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Fetzen des Unwissens – oh, göttliche Dummheit

Montag, 27. Mai 2013 17:57

Die Gewinde bilden schräge Lebendigkeiten zwischen der inzwischen nur noch kleckernd eintreffenden Erkenntnis des beschriebenen Ungleichgewichts. Darin fliegen die Fetzen des Unwissens links und rechts, hin- und her und erklären sich selbst ex post facto für unzurechnungsfähig. Bisweilen bleibt von alldem noch eine Spur, die einfach nicht mehr kleiner werden wollte; quasi-unteilbar. Wenn das dann klar ist, dann wächst auch im größten Optimisten die Erkenntnis, dass nichts mehr bewegt werden kann. Bleibt uns nur noch die Reise der Reisen übrig, etwas also, das zwischen den Ereignissen des Mutes vermittelt. Ob das in sich etwas Versöhnliches trägt, ist mir noch bei weitem nicht klar. Ich kann allenthalben den Wunsch nachzukommen verstehen, wobei ich diesem Wunsch nicht mehr immer die gleiche Reichweite zutraue. Habe ich doch ganz unterschiedliche Beweggründe auf meinen Reisen getroffen, solch einen Wunsch zu haben. Sei es aus der Verlegenheit sich gar nicht erst auf eine Reise zu begeben. Sei es aus Verlustangst, zur Abwehr, weil sonst das etwas Kostbares verloren ginge. Oder als Königsdiziplin: Weil aller Verlust längst eingesetzt hat. Obschon es traurig ist, sich so zu verlieren auf dass man sich ungeachtet auf einen bereits existierenden Kotzhaufen ausspucken lässt. Am besten noch temporär unbemerkt neben einem jahrhunderte alten Schatz voller unbändiger Kostbarkeiten. Dummheit bleibt Dummheit, gerade wenn sie einem im Anflug von Kleinigkeitswahn bloß zeitweise empfindsamkeitsmindernd zur Seite steht.

Doppel-Doppelfenster

Inmitten von all dem Wahnsinn sitzt einem dann ja dann doch wieder die Welt gegenüber und lacht einen aus tiefen Augen an. Vermutlich schuldet sie mir einen (auch, wenn das auf diese Weise kaum rechenbar ist). Und so reicht es trotz dem Irrsinn, dass das Reisen sich wieder selbst als Moment gezeigt hat. Und das ist dann schon Anlass genug, für eine kurze und ebenso vielseitige Notiz der Dankbarkeit, in der Verlegenheit um ein anständiges Papier auf den Rest einer Sitzplatzreservierung der Bahn gekritzelt.

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Der Wunsch hinter jenem Konjunktiv

Mittwoch, 10. Februar 2010 15:18

Mögen alle denken was sie wollen. Am Anfang war die Unstruktur, die Geburtsstunde des Solipsisten. Noch davor, und das Leben ist geträumt, aus dem Moment heraus. Etwas anderes ist nicht feststellbar. Das ist ein großes “Könnte” oder “Sollte”, je nach Gesinnung des Trägers, der natürlich selbst auch nicht existiert. Darin liegt entweder der Kategorische Konjunktiv oder ein Dogma oder beides, je in unterschiedlicher Form für die unterschiedlichen Formen. Formal ist der Konjunktiv ohnehin unterspezifiziert. Man versuche einmal einen Satz wie “Philipp könnte auch in Bremen wohnen” prädikatenlogisch zu erfassen. Im Ernst, man versuche es! Und bitte ohne die folgende faule Abkürzung zu verwenden:

Könnte-auch-in-Bremen-wohnen (Philipp).

Ich habe in diesem Zusammenhang auch schon gehört, die logische Semantik sei ohnehin bedeutungsarm—was an sich schon zutreffen könnte, weil’s die Logik ja per Definition ist. Jedoch mit der Begründung, dies läge an ihrer Evaluationsfunktion, die ja nur auf absolute Wahrheitswerte abbilde erscheint die Annahme ziemlich kraftlos. Die Modallogiker/innen haben stets darauf verwiesen, dass die Evaluationsfunktion zur Not ersetzbar sei und das eine ganze Menge der Aussagen immer noch gelten, wenn auch komplexere Abbildfunktionen verwendet werden, etwa eine Fuzzy-Logik. Das ist nicht die Logik vom Fuzzi. Sorry, das musste jetzt doch rein. Auch andere Multimodale oder -dimensionale Funktionen wären durchaus denkbar.

