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White Noise Kampagne

White Noise und Spieler
"Zur Not schlafe ich auch mit dem Feind. In dubio pro Eo!"
Eochaidh Coill Cuanna, Troubadour

Outtime

Die White Noise Kampagne läuft mit nur kurzen Unterbrechungen seit Herbst 1997.

Aktuelle Besetzung

Die aktuelle Besetzung tritt in die Fußstapfen der legendären White-Noise-Gruppe. Inzwischen auch bereits auf dem Weg in die Hüterkreise, setzen sie die Geschichten fort und ahnen bereits, dass sie ein verworrenes und vielleicht sogar düsteres Erbe antreten.

Ihre Legenden haben eine eigene Seite.

Original-Besetzung

Eochaidh Coill Cuanna. Elfischer Troubadour gespielt von Steffi Pirnay
Elenar. Elfische Magierin gespielt von Esther Burgard
Thorin Ahira Säbelbein. Zwergenkrieger/Dieb gespielt von Norbert "Bubi" Bubeck
Watz der Peinen Zwergen Geisterbeschwörer gespielt von Friedemann Hahn (ehemals Lada Rangxe und Radegast)
Tirodu. Obsidianer Krieger/Elementarist gespielt von Daniel "DanDan" Umber (ehemals Findel Windhauch und Jago Ragabash)

Soundtrack

Zur White-Noise Kapangne gibt es einen mittlerweise vier CD's umfassenden Soundtrack, der hier auch als Download (mp3) zur Verfügung steht.

Plot

1441 Th. T.

109 Jahre früher als die Uncalled-Campaign angesiedelt, ist die White-Noise-Campaign ein Sammelsurium an Abenteuern aus der Entdeckungszeit und der Öffnung der Kaers. Die Plage gerade einigermaßen überstanden, beginnen verschiedene uralte und neue Organisationen mit der Neustrukturierung der Fäden ihrer Macht über Barsaive und vielleicht weit darüber hinaus. Lehrer der eigenen Disziplin zu finden ist schwer. Märkteburg ist gerade mal aufgebaut und vom ersten theranischen Krieg ist noch lange nicht die Rede. Barsaive ist durch Throal unabhängig und liegt am Anfang einer schwierigen Zeit. Eine junge Abenteurergruppe, unerfahren und von der Welt unter freiem Himmel begeistert, macht sich auf den Weg...ja auf welchen Weg eigentlich? Und auf wessen Weg? Sind sie (Zinn-) Figuren in einem Spiel, welches sie (noch) nicht verstehen? Ist der Zufall ein Bekannter, dessen Vorteil in seiner Verläßlichkeit liegt? Ist Leben eine Sicherheit, die man zu jeder Zeit herausfordern will? Ist Zeit etwas, über was man im Überfluß verfügen kann? Da ist die seltsame Organisation der "Gelben Tulpe", deren Mitglieder sich vorwiegend in den überschwenglichen Tempeln von Astendar aufhalten, um mit der Kunst zu liebeln und wilde Orgien zu feiern, allen voran die bezaubernde elfische Troubadoura Rana im Sternenglanz. Da ist ein Dorf, welches nicht das ist, was es zu sein scheint, das in zwei verschiedenen Versionen zu existieren scheint. Da ist das atemberaubende Abiente der Stadt Kratas, deren Halsabschneider einem das letzte Gold aus der Tasche ziehen - für Informationen die man eigentlich gar nicht braucht. Da ist ein theranisches Luftschiff, welches dort nicht sein sollte. Da sind so viele Fragen!

Über die Geschichte, welche diese unerschrockene Gruppe erlebt und welche sonderbaren Zusammenhänge und Geheimnisse in ihrem Verlauf enthüllt werden, wird schon bald Eochaidh Coill Cuanna, Troubadour seines Zeichens mit tatkräftiger Unterstützung von Thorin Ahira Säbelbein für sein gespanntes Auditorium berichten.

Tagebuch

Das White Noise Tagebuch von Eochaidh Coill Cuanna und Thorin Ahira Säbelbein. Nun, zumindest der Anfang davon...

Bilder und Geschichten

Eochaidh Coill Cuanna

Eochaidh Coill Cuanna

Mein Name ist Eochaidh Coill Cuanna, jüngster Sproß der Konklave der Ellentan und der Sinuin, geboren unter den Vorzeichen der Musik und der Geschichten, welche unsere Welt seit Anbeginn der Zeit lebenswert machen. Ich spreche von den Künsten, die ich, als Troubadour vertrete und versuche, allen Bewohnern von Barsaive nahe zu bringen. Ich war noch sehr jung, als ich erkennen durfte, daß mich die Musik auserkoren hat, eines ihrer Instrumente zu werden. Ich hörte in der Enklave der Vorführung des Kindalin zu -ich mußte etwa fünfzehn gewesen sein- wie er aus seiner großen und wunderschön geformten Harfe Klänge der wahren Verzückung und Liebe zauberte. Seine Finger glitten in atemberaubender Virtuosität über die Seiten; er ahnte noch nicht, daß er mit seiner Kunstfertigkeit die Musik in meinem Wesen weckte und mich ganz und gar von ihr beseelte. Ich war nicht mehr Herr meiner eigenen Sinne, mein ganzer Körper sehnte sich so sehr nach diesen Melodien, ein Teil von ihnen zu werden, daß urplötzlich meine neu erweckte Musik aus mir herausbrach um mit denen von Kindalin eins zu werden. Vor der ganzen Audienz fing ich an zu singen! Ich weiß nicht mehr genau, wie ich die nächsten Wochen überlebt habe, das Schweigen meiner Familie, die ich vor der ganzen Enklave zutiefst beschämt hatte. Vielleicht durch den Trost Minarié's, der wunderschönen Tochter unserer Köchin. (Nun, sie war schon etwas älter als ich und hatte durch ihre sozialen Kontakte Erfahrung, wie man äußerst liebevoll Trost spendet...) Mit Sicherheit aber der Zufall, daß ich die Harfe Kindalins berühren konnte.

