Der Schwafler

Auf dem bereits besungenen Flug saß hinter uns ein deutscher Professor, sah aus wie ein sehr in die Jahre gekommener Surferboy. Er hatte auch was vom Bohlen, zunächst mal äußerlich. Seine vermutlich 30 Jahre jüngere Assistentin saß zunächst brav neben ihm. Dann fing er an zu reden, weswegen man ja auch auf ihn aufmerksam wurde. Er erzählte ihr in lustigem Englisch eine Anekdote nach der nächsten, redete zunächst gute fünf Stunden auf sie ein und laut genug, dass wir trotz Triebwerklärms auch noch genug davon hatten. Genug davon hatten wir allemal. Immer kam er in den Geschichten als der junge rebellische Held davon. Jeder Keim von Ironie ihrerseits wurde da im Keim erstickt. Als er dann Anhieb über seine Ansichten, die Sexualität betreffend, zu schwadronieren, ging einem schon so manches Gällchen (heißt so die Verniedlichung von Galle?) hoch. “For me there is no sexual relationship without emotion. Yes, yes, believe me, yes. I’m different. I’m really different. I really hate cheating” (usw.), offensichtlicher Müll vor die Füße der Bedüftigen gekotzt. “You will be the only rose in the Hotel” wiederholte er geifernd. sich selbst über seine romantische Überzeugungskraft freuend. Uns wurde zunehmend übler. Mit der Flugbegleiterin legte er sich trotzig an, nein, er schnalle sich nicht an. Das wäre schon bei einem 16 jährigen in vergleichbarer Not schwer peinlich und ebenso leicht zu durchschauen gewesen. Nach etwa sechs Stunden, die uns nahezu nerventkernten, durften wir Zeugen des honigsüßen Resultats seines für die Anekdotensammlung unersetzlichen Pfauentanzes werden: Er hatte Erfolg. Da gefiel mir der Kommentar der Flugbegleiterin (die von ihm auffällig unhöflich behandelt wurde): “You are scientists? Really? I don’t hope so.” Eine kleine sozialpsychologische Studie am Rande. Erinnerungswürdig, jedenfalls für die Dauer eines hingebungsvollen Kopfschüttelns.

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Datum: Mittwoch, 4. April 2007 2:22
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