Wir wissen, es fehlen entweder geignete Quantifier oder eben eine andere geeignete Struktur um das abzubilden (oder beides). Aber jenseits der PL1 gibt’s ja durchaus noch schöne Ansätze. Mir gefallen die von Montague nach wie vor richtig gut. Wenn man vorher noch die “Grundlagen der Arithmetik” gelesen hat und, nunja, wenigstens halbwegs verstanden um was es Frege da geht (das ist zugegebenermaßen nicht eben wenig), dann tauchen plötzliche eine ganze Reihe von Optionen auf, die man mit einer naiven Lesart moderner Ansätze der Semantik nicht mehr erklären würde. Allein die Vielfalt dieser Optionen verschwindet hinter einfacheren, behavioralen Ansätzen (Wortfeld oder Prototypen). Letztere sind dann auf andere Weise arm. Sie erklären Verhalten, können aber keine Idee dafür liefern, wie die Bedeung zustande kommt, will meinen: wie sie gebaut wird (obwohl das jetzt gegenüber der Prototypensematik durchaus ein wenig unfair ist, zumindest was die späteren Ausprägungen angeht). Insgesamt bleibt den metaphorisch-psychologischen Ansätzen ein großes Opfer zugunsten einer oberflächlichen Illusion von Inhalt. Und weil das so ein gemeiner Satz war, begründe ich ihn ausnahmsweise: Die Interpretation eines Wortfeldes oder die einer prototypischen Struktur liegt außerhalb der Struktur selbst. Sie ist, wenn man so will, auf das wohlwollende Nicken mehrerer im Raum befindlicher Experten angewiesen, die glauben, dass das nach Sinn aussieht, d.h. dass es plausibel ist. Ein definitorischer Teufelskreis, der nebenbei bemerkt nun wirklich nicht der Semantik zu eigen ist.

Das alltagsrelevant-fatale am Konjunktiv ist ja, dass er dort ebenso schwierig zu fassen ist wie in der formalen Welt. Er scheint zunächst der Unbestimmtheit zu dienen und unterstützt nebenher grammatisch noch einige schöne Formen der indirekten Rede. Genau genommen dient er aber in seiner Sprachverwendungshandlung zumeist zur Bestimmtheit, auch wenn er gerade als ein Stilmittel der Unbestimmheit erscheint. Die bestimmteste Ablehnung, beispielsweise, ist die unbestimmte. Auf die kann man nicht reagieren. Chancenlos, sozusagen. Er ist bildlich gesprochen eine Ohrfeige, auf die man schon rhetorisch nicht reagieren kann.

Zur Erklärung. Offenbar nehmen Mitmenschen (mich eingeschlossen) ihre Welt als immer komplexer werdend wahr—“In der Welt des 21. Jahrhunderts…” (als wenn wir wüssten, was das sei). Die Wahrnehmung kann den Grad der direkten Aggression mit dem Stilmittel rhetorischer Vagheit erklären. Es wären (!) Tatsachen zu schaffen und im gleichen Moment um Himmels willen die Genese weiterer Komplexität zu vermeiden. Wir sprechen ja nicht selten vom “Grad der Komplixität” als sei das auch nur ordinal a priori bestimmbar.

Kein Wunder, dass man bei der Gelegenheit ein ganz anderes definitorisches Unding immer häufiger zu hören bekommt: Die Kompetenz in all ihren Gestalten. Weil wir ja mit unserem Verhalten nachweislich keine Komplexität bearbeiten können, sonst wäre die Komplexität ja nicht komplex, versucht man nun die immanenten Fähigkeiten des Menschen wenigstens vom Begriff her nach außen zu stülpen. Auch wenn das natürlich gar nicht geht. Aber irgendwie muss der Mensch darauf ja reagieren können. Daher macht es “wunschseitig” natürlich Sinn, ihm einfach alle beschränkenden Hürden zu nehmen. Keine Gedächtniseinschränkung mehr, keine Sprachbarriere, keine Konzentrations- und Motivationssperren. Der Mensch als das, was er leisten könnte, wenn er keine Beschränkungen jedwelcher Art hätte. Wir nennen das in der Wissenschaft Kompetenz (was jemand ohne Einschränkungen könnte, z.B. einen unendlich verschachtelten Satz von sich geben) im Gegensatz zu Performanz (das was an Verhalten nach all den Hürden noch herauskommt).

Wir halten daher fest: “Kompetenzdiagnostik” ist absurd (es sei denn man ginge das esoterisch an), da wir nunmal nur Verhalten (= Performanz) beobachten können.

Der Wunsch nach einer Transzendenz der Kompetenz ist vor dem Hintergrund der subjektiv wahrgenommeneren Komplexität sehr verständlich. Es lebe der kategorische Konjunktiv, das Allheilmittel des selbstversunkenen und träumenden Alltags-Solipsisten!

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