Ich lauschte in meiner Verlassenheit den Übungsstunden Kindalins. Ich wollte mehr von seiner Kunst hören und erfahren. Ich harrte Stunden in meinem Versteck, denn die Zeit war unwichtig geworden. Wichtig war nur die Musik, ein Zauber, der mich immer wieder tief in meinem Innersten berührte, liebkoste und auch quälte. Eine Qual, die Musik nicht mit sich tragen zu können, kein Musiker sondern nur ein Zuhörer. Die Musik brach ab und ich hörte, wie Kindalin seine Harfe beiseite stellte und sich entfernte. Und ein Gedanke, der sich den Weg durch meine plötzliche Angst bahnte. Die Harfe zu berühren, ihre Seiten zum Schwingen zu bringen und somit Musik zu machen und zu werden. Ich schlich mich aus meinem Versteck und sah, wie sie in goldenem Glanz mich herauszufordern schien. Ich kam mir ihr gegenüber sehr unscheinbar vor. Ihre Erhabenheit beeindruckte mich so stark, daß ich fast meine Intention vergaß. (Ich wußte ja nicht, wie lange Kindalin seine Harfe alleine läßt...vielleicht wenige Augenblicke, einen kurzen Spaziergang lang nur.) Ich näherte mich ihr und mit jedem Schritt, den ich mich ihr näherte, schien eine Spannung zwischen uns zu wachsen. Ich streckte meine Hand aus und berührte sie ganz sacht an ihrem Rahmen. Sie erschien mir unnatürlich echt zu sein; mein erster Eindruck täuschte mich, sie war nicht überirdisch sondern tatsächlich richtig sinnlich -eine Art Werkzeug der Musik, welches benutzt werden wollte. Ich setzte mich auf Kindalins Stuhl, zog die Harfe an meinen Körper und ließ die Finger über ihre Seiten gleiten. Immer wieder, ich weiß nicht wie lange.

Nach und nach versuchte ich, die Melodien nachzuspielen, die ich vor mich hin summte, dann sie zu begleiten. Ich war entzückt, auch wenn ich glaube, daß ich damals keinem Katzengesang Ehre gemacht habe. Ich hörte erst auf zu spielen, als ich merkte, daß es dunkel geworden war. Ich bekam Angst, was wohl Kindalin sagen würde, wenn er mich hier mit seiner Harfe spielen hören würde. Rasch stellte ich sie wieder hin und rannte aus dem Übungsraum und machte erst halt, als ich mit Minarié zusammenstieß. Die nächsten Tage versuchte ich immer wieder die Möglichkeit zu finden auf Kindalins Harfe zu spielen, doch immer war er da oder sie weg. Ich war untröstlich, wußte ich doch, daß Kindalin seine Reise bald wieder fortsetzen würde, um Geschichten zu erzählen und zu erleben. Und wieder einmal wußte nur Minarié meinen Kummer kurzzeitig vergessen zu machen. Einen Tag vor seiner Abreise ließ mich mein Vater zu mich rufen. Mit gesenktem Haupt, um endlich meine Absolution zu bekommen, betrat ich meines Vaters Arbeitszimmer. Fünf Schritte vorwärts, beim Brandloch im Teppich die linke Schulter etwas beiseite ziehen, um nicht gegen sein Firmamentsmodell zu stoßen, dann dem Muster folgen (über die Aufzeichnungen hinweg) bis zu seinem Arbeitstisch - den ich jedoch nicht erreichte, da ich davor eine Hand auf meiner Schulter bemerkte. Als ich den Kopf hob, um zu sehen, ob mein Vater unserem altbekannten Ritual untreu wurde, sah ich Kindalin vor mir stehen. Er blickte mir ernst in die Augen. Mein Vater näherte sich mir und sprach: " Wie ich gehört habe, hast du deine Zeit der Muße ausgiebig genutzt...", seine Worte flößten mir kurz Angst ein, sollte ich ihn wieder erzürnt haben?. "...So gut," sprach er weiter, "daß Kindalin meint, Dir ein Geschenk machen zu müssen." Er zeigte auf Kindalin, der aus einer Hülle eine Laute entnahm und sie mir mit folgenden Worten überreichte: " Ich möchte dir diese Laute zum Geschenk machen, damit du prüfen kannst, ob Deine Kunstfertigkeit ausreichen wird, ein Troubadour zu werden." Er beugte sich vor zu mir und flüsterte mir zu, daß eine Harfe geübtere Finger bedarf, besonders die seine. Er konnte sich aber ein kleines tiefsinniges Lächeln nicht verkneifen. Ich nahm die Laute entgegen und mußte nun (weil mein Vater seine Neugier nicht überwinden konnte) ungeübterweise eine Kostprobe von meinem Lautenspiel geben. Nun, ich sah, wie sich mein Vater ein Lachen verkneifen mußte, bemerkte aber auch das wohlfällige Nicken Kindalins. Er versprach mir, mich in die Kunst der Musik einzuführen, sobald er seine Reise beendet habe. Bis dahin solle ich mich so gut wie möglich auf diese Ausbildung vorbereiten. So kam es, daß ich meine Stimme etwas schulte, versuchte, mir Geschichten zu merken, die ich irgendwo hörte und diese kunstvoll weitererzählte und Laute und Flöten lernte.

Als ich nach seiner Reise endlich meine Ausbildung beginnen durfte, war ich genau zwanzig Jahre alt. Minarié hatte inzwischen einen älteren Mann geheiratet und mir in unserer Abschiedsnacht ein selbstgemachtes Plektrum geschenkt, überzeugt davon, daß ich ein berühmter Troubadour werde. Nach ihrer Hochzeit wurde mir die Zeit bei Hofe etwas lang. Die Geschichten und Intrigen die ich hörte, schienen nicht mehr die gleiche Würze wie früher zu haben, selbst der Gesang der Vögel schien monoton und langweilig. So verließ ich nach meinem 21. Geburtstag mein Zuhause, um wie Kindalin durch die Welt zu ziehen und Geschichten zu erleben, die das Leben bunt und lebendig machen.

by Stefanie Pirnay

Elenar
Elenar

Watz der Peinen

Watz der Peinen

Vielleicht war meine Zeugung nur ein Versehen. Niemand wird es mir verübeln, wenn ich so denke. Nicht einmal meine Eltern selbst. Sie hatten es sich nämlich zu Gewohnheit gemacht, sich einmal wöchentlich zu erkennen, ungeachtete der biologischen Zyklen, denen eine Zwergenfrau unterworfen ist. Ob nun meine Mutter ein zentrietes Auge auf diese Mechanismen warf, entzeiht sich meiner Kenntnis. Andere Dinge standen mehr im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit: Sie hatte eine stattliche Anzahl von zwölf Kindern zu versorgen.

