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Auf dem Weg nach Kiel, Teil 2

Donnerstag, 22. April 2010 23:30

Zum einen muss ich hier endlich noch einen sinnlosen Pseudo-Anglizismus in den Rahmen schottern. Erstens weil er passt, zweitens, weil’s scheinbar noch nie außer Mode war und drittens, damit “Prokrastination” endlich nicht mehr der Spitzenreiter  des Unsinns ist. Ist doch wahr!

Der Sonnenuntergang über dem Meer war also gorgös! Bitte, ich möchte das jetzt nicht auch noch kommentieren müssen. Weil nicht Sonntag ist, bekomme ich sowieso eine dafür rein. Bumms. In Ermangelung vorhandener Scharfrichter/innen, die das in meinem Interesse lieber unternommen hätten. Alle Ästhetik hat sowie die Sonne für sich beansprucht. Schluss nun. Man wies mir einen Tisch zu. Zum Gebrauch des Buffets, mehr noch: des nachgeschalteten Vorgangs halbwegs kontrollierter Nahrungsaufnahme. Direkt neben einem Klavierspierler, der zunächst scheinbar nur zu unfertig und zu leicht mit Talent ausgestattet zu sein schien. Es stellte sich jedoch heraus, dass er aus gutem Grund keine Lust hatte, die Leute mit seichtem, ungepfeffertem Brei klanglicher Natur lautlich zu bespeisen. Als er jedoch auch nur merkte, dass maximal zwei Leute sonst noch im Raum waren, die sich für etwas Musik durchaus begeistern könnten, hat er zwischendurch etwas losgelegt. Ganz offensichtlich nur im Rahmen seines Vertrages, aber dann stets mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Eigentlich wollte ich dem armen Gequälten einen ausgeben. Doch der darf das nicht. Morgens früh müssen alle immer zum Alkoholtest antreten. Sagt jedenfalls einer der Kellner. Sonst flögen sie raus. Dennoch gehört das Personal hier zum gutgelauntesten, was auf dem Schiff herumläuft.

Die nebeneinander herlaufenden Skripte, wohl weitestgehend nach Nationalität getrennt, führen beide nicht zum Erfolg. Sie nebeneinander her existieren zu sehen, bereitet eine voyeuristische Freude: Die Norweger (also die bis 45 etwa) sind ab 21 Uhr komplett besoffen. Der Alkohol ist, ach, sagen wir mal jetzt lieber nicht “billig” (denn das wäre falsch), aber deutlich günstiger als in Norwegen. Alsdann hängen sie im Ausschnitt der über diesen Tatbestand nur oberflächlich pikierten deutschen Ehefrauen. Die Männer sehen dabei gelangweilt zu. Manch ein Deutscher rümpft die Nase. Insgeheim wohl an den eigenen, gut geplanten Ausbruch erinnernd, der, auch das weiß man, niemals stattfinden wird.

Zum Erfolg führt, wie bereits erwähnt, beides nicht. Und so hören wir den Club der einsamen Herzen und den treuen alten Sergeanten, irgendwo sogar fast Orignal-Ähnlich. Aber natürlich weichgespült und verklimperchromt. Und, keinen wundert’s so richtig, der Lagerkoller, er ersäuft auf der einen Seite und verstaubt jämmerlich auf der anderen.

Das ist also das altbekannte Bild, eingängig und einschlägig bekannt von den Dorfdiskos bis hin zu den angesagten Clubs der Metropolen. Skripte, die auf frische stets jugendlich naive Art und an Orten äußerster und eleganter Berechnung der Untiefen der menschlichen Natur zum Mißerfolg führen. Offenbar mit einer Menge Hoffnung zwischendrin. Hat man doch vorher noch unter Aufwand des mühsam—nagut von Norweger Seite wohl weniger mühsam—Ersparten, alle Devotionalien aus Aphroditens (wahlweise Freyas) Garten zusammengebastelt: Wieder nichts. Einfach wärs. Ist der Mensch auch ein Rudeltier, so ist er doch im Rudel ein einsamer Wolf. Und das soll das erfolgreichste Raubtier der Welt sein? Da lachen ja, naja wohl eher nicht, die Hühner drüber. Nach dem guten Buffet wahlweise, Verzeihung, wahlfrei auch drunter… also, sie lachen drunter, weil sie ja und… ach, man darf sowas nicht erklären, sonst gibt’s nur wieder noch mehr verdiente Haue!

