueigen. Das wunderte mich. Als ich eines Tages Verdak darauf ansprach, nahm sie mich zur Seite und zischte mich ermahnend an:

"Nimm nie auf diesem Schiff Throal und Urupa im selben Atemzug in den Mund! Die sind sich nicht grün! Throal hat vor langer Zeit viele Zwerge im Stich gelassen. Die es überlebt haben, wohnen heute in Urupa und haben es Throal nie verziehen. Merk Dir das gut, damit Du nix falsches sagst!"

Aha. Daher. Nun wusste ich es. Und es machte mir die Steppenwind irgendwie sympathischer. Lange Zeit flog ich auf der Steppenwind mit. Als Maat war ich der zweiten Wache zugeteilt. Mit meinem Wachoffizier, einem älteren Zwerg, kam ich ganz gut aus. Er hieß Glimm Moosheimer und war ein gutmütiger, erfahrener Air Sailor, der alles ein wenig gemütlicher angehen ließ und nie seine Ruhe verlor. Der Elementaristen an Board verstand zum Glück einiges vom Wetter. Er konnte uns die meisten Unwetter und Stürme voraussagen, so dass wir dann rechtzeitig Schutz suchen konnten. Kämpfen flogen wir aus dem Weg, indem die Routen so gewählt wurden, dass wir den Trollgebieten fern blieben und auf diese Weise möglichst selten Drakkars begegneten. So passierte nicht viel und die Jahre auf der Steppenwind waren eine ruhige und schöne Luftfahrzeit. Mit der Erfahrung, die ich trotz der Ruhe langsam sammelte, wurde ich in meiner Magie besser. Fast zehn Jahre war ich schon auf der Steppenwind und die Ausbildung zum fünften Kreis und damit mein Gesellenstück standen mir bevor. Eines Tages waren wir in Richtung Jerris unterwegs und flogen über die Steppe. Das Orkbrennergebiet, das wir überflogen, war normalerweise kein Problem, da die Orks hoch fliegende Schiffe nicht erreichen konnten und die Drakkars aus den südlichen Gebirgen nie so weit nach Norden kamen, insbesondere, weil der Liaj dazwischen lag. Nur selten kam einmal ein Drakkar aus dem Norden über die Steppe. Die Trolle aus den Scolbergen hielten sich vermutlich eher an den Nialls am Schlangenfluss schadlos. Erstens lebten die Orks nicht gerade im Überfluss und zweitens konnten sie sich auch noch recht gut verteidigen. Das hatte ich bereits in meiner Zeit bei den Steinklauen gelernt. Damals schon hatten wir Karawanen oder Nialls bevorzugt.