Nicht, dass sie eine Hausfrau gewesen wäre. Sicherlich lag es in ihrer Tradition, eine eher herdgebundene Rolle zu übernehmen und sie mit Seele, besonders jedoch mit Leib auszufüllen. Über meinen Vater hingegen gibt es andere Dinge zu sagen. Auch ihn forderte die zahlreiche Familie, doch brachten seine handwerklich ausgeprägten Steinkloppereien genügend Silberstücke in die mütterliche Haushaltskasse. Hunger stand also nicht auf unserem Speiseplan. Deftiges Fleisch hingegen schon, von dem ich manchmal annahm, meine Mutter hätte es sich aus den Rippen geschnitten, ohne dabei abzunehmen.

Aber ich merke schon, wie ich die Chronologie der Ereignisse durcheinanderwirbele. Ob nun meine Zeugung so ein großer Höhepunkt für beide war, kann ich nicht mehr sagen. Auch auf vielfachen Wunsche schwiegen sich meine Eltern zu diesem Thema aus und zwirbelten nur beide verlegen in ihren langen stolzen Bärten. Solche Zwirbeleien wuchsen für mich zu einem Synonym sexueller Erfüllung und erklärten geleichzeitig, weshalb die Zwerge so gerne mit ihrem Bart spielen. Zu dieser biologischen Erkenntnis gesellte sich die Entdeckung, nur eine Nummer unter vielen zu sein und unter keinem guten Stern zu stehen.

An den Moment meiner Geburt kann ich mich bei bestem Willen nicht mehr erinnern - hell war es auf jeden Fall. Für einen Adepten meiner Disziplin kein schönes Erlebnis. Im Gedächtnis geblieben ist mir hingegen der Kommentar meines Vaters:

"Schon wieder einer. Jetzt schlägt's dreizehn. Vielleicht sollten wir uns noch einmal neu kennenlernen, Frau."

"Ja, Mann", antwortete sie und klapste mir auf den Rücken, auf dass Leben und Atmung beginnen sollten.

Ich kann also behaupten, dass ich nicht mit offenen, sondern geschlossenen Armen empfangen wurde. Ich will meinen Eltern nicht die in der Natur der Sache liegende Liebe absprechen, aber mein Auftauchen muss so tiefe Spuren hinterlassen haben, dass mir keine kleinen Zwerge mehr nachfolgten.

Da stand ich nun in einer Welt voller Zwerge, umringt von zwölf mehr oder minder pubertierenden Geschwistern. Doch nachdem ich eine untrügliche Leidenschaft für Knochenspiele entdeckte, die mir mein Lehrmeister erst nach hartem Trainig abgewöhnen konnte, sah ich häufiger ein zweifelndes Blinken in ihren Augen. Erstaunlich auch, dass ich mich weigerte, unsere Höhle zu verlassen. An der Welt ausserhalb der bekannten und geliebten Höhlenfinsternis hatte ich kein Interesse. Ich saß lieber allein und lauschte dem lustigen Knacken meiner Knochen.

"Was dachte das Fleisch, bevor Du es in die Pfanne siedenden Fette geworfen hast?", fragte ich bei Tische. Zuerst war es noch ein unangenehmes Gefühl, von dreißig Augen durchleuchtet zu werden, bald aber erwuchs aus diesem Nährboden ein zartes dunkles Pflänzchen. Auch auf diese Antwort musste ich lange warten. Man vertröstete mich mit: "Das verstehst du erst,

wenn du groß bist", oder "So etwas fragt man nicht! Außerdem sollst du nicht mit vollem Mund sprechen!"

Meine Eltern und Geschwister liebten mich.

Eines Tages jedoch nahm mich mein Vater zur Seite, setzte mich auf seinen kleinen Schoß und bließ mir seinen Tannennadeltabak in die Augen.

"Du hast viele Fragen, Watz." Er sog geräuschgeladen an seiner tropfenden Pfeife. "Zum Steinmetzen braucht man zwar großes Wissen und ausgebildete Fertigkeiten, aber..."

"Ja, Vater?"

"Die Gedanken toten Fleisches gehören bestimmt nicht dazu!"

Nur mit Mühe konnte ich eine Träne unterdrücken, sie floss und näßte meines Vaters seidenen Freizeitanzug.

"Weine nicht, mein letzter Sohn", dröhnte seine sonore Stimme, um mich zu beruhigen. Er ließ mich einen Zug aus seinr Pfeife nehmen. Unter schmerzendem Husten krochen noch mehr Tränen hervor und verwandelten seine Kleidung in eine feuchte Stoffmasse. "Du scheinst noch immer an einer Lösung interessiert zu sein, Watz", meinte er und schüttelte seinen nun schwer gewordenen Kopf, "wende dich bei nächsten Familientreffen am besten an Onkel Hermann."

Ich tat, wie mir geheißen. Um Onkel Hermann rangten sich in Familienkreisen unzählige Gerüchte. Immer von einer dunklen Aura umgeben, tauchte mein Onkel jedoch regelmäßig auf Familienfeiern auf, trank ein dunkles Getränk, redete kurz mit meinem Vater und verschwand wieder in, wie es schien, selbst gemachter Dunkelheit.

Zum ersten Mal musste ich also die schützende Höhle verlassen. In eine dunkle Kutte gehüllt, schlich ich im Familienverband in eines der großen troalischen Gasthäuser, die die reichen und schönen unserer Sippe gemietet hatten. Normalerweise hielt ich nicht viel von solchen Verantstaltungen, meistens bestanden sie aus endlosen Aufzählungen der eigenen Genealogie von geplagter Zeit bis in die Gegenwart.

Onkel Hermann stand an eine Säule gelehnt und betrachtete abwesend das Treiben um ihn. Ich nahm noch ein stärkenden Schluck Apfelsaft, an Bier hatte mich mein Vater aus Angst um Körper und Seele, wessen, wollte er nicht verraten, noch nicht herangelassen. Mein Onkel schien weit, weit weg zu sein. Ich räusperte mich. Der Flügelschlag eines Kolibris wuchs zur Ewigkeit, dann strahlte ein unendlich blaues Auge. Die schwarze Pupille ein Spiegel meiner selbst: Ich sah einen kleinen jungen Zwerg, der an seinem Apfelsaft nippte und ihn doch am liebsten im selben Moment wieder ausgeschieden hätte.

"Watz"

Seine Stimme klang wie eine heisere Glocke, deren Klang eine kleine Ewigekit in den Ohren rumorte, um dann plötzlich zu verschwinden.

"Was denkt das Fleisch, wenn es gegessen wird?", zitterte ich. Zuerst ging der letzte Apfelsaft über den Rand, dann folgte das Glas und starb auf dem steinernen Boden.

"Komm mit, Watz, ich zeig's dir."