Da bleibt mir nur ein arrogantes Zurücklehnen, über das ich bevor’s richtig vorbei ist schon wieder selbst lachen muss, und ein Zitat von Clara, das insbesondere in seiner kontextfreien Variante eines der mächtigsten ist, die meinem Kopf je im Gedächtnis bleiben durften:

“Die armen Menschen!” (Barth, 2009)

Ich selbst spiele einen kindlichen Auszählreim, als wüsste ich nicht, dass die durch zwei teilbaren Varianten der aggresiv-gutmütigen und falsche Fairness vorgaukelnden Schüttler, stets immer wieder die gleiche Entscheidung hervorbringen. Der Inhalt und trockene Ausgang ist der geneigten Leserin sicher bereits seit meinem Hotelbericht aus Oslo bekannt. Man gibt sein Bestes für die Träume neben den Träumen. Man könnte auch sagen: die Träume nebenan.

Allmählich begebe ich mich mal an meine Hausaufgaben—sets und in guter alter Tradition zu allerletzt—und setze mich dazu in das faktische Nebenbett neben dem Bett. Es ist inzwischen selbstverständlich dunkel geworden.

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Auf dem Weg nach Kiel, Teil 1

Donnerstag, 22. April 2010 19:21

Auf der Fähre einchecken war ein Kinderspiel. Die Preise für die Überfahrt waren wohl kurzfristig etwas angehoben worden, aus gegebenem Anlass. Daher war der Unterschied zum Meerblick nur noch etwa 20 Euro. Einen kleinen Luxus, den ich mir gegönnt habe. Also beginnt meine Reise, wie ich rausfinden durfte, in der VIP-Lounge der Linie. Der Überblick über die Stadt, die gerade so tut, als seien Sonne und blauer Himmel hier der Naturzustand, lässt den gestrigen Tag noch einmal in der Erinnerung auftauchen. Durchatmen, grinsen, weiteratmen, laufen, grinsen, durchatmen (usw.). Zwei freie Cappuccini und einen Apfel später befinde ich mich auch schon auf dem Schiff. In voller Sonne auf die Abfahrt wartend. Ich senke hier das Durchschnittsalter. Das ist nicht mehr überall der Fall.


Durch die Drehung des Schiffs bekomme ich und alle anderen Reisenden einen letzten schönen Einblick in Aker Bryggen und auf das Rathaus. Oslo wird allmählich keiner. Die Reservierung im Restaurant kommt mir entgegen. Um 21.00 Uhr gibt es dann ein Buffet, zu einem annähernd Mitteleuropäischen Preis sogar. Frühstück sei inbegriffen und in der Observation Lounge. Das wird sicher erinnerungswürdig. Und natürlich gitb’s Duty Free, sogar die Minibar ist inklusive. Nunja, dann wird das Vorspiel (norwegisch für “Vorglühen”) ja umso interessanter, und ich kann mir beim Efüllen der Hausaufgaben vielleicht sogar eine Eins mit Sternchen verdienen.


Das Bild ist nicht montiert. Diese Zeilen wurden praktisch genau so geschrieben. Zimmer mit Blume, Bad mit Dusche. Eingestellt hatte ich mich naiver Weise auf etwas ganz anderes. Ich bekomme ein paar Steuern wieder, weil ich das eine oder andere eingekauft habe. Das Geld gibt’s bei der Rezeption. An Bord wird alles mit Kronen bezahlt. Die Dame klagt Ihr Leid: Die Leute lassen sich Euro auszahlen und wundern sich nachher über krumme Umrechnungskurse. Überhaupt sind meine Landsleute ganz offen extrem unfreundlich. Nicht alle zwar, aber doch ziemlich viele. Was ich die Leute in tiefstem Dialekt das Personal anschnautzen hören musste (wegen nichts und wieder nichts), hat mir glatt wieder den Atem verschlagen. Dann gibt mir die Dame ein Kabel und sagt, ich hätte in meiner Kabine Internet. Ich könnte ja auf Facebook gehen oder so. Ja, klar. Nachher werde ich diesen Text hochladen. Mehr nicht. Aber das ist dann doch zu dekadent ums jetzt nicht zu machen.