Das Sorkamanöver

Dennoch sah ich an jenem Tag einen Punkt an der Kimm, der langsam größer wurde. Nach kurzer Zeit konnte ich ein Schiff erkennen, das aus nördlicher Richtung kommend, einen südwestlichen Kurs flog. Ob es Trolle aus den Scolbergen waren oder vielleicht Händler wie wir, die in Kajetan oder mit den T’skrang gehandelt hatten, konnte ich noch nicht sagen. Aber ich sah, dass ihr Kurs sie uns sehr nah bringen würde. Also alarmierte ich Glimm und der befahl uns sofort, uns zu bewaffnen. Sofort brach ein hektisches und lautes Treiben auf dem Schiff los, als vierzig Matrosen, die gerade Pause hatten, sich in Rüstung legten und bewaffneten. Die Schützen begannen mit dem Beladen der Ballisten. Der Elementarist kam ein wenig müde und besorgt an Deck und schaute gemeinsam mit uns aus. Das Schiff kam näher. Langsam konnte man Segel erkennen. Es war ein Drakkar! Glimm rief dem Rudergast einen neuen Kurs zu, wir drehten langsam ab und versuchten, uns von dem Drakkar frei zu halten. Doch das fremde Schiff änderte ihrerseits seinen Kurs und hielt nun in steilem Winkel auf uns zu. Lange würde es nicht mehr dauern, bis es in Gefechtsreichweite käme. Die Mannschaft war sehr unruhig. Schon sehr lange hatten wir kein Luftgefecht mehr bestehen müssen. In einem Gefecht werden die drei Maats den Bereichen Manöver, Fern- und Nahkampf zugeteilt. Mir war das Manöver zugeteilt worden, da es ohnehin meine Wache war. Das bedeutete, ich musste die vom Offizier vorgegebenen Manöver in Befehle an die Mannschaft umsetzen und dafür sorgen, dass jeder an seinem Platz tat, was er tun musste. Das bedeutete aber auch, dass ich mich aus einem Kampf bis zuletzt würde heraushalten müssen, um die Manövrierfähigkeit des Schiffes nicht zu gefährden. Nun war es soweit. Das Schiff kam in Schussreichweite. Aber wo blieb die Kapitänin? Das Drakkar hatte eine Speerschleuder auf uns abgefeuert. Der Speer verfehlte uns knapp. Unsere Bugballista antwortete und schoss ein Loch in das Segel. Mist. Kein Effekt. Glimm hatte die Steppenwind nun so beigedreht, dass wir mit unserer Breitseite den Bug des Drakkars unter Beschuss nehmen konnten. Da geschah das Unglück. Ein Pfeilschwarm ging über uns nieder. Jeder riss seinen Schild hoch, doch ich hörte Schreie. Sofort blickte ich wieder auf und sah drei Männer liegen. Einer davon war Glimm. Verdammt! Das bedeutete, dass ich vorübergehend das Kommando über meine Wache übernehmen und selbst Manöver ausgeben musste. Wo blieb Verdak Sorka? Die Steuerboardballisten feuerten. Unsere Fernkämpfer schossen. Eine der Ballisten traf das Drakkar und riss ein Loch in die Seitenwand. Dank dieses Manövers hatten wir jedoch an Fahrt verloren und drohten nun vom mittlerweile beidrehenden Drakkar aufgeschlossen und womöglich geentert zu werden – der Preis für einen Treffer. Ich entschied mich für eine q-Wende, um das Drakkar noch zweimal vor unsere Breitseite zu bekommen und um im Anschluss wieder Fahrt aufnehmen zu können. Das war riskant, da wir ihnen dabei gefährlich nah kommen würden, aber wir brauchten Fahrt. Die Skuller pullten, dass ihre Skulls sich bogen. Jeder gab sein Äußerstes. Die Backboardballisten feuerten. Ich hörte drüben etwas rumpeln. Vielleicht noch ein Treffer? Das wäre gut! Da wurde die Steppenwind getroffen! Holz splitterte, direkter Treffer am Rumpf. Ein Speer hatte sich durch die Seite gebohrt und den dahinter sitzenden Skuller erwischt. Die Skuller kamen aus dem Rhythmus, das Schiff verlor an Fahrt. Blut spritzte. Schreie. Chaos. Ich schrie mir die Kehle wund, brüllte Befehle, irgendwelche, ich weiß nicht mehr genau welche, alles ging so schnell. Irgendwie gelang es den Skullern, wieder Fahrt aufzunehmen und das Manöver fortzusetzen. Der verletzte Skuller, ein Ork, hing noch immer blutend und schreiend über seiner Bank. Sein Skull war herausgezogen worden, um die anderen nicht zu behindern. Doch wir hatten nicht nur zwei Hände, sondern auch wertvolle Zeit verloren. Mit Entsetzen erkannte ich, dass die q-Wende uns direkt in die Seite des Drakkars würde rammen lassen. Wir waren keine 50 Schritt mehr davon entfernt. Da hörte ich die ersehnte Stimme:

"Tarkon, ich übernehme! Warte ein Manöver ab, dann kümmer Dich um den verletzten Skuller, dann setz Dich selbst an die Bank und ersetze ihn!"

Verdak war plötzlich wieder da. In knappen, energischen, lauten aber ruhigen Worten gab sie Anordnungen. Sie ließ die Steppenwind tatsächlich weiter auf das Drakkar zufahren. Was hatte sie vor? Einen Slide? Wollte sie das Trollschiff entern? Das wäre Wahnsinn! Genau das würden die sich wünschen! Wir näherten uns bedenklich. Man konnte die Rufe auf dem Trolldrakkar deutlich vernehmen und ihre Gestalten an Board beobachten. Wir befanden uns genau vor ihrer Breitseite. Eine Salve. Drei Speere und viele Pfeile. Schild hoch, das Schiff wurde erschüttert, Holz splitterte, viele fielen. Schon wieder getroffen. Wieder Verluste. Ich sah auf. Verdak gab Befehle.

"Tiefenruder hart rauf! Vorbereiten zur Wende hart Steuerboard!"

Wollte sie unter dem Drakkar durchtauchen? Aber das würde uns den Mast kosten. Wer weiß, was noch alles kaputt gehen würde.