Onkel Hermann löste sich von der Säule. Mir wurde bewusst, warum man ihn auch 'Hermann den Gehring' nannte: Sein Holzbein klapperte lebendig bei jedem seiner Schritte.

"Komm, Watz!", forderte er mich noch einmal auf. Sein eines Auges strahlte wie die Sonne in der Nacht, das andere wie der Mond am Tag hinter der schwarzen Augenklappe. Hermann der Gehring führte mich in eine abseitige Höhle, setzte sich auf den nakten Felsboden, bot mir Platz und ein Glas schwarzen Getränks an.

"Nimm einen Schluck und du wirst verstehen, was das Fleisch denkt!"

Meine Kehle brüllte in verzweifelter Agonie, mit ihr verschied auch der letzte Funke fremden Willens, wie mein Vater Steinmetz zu werden.

"Gerade hast du eine wichtige Grenze überschritten, Watz. Ich sehe blauen Glanz in deinen Augen - ein gutes Zeichen. Ein Steinmetz wie dein verehrter Vater wirst du auch nicht werden, das merke ich schon. Siehst du diesen Stein?"

Der Gehring nahm einen stattlichen Kiesel in die Hand. Ein dünner Film aus Haut und Knochen legte sich um das leblose Steinwesen, der Gehring murmelte unverständliche Worte, dann platzte der Stein und endete als feiner Kieselstaub.

"Was ist? Er geht den Weg allen Fleisches, Watz. Stell dir vor, wo wir hier sind und wozu. Was sagst du, wenn es mehr als diese eine Welt geben würde? Nicht nur die Welt außerhalb deiner Höhle, nein. Reise nicht nur in dieser einen, sondern in allen anderen Dimensionen. Dann wirst du auch das Fleisch verstehen, wenn es von Magensäure zerfressen wird. Denn sein Tod im Säurebad ist nicht das Ende, auch nicht der Magen und der blinde Darm..."

"Weiter?", unterbrach ich den Gehring in seinem Monolog. Das blaue Blitzen seiner Augen färbte sich plöztlich dunkler, als koste es ihn große Mühe, mich nicht auf der Stelle in Staub zu verwandeln. Doch er fing sich.

"... es geht nur über in andere Welten, die nur Namensgebern wie uns, ich spüre in meinem geprägten Herzen, dass du einer von uns bist, sehen und dessen Kenntnis und Anwendung großen Nutzen und Vorteil in sich birgt. Willst du diesem Weg folgen, Watz?"

Seine Frage ließ nur eine Antwort zu. Ich bejahte. Der Gehring nickte, in seinem Auge leuchtete etwas, das mich sehr entfernt an Zufriedenheit erinnerte. Hermann der Gehring verschwand, ließ mich in der Höhle zurück. Zwei Stunden später fand mich der Horde meiner Geschwister und schleppte mich in den trauten Kreis der Familie zurück.

Kurze Zeit später sah mich Hermann der Gehring wieder. Ich saß über eine Schiefertafel gebeugt, ließ die billige Kreide über die Schreibfläche huschen, schrieb, wie mir aufgetragen war: "Ich soll in der Schule nicht finstere Verse aufsagen und meine Mitschülerinnen und Mitschüler nicht erschrecken."

"Watz", rauschte die inzwischen so unheimlich vertraute Stimme, "schreib, was du jetzt in diesem Moment denkst!"

Du Wesen, das du Namen trägst seit
Anbeginn des Lebens
Dein Weg durch Nacht und Tage geht,
Ob schmal, ob eng, das ist egal,
Voll Felsgestein und Rosenblut,
Ob voll Erfolg
oder daneben und vergebens.
Am Ende wartet an der Schwelle,
Die eingebrückt mit leichter Delle,
Der Übergang ins sogenannte Sterben.
Dann weinst Du jämmerlich und laut,
Doch alles nur zur Freude deiner Erben.
Ein großer Schritt für Dich,
Ein kleiner nur für mich.
Es lebt sich eben anders in den Welten,
Die du nie siehst, wenn auf ewig du
Die Augen schließt.

Hermann der Gehring lächelte, wenigstens interpretierte ich seine spontanen Mundzuckungen als Lächeln. Sein sichtbares Auge strahlte, im türkisen Blau schimmerte eine weiße Insel, ein kleiner Fleck nur, doch mit einer unbeschreiblichen Anziehungskraft. Der humpelnde Zwerg legte seine die Fledermausflügel seiner Hand auf meine zitternde dünne Schulter. So nah war er mir noch nie gewesen. Sein Atem hauchfein geschnittene wenig gebrauchte Luft.

"Noch einmal willkommen in der Zunft der Geisterbeschwörer!", glockte die Stimme, diesmal klang sie Tage und Nächte entfernt, rüttelte den kleinen dunklen Flecken der Neugier, des Wissensdranges über das, was alle Welt in und an den Angeln hält, wach. Mitten ins Auge des Sturms. Die Magie hatte mich, ich würde ihr auf ewig folgen!

Keine Zeit zu verlieren. Ich winkte den schlafenden Eltern und Geschwistern noch einmal zum Abschied. Vielleicht würde ich eines Tages wieder diese niedrige Schwelle betreten, um mich von der Mutter füttern, den Brüdern und Schwestern mit Blicken peitschen und vom Vater räuchern zu lassen. Hermann der Gehring verschwand, nicht ohne mir einen Adresse in die Hand gedrückt zu haben. Seit dem habe ich den mit dem Holzbein nie wieder gesehen, es heißt, er sei in einen Grenzkonflikt unterschiedlicher Welten geraten. Robert, mein Lehrer, nahm mich auf, schenkte mir alle Liebe, die Geisterbeschwörer geben können. Mit dunklen Getränken nährte er das Pflänzchen, auf dass es wachse und gedeihe zum Wohle der Disziplin.