Nachdem ein mein Ärger über unverschämte Landsleute fast verflogen ist, gehe ich nochmal auf’s Sonnendeck und fange an die Landschaft zu genießen, schieße ein paar Fotos. Manche auch mit Schiff drauf. Ich möchte ja auch das eine oder andere Foto für Friedemann vorrätig haben. Eine weitere Reise, die sich schon allein aus ästhetischen Gründen lohnt. Mir kommen urplötzlich wieder mehr Ideen, meine Gedanken kreisen um allerlei Neues und Altes, was sich verbinden lässt was nicht. Die Stena Line (vermutlich von Kopenhagen nach Oslo) fährt vorrüber. Winken von beiden Seiten. Schnell wieder vorbei. Die See ist ruhig. Unglaublich ruhig. Fast ein Tümpel. Aber ich bezweifle, dass man auf diesem Schiff grundsätzlich groß mitbekäme, dass man auf dem Wasser ist.

Für Steffi kaufe ich nachher im Auftrag noch einen Duft auf Deck 7. Das scheint sich offenbar doch zu lohnen. Wenngleich ich—typisch Mann halt, und so—nix davon verstehe. Ansonsten gibt’s da eher wenig zu kaufen, für was ich Zielgruppe wäre. Deck 6 und 7 erinnern an US-amerikanische Malls. Faszinierend als Objekt der Menschen-Prozessier-Maschine. Fast so fremd, wie das einzige Casino, das ich je besucht habe (das Horseshoe in Indiana). Ich sehe viele leuchtende Augen. Die gab’s im Horseshoe damals nicht. Beim Cappuccino in der Observation Lounge kam ein “Ten Forward” Gefühl auf. Whoopie Goldberg hat allerdings gefehlt um die Sache perfekt zu machen. Jetzt bin ich gespannt, was der Abend und der Sonnenuntergang noch anzubieten haben.

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Aufbruch von Oslo

Donnerstag, 22. April 2010 11:43

In Kürze verlasse ich Oslo, das in strahlendem Sonnenschein seinen Abschied gibt. Es ist keine Wolke am Himmel zu sehen. Wenn sich das hält, dann gibt es später sicher noch viel Interessantes zu sehen. Auf Birgits Anraten (“Pablo, Du gehst Dir für die Fährfahrt bitte unbedingt einen Wein kaufen, hörst Du?“) habe ich mir, ganz außerhalb meiner Gewohnheiten, im Vinmonopolet noch eine kleine Flasche gekauft. Ich trinke sonst grundsätzlich niemals, wenn ich allein bin. Nichtmal wenig. Aber Hausaufgabe ist nunmal Hausaufgabe (pllötzlich werd’ ich wohl sogar ein wenig typisch Deutsch). In Norwegen ist der Wein- und Spirituosenverkauf staatlich monopolisiert. Die dort ansässigen Verkäufer haben offenbar eine besondere Stellung. Wenn sie streiken, dann gibt es kein Alkohol zu kaufen. Den Rest können wir uns dazu denken.

Meine Wahl fiel auf eine Miniflasche Caol Ila, 12 Jahre. Es ist kein Wein, aber ich denke, die Hausaufgaben habe ich trotzdem erfüllt. Und irgendwie schien mir Single Malt dann doch noch einen Tick besser zu passen. Die Flasche werde ich garantiert nicht im Ansatz schaffen. Whisky ist absolute Genuss-Sache und kann schon allein deswegen nur in verhältnismäßig kleinen Quantitäten auf den Gaumen geraten. Und dann wird sie, die Flasche, irgendwann zu Hause stehen und dort den einen oder die andere freudige Genießerin finden. Über den Preis wollen wir lieber nicht sprechen. Mir ist auch gar nicht so klar, ob das nicht vielleicht sogar geschäftlich jetzt vøllig bløde von mir war: Es könnte ja schon sein, dass das Schiff vom Duty-Free-Wahn Gebrauch macht. Ich werde es herausfinden, und, nun, auf meiner nächsten unfreiwilligen Kreuzfahrt besseres Wissen wissen.

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Oslo und nur ein Tag

Mittwoch, 21. April 2010 23:17

Zwei Norweger in Bergen haben mich unabhängig voneinander gefragt, was zum Henker ich bloß in Oslo will. “Zur Fähre” konnte ich da noch entgegnen und wusste noch nicht, was da genau auf mich zukommt. Zwei Norweger und eine Schwedin haben mich hier in Oslo gefragt, was um Himmels willen denn an Bergen so interessant sei. Beide Städte sind in der Tat sehr unterschiedlich. Eine Präferenz mag individuell möglich sein. Zu schade wäre aber, so etwas zu diskutieren. Eine Reise sind beide jedenfalls wert. Und wenn man dann noch beide durch diese Bahnfahrt der Träume verbinden kann, umso besser.