"Rudergänger, wenn ich Re brülle, dann luvst Du hart an den Wind ran, härter als jemals zuvor in Deinem Leben, klar? Tarkon, Du bist schnell. Folge mir in die Mastspitze!"

"Bitte?"

"Zieh Dein Schwert! Los, komm!"

Die Steppenwind neigte sich hart abwärts. Die Mastspitze war nur wenige Schritt vom Drakkar entfernt. Gleich würde es splittern. Ich folgte Verdak so schnell ich konnte. Das war Selbstmord! Sie hatte eine Axt in der Hand, während sie mit einem Sprung oben landete.

"RE!"

Der Rudergänger schlug so hart ein, dass sich die Steppenwind fast komplett auf die Seite legte. Die Mastspitze kratzte knapp am Rumpf des Drakkars und legte sich unter das feindliche Schiff. Sie bog sich, doch hielt. Verdak und ich waren an der Spitze und hielten uns fest.

"Tarkon! Zwei Ruderzüge! Einen Du, einen ich!"

Da begriff ich! Das Anluven hatte nicht nur unseren Mast gerettet. Kurz bevor sich das Schiff danach wieder aufrichten würde, würde die Mastspitze direkt am Heck des Drakkars vorbei in die Höhe schnellen und uns in Reichweite des Ruderblattes bringen. Zwei Ruderzüge verbanden das Ruder- blatt mit der Steuerradmechanik. Es musste sehr schnell gehen. Wir hatten nur einen Versuch.

"Drei! Zwei! EINS! JEEETZT!!!!!"

Ratsch, Tsching. Das wars. Ich hatte getroffen!!! Ich hatte den blöden Zug durchtrennt! Wir schnellten an der Mastspitze in die Höhe. Die Mannschaft jubelte! Was für ein Manöver! Ein echtes Sorkamanöver! Doch zum Feiern blieb keine Zeit. Das Drakkar war einge- schränkt manövrierfähig, aber nicht –unfähig. Wir fuhren hart am Wind, genau entgegengesetzt zum Kurs des Drakkars. Das gab uns einen kleinen Vorsprung. Ohne Ruder würde das Drakkar für eine Wende viel Zeit benötigen. Vielleicht gelang es uns, zu entkommen und den Schutz Kajetans zu erreichen, bevor uns das Drakkar einholte. Ich kümmerte mich sofort wieder um meine Wache, brachte Kredackch, den verletzten Skuller in die Elementaristenkajüte, setzte das Skull wieder ein, mich auf Schlag und die Schlagfrau auf die unbesetzte Bank. Ich legte eine Schlagzahl auf, wie in meinem Leben noch nicht, verlangte und gab das Äußerste. Wir pullten um unser Leben. Das Drakkar hatte mehrere Minuten Rückstand. Das musste reichen! Und es reichte knapp. Nach eineinhalb Stunden flogen wir Kajetan an. Wir waren in Sicherheit. Nach dem Anleger kam die Bestandsaufnahme. 10 Verletzte, zwei Tote. Glimm hatte überlebt. Kredackch nicht. Furchtbar! Die Steppenwind hatte zwei direkte Treffer abbekommen. Die Segel waren von Brandpfeilen an mehreren Stellen angesengt, doch der Elementarist hatte die Feuer schnell unter Kontrolle gehabt und Schlimmeres verhindert. Wir hatten viel Glück gehabt. Verdak hatte uns mit ihrem Manöver gerettet. Eine Woche später nahm mich Verdak auf die Seite und meinte:

"Hör mal Tarkon. Du willst sicher bald Geselle werden. Doch so einfach ist das nicht. Als Geselle wirst Du vielleicht eines Tages auch Offizier und sogar Kapitän werden wollen und als Geselle wird man Dich vermutlich auch eines Tages Offizier und sogar Kapitän werden lassen. Deshalb sehe ich in Deiner nächsten Ausbildung einen besonders wichtigen Schritt. Ich werde aber nie jemanden diesen Schritt machen lassen, den ich nicht für geeignet halte! Und Du bist nicht soweit. Nicht die Magie fehlt Dir, das ist es nicht. Aber um Kapitän zu werden, musst Du Dinge wissen, die Du noch nicht weißt, um Entscheidungen treffen zu können, die Du noch nicht treffen kannst. Vielleicht ist das unter Trollen nicht üblich, aber ich werde Dich nur weiter ausbilden, wenn Du vorher ein paar Sachen gelernt hast, die sich leider nur am Schreibtisch lernen lassen. Es liegt an Dir. Wenn Du weiter kommen willst in Deiner Disziplin, dann schnapp Dir vorher ein paar Bücher. Lerne, welche Strategien man als Kapitän kennen sollte, welche Manöver es gibt. Lerne auch aus der Geschichte. Lerne über bekannte Luftfahrer und wie sie was machten oder was ihnen zum Verhängnis wurde. Aus ihren Erzählungen kann man lernen, eigene Fehler zu vermeiden. Wenn Du meinst, genug gelernt zu haben, komm wieder zu mir. Ich werd Dich prüfen und, wenn Du gut bist, werd ich Dich zum Gesellen ausbilden. Es liegt an Dir!"