Nach Wochen, oder waren es Monate, der Ausbildung, stand ich vor euch, sah wieder, wie zum ersten Mal, das echte Tageslicht. Diese Welt empfing mich leuchtend, nur damit ich losziehen sollte, neue und andere zu entdecken.

by Friedemann Hahn

Thorin Ahira Säbelbein
Thorin Ahira Säbelbein

Findel Windhauch von Elinare
Findel Windhauch von Elinare (verstorben)

Jago Ragabash

Jago Ragabash

Ich wuchs in der Stadt auf. Allein das sollte schon ausreichen, meine Wut auf meine Eltern zu beschreiben. Sie waren sogenannte Stadtorks, mein Vater Hiirtla Ragabash ein Gelegenheitsarbeiter ohne große Ambitionen außer uns Kinder durchzubringen. Pahh, als ob "durchbringen" das Lebensziel eines Orks wäre. Abenteuer und ein schneller, heftiger Tod bei dem der Körper in tausend Stücke zerschmettert wird, während man einem verfluchten Biest das Herz herausreißt, das ist ein Tod, der sich lohnt zu beklagen. All das wußte ich damals noch nicht, denn ich war noch sehr jung und dumm. Viel wichtiger als mein Vater war aber meine Mutter Kelen für mich. Ich werde nie verstehen, warum die Menschen ihre Frauen geringschätzen, können diese doch alles, was wir Männer auch können aber zusätzlich haben sie die außergewöhnliche Fähigkeit, neues Leben hervorzubringen. Kelen kümmerte sich rührend um uns, d.h. sie wusch unsere Wunden, wenn wir uns mal wieder geprügelt hatten und verdrosch uns auch schon mal, wenn wir mal wieder nicht das getan hatten, was wir hätten tun sollen. Am meisten aber liebte ich sie für ihre "Philosophie-Stunden", wie wir sie nannten. So etwas gab es bei keinem anderen Ork in der ganzen Stadt, war für meine Mutter aber uralte Tradition. Ich fragte Großmutter einmal, wie alt die Tradition denn war, sie antwortete jedoch nur mit einem schiefen, gackernden Lachen und meinte, das hätte Kelen sich mal als Mädchen ausgedacht und später einfach steif und fest behauptet, es sei seit Ewigkeiten Tradition. Diese Philosophie-Stunden sollten uns helfen, uns in der Welt zurechtzufinden, besonders was die verdammten Menschen angeht, aber dazu später mehr. Meine Mutter lebte nach etwa folgender Philosophie:

Alle Namensgeber seien im Grunde einzigartig und verkörperten jeweils eine Seite des vollkommenen Wesens. Dieses vollkommene Wesen nannte sie den großen Drachen, der die Welt auf seinem Rücken trägt. Jede Namensgeberrasse verkörperte einen Teil des Wesens insofern, als das jede Rasse einen Aspekt besonders hervorhob.

Die Elfen z.B. standen für die Vollkommenheit der Schönheit und Anmut, wir Orks dagegen waren das brennende Herz des Drachen, voller Leben und Wildheit. Zwerge waren das ordnende Prinzip, das Struktur und Haltung bringt, während Menschen für die Anpassungsfähigkeit standen. Obsidiman waren die Körper des Wesens, stark und ewig, während Windlinge für die körperliche Beweglichkeit und Anmut der Bewegung ein wunderbares Beispiel abgaben. Die Ehre der Trolle ist ein sprichwörtlicher Begriff, wie auch die Schlauheit und Schnelligkeit der T´skrang. Ich selbst bemerkte einmal, daß alle diese Wesen doch auch ihre schlechte Seiten hatten und das also auch der große Drache schlechte Seiten haben müsse.

Doch meine Mutter meinte nur, ich solle aufhören, wie ein Kind über die Dinge nachzudenken und endlich die Wahrheit hinter der Idee sehen. Ich glaube inzwischen nicht mehr, daß sie damals wirklich gewußt hat, was sie eigentlich damit meinte. Von all ihren Gedanken habe ich eigentlich nur einen für mich behalten und der ist, daß alle Namensgeber einzigartig sind. Wir sollten uns nicht untereinander bekämpfen, sondern versuchen, den gemeinsamen Feind, diese schrecklichen Wesen, die unsere Welt vernichtet haben, zu zerstören. Das ist das einzig wichtige Ziel und deshalb auch der Grund, warum ich keine Probleme hätte, mit einem Elfen zu verhandeln, obwohl das so etwas wie ein Sakrileg zu sein scheint, ein Ork und Elf, die sich vertrauen. Ich gebe nichts auf Vorurteile und akzeptiere lediglich mein eigenes Urteil und da ich damals noch keine Elfen kannte, konnte ich mir so eine Haltung auch erlauben.

Ach ja, meine Mutter hatte auch mal ein Gedicht darüber geschrieben, denn das war ihre Kunst. Ich versuche es hier aus dem orkischen ins zwergische zu übersetzen:

Schönheit und Glanz
Aus lodernder Flamme das Herz
Ordnung und Klarheit
Wie ein Strom ewig fließend
Gebein und steinerne Hülle
Anmut und pfeilschneller Flug
Über alles im Leben die Ehre
Schnelligkeit und Schläue
So ist der große Drachen seit Anbeginn
so ist die Welt

Die Stadt in der wir lebten hieß Pistaba´ch und war, für meine Begriffe, recht groß, denn dort lebten über 500 Namensgeber, hauptsächlich Zwerge und Menschen zusammen mit einer kleinen Orkenklave von etwa 50 Orks. Nicht daß es einen Unterschied gemacht hätte, ob wir die Mehrheit gewesen wären, wir wären trotzdem bei jeder Gelegenheit übergangen worden. Leider waren noch nicht einmal die Zwerge die Mehrheit sondern diese verfluchten uurjiks, diese Menschen, Entschuldigung während ich nach rechts ausspeie. Die Menschen verachteten uns Orks in einer Weise, die beispiellos oder vielleicht gerade beispielhaft für diese verkommene Rasse ist. Getreten und in den Staub geworfen zu werden war Alltag für uns Kinder, Beleidigungen waren fast der Gruß, der anderen Rassen entgegenschallte. Wir lebten im Dreck, deshalb waren wir Dreck für diese Menschen. Die Zwerge versuchten immer wieder Frieden zu schließen zwischen uns und ihnen und es gelang ihnen auch meistens, bis auf ein entscheidendes Mal. Mein älterer Bruder Risheal und ich waren grade für unseren Vater unterwegs um im Gemischtwarenladen einzukaufen, beim alten Heck, dem Zwergenhändler, der beinahe alles verkaufte inklusive seiner Großmutter, als uns von hinten ein paar Straßenbengel entgegenbrüllten wir sollten aus Pistaba´ch verschwinden zurück in das Schlammloch, aus dem wir gekrochen waren. Ich nahm diese Beleidigungen gar nicht mehr war, mein Bruder Risheal aber war gahad auf diese Beleidigungen und drehte sich wütend zu dem Pöbel um. Es waren natürlich drei Menschen, noch sehr jung für Menschen, der älteste schien 18 zu sein, der jüngste etwa 15. Breitbeinig und mit trotzig vorgerecktem Kinn traten sie uns entgegen, kamen uns entgegen, hoben ihre Fäuste, beleidigten uns weiter und zogen plötzlich Messer aus ihren Gürteln. Ich spürte, daß dies mehr war als nur die übliche Rauferei, die wir natürlich wegen unsere überlegenen Stärke und Ausdauer immer gewannen. Diesmal wollten diese Hunde Blut sehen. Mein Bruder brüllte vor Zorn und stürzte auf die Angreifer los, überraschte den ersten völlig als er ihn rammte und zu Boden riß.