An nur einem Tag ist Oslo unmöglich zu begehen. Dafür ist die Stadt zu groß und das Angebot zu umfangreich. Also habe ich mich von ein paar Tipps und Hinweisen inspirieren und mich ansonsten treiben lassen. Fast überall habe ich dann fleißig Fotos gemacht. Und noch ein Gigabyte für die Sammlung zu Hause. Eine kleine Auswahl ist nebenan zu finden (klassisch: Klicken um zu Vergrößern). Besonders war dabei alles, was ich sehen durfte. Ich habe andererseits nicht viel von den Dingen getan, die “man halt so macht”. Dazu war ich zu neugierig auf die Stadt. Diese Neugier wurde sebstverständlich in besonderem Maß befriedigt. Ein Tag ist zu wenig. Drei hätten es sein dürfen. Ich werde wohl auch hierhin wieder kommen. Mein Tipp: Ein Tagesticket kaufen, treiben lassen. Ein paar (wenige) Punkte gezielt ansteuern. Aussteigen, wo es ineressant aussieht und dann Füße, Füße, Füße. Den immerwährenden Eintagesspaziergang bin ich nicht müde geworden. Über meinen Menüplan und dessen monetäre Kontingenz schweige ich mich diesmal mal aus. Da gibt es nicht viel Neues zu verzeichnen. Es gibt kleine Läden mit gutem Cappuccino. Man muss sie aufspüren und finden, wie manches in der Stadt. Es lohnt sich insgesamt, neugierig zu sein.

Morgen am frühen Nachmittag geht es auf die Fähre nach Kiel. Davon gibt es dann ganz bestimmt auch wieder einiges zu berichten.

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Von Bergen nach Oslo mit der Bahn

Mittwoch, 21. April 2010 9:39

Wie gestern morgen angekündigt, hab ich mich zum Bergener Bahnhof begeben. Schon auf dem Weg dorthin kam die Sonne auch wieder raus. Ich war viel zu früh da. Man mag mir diese rührige Spießigkeit nachsehen, nach all dem Chaos.

Es gab dann noch einen für lokale Verhältnisse außerordentlich brauchbaren Cappuccino. Hier abgebildet mitsamt meines für drei Tage recht übersichtlich zusammengestellten Gepäcks, das weder Vulkan- noch Mehrwochenverträglich ist. Die Szene hatte allerdings schon wieder etwas Vertrautes. Bei längeren Reisen bin ich auch in Freiburg meist etwas früher am Bahnhof und nehme noch, wie es Friedemann so schön ausdrücken würde, ein koffeinhaltiges Heißgetränk zu mir.

Alsdann habe ich mich allmählich an den Gedanken gewöhnt, Bergen estmal zu verlassen, dem Bahnhof noch einen letzten Blick gewidmet und bin brav auf Gleis 3 gegangen. Der Zug zuckelte mit gefühlten 20 km/h los (in Wirklichkeit waren es schon ein paar mehr) und verschwand sodann gleich im nächsten Tunnel. Das Tag und Nachtspiel sollte noch weitergehen und, Verzeihung, inmitten schneeumspielter Gipfel seinen konvergent dramatischen und geographischen Höhepunkt finden. Doch bitte der Reihe nach.

Diese Bilder kennt man zu Hauf aus Reiseprospekten. Es verhält sich dabei analog wie mit Irland. Diese Bilder gibt es in jener bekannten Menge, weil es diese Situationen ebenfalls genau so häufig gibt. Das bricht nichts aus der Ästhetik. Im Gegenteil Das erste Drittel der Fahrt war voll damit. Meine Begeisterung entsprechend.

Bald aber verändert sich die Landschaft und am Horizont tauchen würdevoll die Schneegipfel auf. In diesem Moment wächst die Spannung. Mir wurde ja bereits ein landschaftlicher Genuss allerseits mit großen Worten verkündet. Selbst dort zu sein, das ist etwas ganz anderes. Diese Landschafen wechseln ja nicht etwa die Szenen, wie eine Bilderreihe wie diese suggerieren würde, sondern fließen ineinander über.