Auf der Akademie

Och nöö! Schon wieder so eine blöde Entscheidung! Ich und Bücher? Am Schreibtisch lernen? Was war das denn? Aber ewig Novize war auch nicht der wahre Jakob. Ich wollte mehr Verantwortung, vielleicht nicht gleich Kapitän, aber zumindest mehr als Maat. Außerdem wollte ich stärkere Magie, Stillstand war mir zuwider. Ich hatte keine echte Wahl. Ich musste gehen. Also ging ich. Vielleicht tat es mir ja gut, mal wieder neue Leute kennen zu lernen. Ich ließ mich in Märkteburg absetzen, da ich in Throal die meisten Bücher und auch Schreibtische vermutete. Dort gabs sicher ne Möglichkeit, so was zu lernen. Als erstes fragte ich bei der Bibliothek und bei der Throalischen Armee nach. Die Bibliothek hatte zwar Bücher, aber keine Lehrer. Die Armee hatte zwar Lehrer, aber man musste sich verpflichten und Throal Loyalität schwören. So weit wollte ich aber nun wirklich nicht gehen. Also mietete ich mich in einer kleinen Bude in Throal ein und machte mich auf die Suche nach irgendwas. Ein wenig unmotiviert, weil ich nicht genau wusste, was ich eigentlich suchte, zog ich einige Tage durch die Stadt, bis ich schließlich vor einem auffälligen Schild stand, auf dem geschrieben war: "Throalische Akademie – Disciplina Est Mater Studiorum" Disziplin, na ja, aber Studioren, hmm, mal nachfragen. Auf meine Anfrage erhielt ich die Auskunft, dass jeder freie Bürger Throals das Recht habe, zu studieren. Aha. Auf meine Frage, wer denn freie Bürger Throals seien, erhielt ich die Antwort, jeder der an den Ratsvertrag glaubt und sich an die Gesetze hält und gegen Sklaverei und Unterdrückung ist und vor dem König das Knie beugt und und und… Naja. Gute Miene zum bösen Spiel: warum nicht? Ich hatte mir genug Sold angespart. Man konnte Geschichte, Taktik und Militär-prozeduren studieren, das sollte es doch tun, oder? Ich schrieb mich ein. An die Bücher und Vorlesungen konnte ich mich nie so richtig gewöhnen. Aber mit einigen Studenten konnte man wunder- baren Scheiß machen. Wenn die Lernerei nicht gewesen wäre, wäre das Studium eigentlich eine perfekte Zeit gewesen. In Geschichte war ich mies. Ich konnte mir, wenn überhaupt, nur die Ereignisse merken, die mit der Luftfahrt im Zusammenhang standen. Einige Luftschlachten zum Beispiel waren sehr interessant. Die Berichte konnte man sich wie eine spannende Erzählung durchlesen. Besonders mochte ich die Erzählung von Admiral Stonk von den Ishkarat. Das war ein Zwerg, der es auf T’skrang-Schiffen zu Würden gebracht und einige Wasserschlachten sehr schlau gemeistert hatte. Es heißt, dass Admiral Stonk am Ende angeblich von einem Troll im Affekt erschlagen wurde, weil er versucht hatte, ihn vom Ratsvertrag zu überzeugen. Militärprozeduren waren mein Nebenfach. Die throalische Armee ist genauso von Bürokratie und Hierarchie durchzogen, wie man es von ihr erwartet. Aber einige Dinge kamen mir von Schiffen bekannt vor. Und manches macht auch Sinn. Eine Armee kann leider nur funktionieren, wenn sie straff organisiert ist, das hab ich begriffen. Taktik dagegen machte mir Spaß. Da konnte man lernen, wie man clever einen Feind in Überzahl austricksen konnte. Ein großer Schwerpunkt und meine Spezialisierung im Hauptstudium waren dann auch Schiff- und Flottenstrategien. Da waren wir nur zu dritt in den Vorlesungen. Die meisten anderen Taktiker wollten über Feldtaktiken, Stadtbelagerungen, Artillerie, Kavallerie und Infanterie lernen – Gähn. Völlig veralteter Kram! Wen interessiert eine Stadtmauer und was macht eine Belagerung noch für einen Sinn, wenn man genug Luftschiffe hat? Mit mir lernte eine Trollin und eine T’skrang. Das war aufregend mit den beiden. Die Trollin war Air Sailorin wie ich. Die T’skrangfrau hieß Hessfchia und war eine Bootsfrau, eine Disziplin, von der ich zuvor noch nie gehört hatte. Sie konnte Geschichten erzählen wie ein Wasserfall und die waren alle spannend. Wenn auch nur ein Bruchteil davon stimmte, war sie die größte Flussfahrerin, die die Welt je gekannt hatte. Aber das war egal, denn man konnte mit Hessfchia und Vortkoa klasse durch die Häuser ziehen und die Kneipen unsicher machen. Zusammen machten wir uns immer über Bodenstrategen lustig, wie wir die anderen nannten. Aber auch das Studium dauerte entgegen unseres gelegent- lichen Eindrucks nicht ewig und irgendwann war ich tatsächlich ein "Magister", habe ein Formular dafür bekommen, eine so genannte Urkunde – und stehe in irgendeinem Archiv. Davon kann man sich zwar nix kaufen, aber immerhin konnte ich jetzt endlich zu Verdak und mich von ihr ausbilden lassen… Es dauerte einige Zeit, bis ich die Steppenwind fand. Verdak war immer noch Kapitänin. Sie war zwar inzwischen sehr alt geworden, doch immer noch voller Kraft und Tatendrang. Als sie mich sah, meinte sie:

"Endlich, Tarkon! Ich dachte schon, Du wärst mir untreu geworden! Was hat denn da so lange gedauert?"

"Hä? Wie bitte? Ich hab gelernt, am Schreibtisch, wie Dus wolltest!"

"Fünf Jahre? Na dann erzähl mal. Was hast Du denn da so gelernt?"

Was folgte war eine Prüfung, aber eine lusche. Sie meinte, es wäre gut, was ich alles gelernt hatte, so viel hätte sie eigentlich gar nicht verlangt. Zwei oder drei Jährchen auf dem Schiff immer nach Feierabend in Büchern schmökern und dazu Fragen stellen, hätten ihr eigentlich gereicht. Schließlich hat nicht jeder Luftschiffkapitän so viele Jahre wie ein Windling… Aber umso besser, denn dann könne sie mich ja jetzt mit gutem Gewissen ausbilden… Der Hammer! Ich wusste nicht, ob ich ihr an ihre Kehle springen sollte, ob ich laut weinen oder ob ich mich freuen sollte! Hätte ich das vor der Zeit in der Akademie gewusst, hätte ich nie studiert! Andererseits war die Zeit auch ganz interessant und hatte mir ein wenig Abstand gebracht. Das Wissen ist auch nicht unnütz, also… Ich musste lachen. Das war so komisch, ich konnte gar nicht mehr aufhören mit Lachen. Ich erzählte Verdak von der Akademie und meinem Studium, da musste sie auch lachen. Schließlich fiel ich ihr doch noch um den Hals…

So wurde ich Geselle.

Wichtige Charaktere

Im Kaer:

Tsslis’za Radusch Ourayn
        Geschichtenerzählerin, T’skrang, Troubadoura
Marcyn Durchdiewand vom Clan der Wipfelkitzeln
        Jugendfreund, später Krieger
Zudenka Schmeunach
        Freundin, Mensch, Scout

Bei den Steinklauen:

Akmal Flugrausch Stoneclaws
        Kapitän der Siebenrot, Troll, Sky Raider, (t)
Zladak Elfensohn Stoneclaws
        Maat, später Steuermann der Siebenrot, Troll, Air Sailor, (t)
Gharbosch Blauzahn Stoneclaws
        Jüngstes Crewmitglied der Siebenrot, Troll, Sky Raider
Yerrik Stoneclaws
        Moot Chief der Stoneclaws, Kapitän der Cloudwalker, (t)
Lljanda Graubart Rocktapper
        Elementaristin auf der Cloudwalker, (t)

In Travar:

Lodur Immerwach
        Werkstattbesitzer, Mensch, Zimmermann

Auf der Steppenwind:

Verdak Sorka
        Kapitänin der Steppenwind, Ork, Air Sailor
Glimm Moosheimer
        2. Offizier der Steppenwind, Zwerg, Air Sailor

Auf der Akademie:

Hessfchia Fulech Sslain
        Kommilitonin, T’skrang, Bootsfrau aus der Niall Sslain (Syrtis)
Vortkoa Schildbruch Steinhorn
        Kommilitonin, Troll, Air Sailorin aus Travar

Die Schiffsmannschaft

Offiziersränge:

Kapitän
Wachoffiziere
        manchmal auch Kommandanten genannt. Sie vertreten das Kommando in ihrer jeweiligen Wache.
Waffenoffiziere
        Auf großen Kriegsschiffen gibt es neben den Wachoffizieren die Waffenoffiziere. In einem solchen Fall unterstehen Kämpfer (Schützen, Kanoniere, Nahkämpfer) den Waffenoffizieren, während die Luftschiffer den Wachoffizieren unterstehen.

Unteroffiziersrang:

Maat
        Gelegentlich auch 2. und selten 3. Maat bei großen Mannschaften. In einem solchen Fall ist jeder Wache ein Maat zugeteilt.

Sonderpositionen:

Auf einem Schiff gibt es Aufgaben, die nur von besonders qualifizierten Crewmitgliedern erfüllt werden können. Diese stehen dann in der Regel außerhalb der regulären Hierarchie und unterstehen nur dem Kommando des Kapitäns. Auf kleineren Schiffen werden diese Aufgaben von erfahrenen Crewmitgliedern (meist Steuermann) oder den Offizieren selbst (meist Navigation) übernommen.

Steuermann
        Ist für den laufenden Betrieb auf dem Boot verantwortlich. Er kontrolliert den Lebensmittelbestand für die Crew und die Funktionsfähigkeit aller Schiffsteile. Überwacht auch den Kurs und die Navigation, führt das Schiffslogbuch. Häufig ist auch der Kapitän selbst oder der 1. Offizier gleichzeitig Steuermann. Jedoch wird der Steuermann im Gefechtsfall nie die Aufgabe eines Waffenoffiziers übernehmen.
Navigator
        Macht das Navigationsbesteck an Board und berechnet den Kurs, den er direkt mit dem wachthabenden Offizier abspricht. Häufig machen die wachthabenden Offiziere oder der Steuermann selbst die Navigation, gelegentlich wird hierzu aber auch ein Scout angeheuert.
Elementarist
        Kontrolliert und verbessert die Schiffsmagie, kann im Ernstfall das Wetter beeinflussen oder auch gegen feindliche Schiffe kämpfen. Ist für das Aufladen evtl. vorhandener Kanonen verantwortlich.
Arzt, Heiler
        Nur wenige Schiffe haben einen Heiler an Board. Sollte jedoch einer an Board sein, ist er im Rang dem Kapitän gleichgestellt und kann als einziger den Kapitän von seinem Kommando entbinden.

Aufgaben an Board:
Rudergänger, Rudergast:
        Der Rudergast steht am Ruder, stellt den vom Wachthabenden angegebenen Kurs ein und hält ihn. Er ist nicht zu verwechseln mit dem Steuermann.
Skuller, Riemengasten:
        Die Skuller sitzen an den Skulls. Der Unterschied zwischen Skulls und Riemen besteht darin, dass im Falle eines Entermanövers, die Hälfte der Skullgasten zum Kämpfen abgestellt werden können, während die andere Hälfte sich in die Mitte des Rumpfes über den Kiel setzt und je zwei gegenüberliegende Skulls zusammen bedient. Um diesen Vorteil auszunutzen, benötigt man jedoch eine sehr erfahrene Mannschaft. Riemen sind im Gegensatz zu Skulls seitlich versetzt und liegen sich nicht wie Skulls gegenüber, so dass eine Zusammenführung wie bei gegenüberliegenden Skulls nicht möglich ist.
Segelwache
        Von den zwei Wachen, die nicht für das Rudern eingeteilt sind, ist eine für die Segelwache eingeteilt. Die Segel lassen sich in der Regel von weniger als einer kompletten Wache bedienen, so dass die Wachzeit unter der Wache aufgeteilt wird. Jeder Matrose sollte im regulären Betrieb am Tag mind. 12h Ruhezeit haben können.


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