Die beiden wälzten sich im Staub und Risheal schlug den anderen mit seinen Fäusten ins Gesicht, bis dieser ohnmächtig und blutend, mit gebrochener Nase dalag. Die anderen beiden waren zuerst völlig geschockt, da dies alles mit einer unglaublichen Geschwindigkeit geschah, schrien dann ihrerseits auf und griffen zu zweit meinen Bruder an, der sich grade erhoben hatte, sichtlich befriedigt, ob seines eindeutigen Sieges und da er seinem gahad gefolgt war auch ohne Zorn. Die Menschen waren natürlich immer schon zu dumm, um solche Zeichen zu erkennen, denn sonst wären sie jetzt ihrer Wege gegangen. Tatsächlich aber stachen sie jetzt auf Risheal ein, der älteste erwischte ihn am Bein und trieb ihm das Messer bis zum Heft in den Oberschenkel. Risheal brüllte vor Wut, riß sich das Messer aus der Wunde und schlug dem Angreifer mit aller Macht in´s Gesicht, erwischte ihn voll und schleuderte ihn mehrere Meter zurück. Der dritte und jüngste wimmerte angesichts dieser Wildheit meines großartigen Bruders auf, ließ sein Messer fallen und lief schreiend davon. Ich glaube, die Memme hat sogar geheult. Ich sah meine Bruder wie in einen Schimmer gehüllt, wie Tranko, den ihr Thystonius nennt und trotz seiner Wunde sah er schrecklich wild aus, voller Leben und Energie. Währenddessen stürmte Heck aus seinem Laden und schrie, wir sollten sofort auseinandergehen und so weiter. Eben das unnütze Geschwätz eines Feiglings, der von einem guten Kampf nichts versteht. Ich ging zu meine Bruder hinüber um ihn zu beglückwünschen zu diesem großartigen Kampf. Dieser wimmernde Lappen von einem Zwergenhändler lief geradewegs auf die beiden am Boden liegenden Menschen zu und untersuchte sie kurz. Zuerst den einen mit der gebrochenen Nase.

An ihm schien er nichts ungewöhnliches zu finden und murmelte irgendwas von bewußtlos, der andere jedoch schien ihm mehr Sorgen zu bereiten, er fühlte an seinem Hals und wurde plötzlich bleich, dann schrie er auf, man solle sofort einen Heiler holen, da der Junge tot sei. Tot? Von einem einzigen Schlag meines Bruders? Das war vollkommen unmöglich! Wir beide hatten uns oft sehr viel schlimmer geprügelt, waren aber noch nicht einmal in die Nähe einer Ohnmacht gekommen und dieser Mensch sollte tot sein? Inzwischen waren noch ein paar andere Leute dazugekommen, die sich teils wütend über den Lärm, teils unbekümmert-neugierig versammelt hatten. Heck lief in seinen Laden zurück und kehrte kurz darauf mit einer Flasche zurück, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Als er den Verschluß öffnete, strömte mir ein kräftiger, würziger Duft entgegen, vermischt mit etwas, das ich heute als Magie beschreiben würde, was mir damals aber nur ein seltsam flaues Gefühl in der Magengegend bescherte. Dieses Gesöff also flößte er dem Jungen ein, der daraufhin die Augen öffnete. Die Augen !!! Hatte sich Heck etwa geirrt ? War er gar nicht tot gewesen ? Wie sonst sollte er jetzt wieder am Leben sein ? Ich fragte Heck, was das für ein Zeug sei. Er antwortete etwas, das wie "Last Chance Potion" klang. Dann schrieb er etwas auf einen Zettel, gab ihn mir und sagte, ich solle den zu meinem Vater bringen. Als ich ihn fragend ansah meinte er nur "Rechnung". Das war ja dann wohl absolut zuviel. Dieser gottverdammte Mensch rammt meinem Bruder einen Dolch in den Oberschenkel und wenn dieser sich dann zu recht wehrt, sollen wir für diesen Abschaum bezahlen. Niemals. Mein Vater würde diesem Händler lachend ins Gesicht spucken und ihn diesen Zettel fressen lassen !! Ich stützte meinen Bruder und wir verließen freudig erregt diesen Schauplatz seinen großen Sieges. Sicher würden die Leute in den nächsten Tagen von nichts anderem Reden als dem Heldenmut von Risheal Ragabash, der alleine und unbewaffnet gegen drei Bewaffnete gekämpft und gewonnen hatte. Hoffentlich gab seine Schenkelwunde eine Narbe, damit er sich immer an diesen ruhmvollen Tag erinnern konnte.

So dachte ich jedenfalls, bis wir zu Hause angekommen waren und ich meinem Vater freudig die ganze Geschichte erzählte. Anstatt jedoch vor Stolz zu platzen, schrie er Risheal an wie einen kleinen Jungen, zerrte ihn in das Nebenzimmer und verprüglte ihn so schlimm, das mein sonst so zäher Bruder noch zwei Tage später mit blunterlaufenen Augen und einem deutlich sichtbaren Hinken herumlief. Ich verstand nichts mehr. Das Feuer der Leidenschaft hatte sich in einen häßlichen, schmerzhaften Klumpen aus Eis verwandelt. Am schlimmsten war das Gefühl, das ich für meinen Bruder nichts tun konnte, vollkommen ausgeschlossen und damit hilflos war. Was war nur mit meinem Vater los ? War er wahnsinnig geworden ? Meine letzte Hoffnung war, das er auf Heck´s Rechnung angemessen reagieren würde. Doch auch diese Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase in unserem jährlichen Frühlingsbad. Statt dessen mußte ich mit ansehen, wie mein Vater jetzt doppelt so hart arbeitete um das Vermögen von 600 Silberstücken zu bezahlen, die Heck für diese Flasche verlangt hatte. Ein absolute Unverschämtheit. Das Schlimmste aber sollte noch kommen, denn zwei Tage später tauchten die Eltern des wiederbelebten Jungen auf und verlangten, daß wir für ihre Unkosten aufkommen sollten, die sie für den Heiler ausgegeben hatten. Jetzt platzte mir der Kragen. Ich war vollkommen außer mir und schlug auf den Mann ein. Dann brüllte ich aus voller Kehle, daß sie auf der Stelle verschwinden sollten, denn sonst würde ich sie beide umbringen. Sie stolperten aus dem Haus und schrien um Hilfe. Ich drehte mich vor Wut bebend zu meinen Vater um, der lief jedoch schon hinter den beiden her und wimmerte, er würde ja für alles aufkommen und ich hätte es dochnicht so gemeint usw..