Noch bevor sich der Zug Meter für Meter die Höhe erobert, fahren wir an eisklaren Gebirgsbächen vorbei. Die Gedanken schweifen in eine Vergangenheit, wo wir Orte, die diesem sehr ähnlich waren, für allerlei Kinderabenteuer verwendeten, wo wir Geschichten lasen und man die Räuber schier aus dem Wald preschen sehen könnte, und in seltsame Winkel der Gegenwart, die etwas Staunen und etwas Zweifel schüren an den Dingen, die da so ihren Gang gehen. Wie schon von unzähligen Menschen vor mir berichtet, bekommen die Dinge eine andere Dimension. Sie relativieren sich selbst. Dabei werden sie nicht unbedingt kleiner in Ihrer Bedeutung an sich. Sondern nur anders positioniert. So dass sie plötzlich noch mehr Menschen angehen. Anders gesagt: Die Zeit bekommt sich selbst wieder geschenkt.

Seinen gemächlichen Gang geht auch der Zug, und bringt seine Reisenden in schneebedeckte Höhen. Die meisten steigen hier aus. Ja, genau hier. Mehr ist dabei meist nicht zu sehen. Manche haben Gerät dabei, das so aussieht als könnte man damit in die Richtung Wintersport starten. Andere haben fast gar nichts dabei. Nicht alle Geheimnisse offenbaren sich sofort—wie so oft. Es gibt noch viele Gründe, hier wieder herzukommen.

Bald wird es wieder grüner. Der Schnee wird durch diese nebelhaften Szenen abgelöst. Ich habe wohl einen Sprung in der Schüssel, oder bin einfach zu romantisch geblieben. Aber ich gerate da immer ins Träumen. Das würde ich übrigens auch bei einer geeignet verfügbaren Therapiemöglichkeit nicht hergeben wollen. Immer wieder ragen steile, hohe Felsen—manchmal fast über die Bahn. Dann kommt wieder ein Tunnel. Das gute alte, nochmals Verzeihung, Tag- und Nachtspiel. Dunkel, blinzeln, öffnen, zwinkern, dunkel, da capo, da capo, da capo. Inzwischen trinke ich den zweiten im Zug angebotenen Filterkaffee. Er ist nicht schlechter als der bei der Deutschen Bahn (sssänk ju foa träffelink…). Er hat Koffein. Junkie Pablo auf Reisen.

Dann haben wir sie auch schon wieder, die größeren Wasser mit Auen, mit Bergen. Der Schnee weicht allmählich wieder frühlingshaftem Grün. Leben sprießt.

Immer größer wird der Strom, neben dem wir herfahren. Die Bahn nähert sich einstweilen bedächtig der großen Stadt. Der Schaffner kündigt extra an, falls eine Station nur ein Kurzhalt (2 Minuten) ist. Ansonsten springen alle raus und gehen ein wenig auf- und ab. Das dauert deutlich länger. Die wesentlich nettere Schaffnerin grinst dann und winkt die Leute später mit ihrem Notizblock in den Zug zurück. Konsequent werden übrigens alle Ansagen auch auf Englisch wiederholt. Für Bahnfahrten sind sie ungewohnt verständlich. Aber ich habe sowieso noch keinen Norweger getroffen, der nicht wenigstens besser Englisch spricht als ich.

Aus Bergen kam der Zug an. Sagt zumindest das Schild. Und meine Erinnerung. Sehr hohe Beobachterübereinstimmung. Diese Bestimmung ist objektiv.

Der Bahnhof in Oslo ist natürlich ganz anders als der in Bergen. Schon allein der Größe halber. Wegen des Vorher-Nachher-Effekts wollte ich den Anblick jedoch nicht verheimlichen. Das einfache Steak mit ein wenig krümeligem Gemüse kostet zusammen mit dem stillen Tafelwasser 380 Kronen. Das sind 47,80 Euronen. Nobel war da nix dran. Auch das ist Norwegen—sonst müssten die mich allerdings auch alle zwei Jahre hier aushalten.

A propos: Das Einzelzimmer hat, wie oft üblich, zwei Betten. Man muss aber vier bezahlen. Natürlich nicht wirklich, aber auf der Rechnung sieht’s so aus. Wohnen werde ich hier trotzdem allein. Wenn das hier Urlaub wäre, dann wäre das anders. Jetzt muss ich eigentlich heute Nacht nur noch klären, welche Seite es sein soll. Vielleicht werfe ich eine Münze. Wo die Fähre nach Kiel geht, habe ich heute auch schon ausgekundschaftet. Doch dazu und anderes in Kürze mehr.

Für diesen Trip alleine habe ich zwei Gigabyte an Fotomaterial geschossen. Da sind noch einige Perlen in der visuellen Schatztruhe.

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