Da wußte ich, daß ich in diesem Haus der Feigheit nicht länger bleiben konnte, verabschiedete mich rasch von Risheal und meinen anderen Geschwistern, versprach ihnen, daß ich als großer Held zurückkehren würde, um sie alle aus diesem Loch zu holen und lief dann mit nichts außer dem, was ich am Leibe trug davon, nicht jedoch ohne meinen Vater vorher einen Feigling zu nennen und Rache zu schwören. Nun war das zwar eine äußerst heldenhafte Tat von mir, aber leider auch sehr unüberlegt, einfach so in die Wildnis zu laufen. Ich wäre mit Sicherheit gestorben, wenn mich nicht Tla Shia gefunden hätte. Ich kämpfte gerade gegen ein Wesen, daß die meisten Abenteurer als "Shadowmant oder Finsterrochen" kennen. Damals wußte ich noch nicht, daß diese Wesen niemals alleine zu jagen pflegen und konnte deshalb meine Glück nicht richtig einschätzen, daß dieses Biest alleine und offenbar schon verwundet war. Da ich nur mit einem Stock bewaffnet war und keine Ahnung von einem echten Kampf hatte, hätte mich das Vieh sicherlich trotz seines erbärmlichen Zustandes getötet und gefressen, wenn nicht plötzlich wie von Zauberhand ein geradezu mystisches Wesen auftauchte. Es ritt von links heran, brüllend und ein gewaltige Keule schwingend. Es hatte den Oberkörper eines muskulösen Orks, der Unterleib aber war der eines Pferdes. Dieses Wesen raste mit schier unglaublicher Energie und Wucht heran, erfasste den Finsterrochen mit der Keule und schleudert es mit einem einzige gewaltigen Schlag gegen eine Baum, an dem das Vieh hilfos zuckend zusammenbrach und starb. Dann geschah etwas abolut unglaubliches, denn das Wesen trennte sich plötzlich von seinem Unterkörper und kam, jetzt ein Ork auf zwei Beinen auf mich zugerannt. Ich begriff jetzt langsam, daß ich einen Orkreiter vor mir hatte. Der Ork kam mir entgegen und fragte mich, ob ich schwer verletzt sei. Ich blutete aus mehreren Wunde, behauptet aber, das seien nichts weiter als ein paar Kratzer bevor ich in Ohnmacht fiel. Als ich wieder zu mir kam, lag ich unter einer Felldecke an einem wärmenden Lagerfeuer und der Duft von gebratenem Fleisch stieg mir in die Nase. Mir gegenüber saß der Ork, der sich mit spöttisch blitzenden Augen über mich beugte und sagte: "Nur ein paar Kratzer, ja ? Kein Problem für so einen Kerl wie dich, wie? Kämpfst jeden Tag gegen diese Viecher, hast aber heute mal dein magisches Schwert weggelassen, da so die Chancen etwas besser stünden, was? Wie heißt du, Kleiner?" "Jago Ragabash und wer bist du?" "Mein Name lautet Tla Shia und ich bin ein Reiter-Adept, aber das hast du ja wahrscheinlich bereits bemerkt." Dann grinste er mich breit an, gab mir einen Klaps auf die Schulter und fragte mich, was ich hier so tun würde, mal abgeshen davon, daß ich anscheinen gerne von Finsterrochen gefressen werden wollte. Ich erwiderte ihm, daß ich von zu Hause ausgerissen sei und ein großer Held werden wollte, am besten auch ein Reiter wie er. Er starrte mich daraufhin eine ganze Weile an, dann fragte er mich, ob ich vielleicht mal eine Runde reiten wolle. Begeistert stand ich auf, um im nächsten Moment gleich wieder unzufallen, da mir schwarz vor Augen wurde und meine Knie zitterten. Ich biß die Zähne zusammen, stand langsam wieder auf und ging vorsichtig zu dem Pferd hinüber, um es zu streicheln. "Wie heißt dein Pferd, Tla?". "Woher willst du denn wissen, daß es einen Namen hat?". "Wenn ich ein Pferd hätte, das so wundervoll ist wie deines, dann würde ich ihm auf jeden Fall einen Namen geben, alles andere scheint mir falsch zu sein." Tla nickte zufrieden und erwiderte: "Enoch". Ich streichelte Enoch noch eine Weile, kitzelte es an den Nüstern und stieg dann mit einem Ruck in den Sattel. Wie soll ich jenes Gefühl beschreiben, als ich zum ersten Mal im Sattel saß ? Es war, als sei ich endlich vollständig geworden. Von so weit oben hatte ich einen viel besseren Überblick und meine Beine schienen mit dem Tier zu verschmelzen. Ich hatte fast das Gefühl, das es keine Trennung mehr zwischen dem Pferd und mir gab, daß wir ein einziger Körper seien, der nur zusammen vollständig war. So schnell, wie das Gefühl gekommen war, war es auch schon wieder verschwunden und es sollte sehr lange dauern, bis ich diese Magie wieder spürte. Um es kurz zu machen, Tla trainierte mich von da an, da er meinte, ich würde einige Begabung zeigen für diese Magie und könnte tatsächlich ein Adept werden.

Ein Adept! Welch großartiges Wort! Es folgten lange Ausritte, auf denen Tla und ich uns abwechselten beim Reiten. Abends am Feuer brachte er mir alles, was er wußte über Tiere und Bestien bei. Als ich ihn jedoch fragte, wann ich denn nun endlich Reitermagie lernen würde, lächelte er nur leise und sagte nichts dazu.

Eines Tages trafen wir auf eine Herde Wildpferde. Ich war vollständig aus dem Häuschen und bat Tla, für mich ein Pferd zu fangen. Er sah mich streng an und meinte, das müsse ich schon selbst tun, gab mir Enoch´s Zügel und machte eine aufordende Geste Richtung Herde. Jetzt folgte ein absolutes Chaos aus Staub, Steppe und wilden Pferden. Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie ich mein zukünftiges Pferd erblickte und alles daran setzte, dieses eine Pferd zu bekommen. Der Rest war angefüllt von donnernden Hufen und wilden Schreien, von denen ich glaube, daß ich die meisten ausgestoßen habe. Jedenfalls fing ich meine Eneesha an diesem Tag und seit dieser Zeit sind wir zusammen. Ich verstand in den folgenden Wochen auch, weshalb mir Tla nichts über Magie beigebracht hatte, denn es ist ja gerade umgekehrt, wie mir jeder Adept zustimmen wird. Man wird von der Magie gefunden, nicht andersrum. Aber oh, wie soll ich einem Nicht-Adepten den Rausch der Magie beschreiben? Vielleicht versuchen wir es einmal Schritt für Schritt gemeinsam. Das erste Zucken im Magen erreicht mich schon, wenn ich Eneesha nur sehe. Es ist wie ein erster Hauch, ein Ahnung von etwas zartem, wundervollen, das sich in eine Lawine der Leidenschaft verwandelt. Doch schon dieser erste Anflug von Magie verbindet dich mit deinem Pferd auf eine Art und Weise, die nur echte Reiter nachvollziehen können. Dann steigst du in den Sattel, von dem du jeden Kratzer, jede Falte im Leder genau kennst. Dein Hintern gleitet vollkommen automatisch in die richtige Position. Du nimmst die Zügel in die Hand, sprichst ein paar Worte des Willkommens an dein Roß und lenkst es mit einem Druck der Schenkel in den ersten Ritt des Tages. Deine Beine sind nun nur noch Werkzeuge, die beim Steuern helfen, nicht mehr deine sonst übliche Fortbewegungsweise. Nein, das Pferd wird dein Unterleib und du wirst selbst ein Stück zu deinem Pferd. Deshalb suchen sich alle Reiter ihre Reittiere auch mit äußerster Sorgfalt aus. Der Blick gilt nicht nur den Muskeln oder den Zähnen des Tieres, nein, ein echter Reiter blickt tiefer und sucht nach dem Wesen des Tieres, der Seele. Denn da die Magie hier verbindend wirkt, muß jeder Reiter schon genau wissen, mit was er da verschmilzt. Während des Reitens spüre ich immer eine Zunahme der Energie, einem steten, kühlen Strom der Magie, der mich hält und erfüllt. Erst auf meinem Roß bin ich wirklich vollkommen und wahrhaftig da, am Leben. Doch erst im Kampf entfaltet sich die Magie vollständig. Ich glaube, dieser erste Angriff Tla´s auf die Shadowmant beschreibt vollkommen, wie sich das anfühlt. Sicher ist es auch eine berauschende Erfahrung, mit einem Schwert bewaffnet einem Gegner zu Fuß zu trotzen, doch nicht zu vergleichen mit der Wucht dessen, was es heißt, beritten zu kämpfen. Alle, die jetzt glauben, das wäre einfacher als den eigenen Körper zu schinden liegen vollkommen falsch. Es ist schon schwer genug, den eigenen Körper zu trainieren, ungleich schwerer jedoch einen Körper,der plötzlich runde 400 Pfund mehr wiegt und vier Beine hat. Ein Pferd im Kampf zu lenken, dabei gleichzeitig die Gegner im Auge zu behalten und auch noch gute, gefährliche Schläge auszuteilen, dabei die eigenen Leute nicht niederreiten, all das sind Schwierigkeiten, von denen normale Kämpfer keinerlei Vorstellung besitzen. Dazu kommt noch die stetige Sorge, dein Pferd könne zu schaden kommen. Die Vorteile dieser Art des Kampfes liegen jedoch auf der Hand, eine unglaubliche Schnelligkeit und Wendigkeit, die Fähigkeit, einen Gegner dadurch unschädlich zu machen, daß ich ihn einfach niederreite oder umreite, bis er sich wie ein irrer Kreisel dreht und Panik nicht ein noch aus weiß. Der Zusammenprall mit einem Gegner erweist sich immer wieder als spektakulär, da die Kraft des Pferdes dem eigenen Schlag ungeahnte Wucht verleiht und den Gegner zerschmettert zurückläßt. Verstanden?
Nicht?
Dann gebe ich jetzt auf, denn mehr kann man einem Nicht-Reiter nicht klarmachen und einem Reiter braucht man so etwas selbstverständliches gar nicht erst zu beschreiben !!

Doch zurück zu meiner Geschichte: Tla und ich trainierten nach dem Tag an dem ich Eneesha gefunden hatte noch härter, denn zuerst muß einem Pferd ja beigebracht werden, einem Reiter zu gehorchen, einen Reiter überhaupt zu dulden. Diese äußerst schwierige Sache erledigte Tla für mich, da ich noch nicht das nötige Wissen und die Erfahrung besaß, ein Pferd abzurichten. Gleichzeitig jedoch verbrachte ich jeden Tag bei Eneesha, fütterte sie, streichelte sie und erzählte ihr von meinen Gedanken. Langsam begann sie mir zu vertrauen, schnüffelte bald an meiner Hand, anstatt hinein zu beißen und schien sich zu freuen, wenn sie mich sah. Eines Morgens geschah dann das Unglaubliche. Ich rieb Eneesha gerade trocken, da Tla wieder mit ihr geritten war und als ich gerade ihre Mähne berührte, durchzuckte mich ein unglaubliches Gefühl der Vertrautheit und der Nähe. Gleichzeitig sah ich mich in einer Vision auf Eneesha sitzen und wir beide genossen das. Ich merkte gar nicht, wie ich aufstieg, einen Stock in den Boden rammte, einen anderen in die Hand nahm und ein Stückchen davon ritt. Nach etwa 100 Metern schloß ich die Augen und jagte im Galopp auf den Stock zu, den ich so deutlich sah, als hätte ich meine Augen geöffnet. Tatsächlich bemerkte ich nicht einmal mehr, daß ich auf Eneesha saß, denn wir beide waren ein Wesen geworden. Ich schlug den Pfahl aus dem Boden und nachdem ich diesen Ritus beendet hatte, den ich unzählige Male bei Tla gesehen hatte, wußte ich, das ich jetzt bereit war. Ich hatte den ersten Kreis meiner Disziplin erreicht und war nun soweit, meinen eigene Weg zu gehen. Der Abschied von Tla war freudig auf beiden Seiten, denn jetzt war ich endlich ein echter Adept, bereit, ein großer Held zu werden und die Geheimnisse der Reitermagie zu erlernen. Ich schwor noch, Tla wieder zu sehen und ihm seine Mühen zu vergelten, dann ritt ich davon...

by Daniel Umber

Radegast
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