Bohrungen an massiven Zyklen

Zu Atem gekommen. Mitten in der Nacht aufgeschreckt aus einem belanglosen Tagtraum, den man stilstisch hätte bedeutungsvoll erscheinen lassen können. Nicht heute. An einem anderen Tag wieder, versprochen. Es wurde über Kompatibilität gesprochen, zyklische Systeme, Menschensysteme, Gesellschaft, die sich selbst hervorbringt, sich fortpflanzt. Nein, ich spreche nicht über die Werte der Aufklärung, die uns grell und bunt von großen Plakaten mit dem Attribut neuerdings völlig ahistorisch als ”christlich” ins Hirn gemartert werden. Was hätte wohl Napoleon dazu zu sagen gehabt? Vielleicht hätte er ja Josephine antworten lassen. Josephine wäre auch das erste Pferd an der Spitze eines Staates gewesen. Der Gedanke gefällt mir, weil er mich für die kurze Dauer eines Alternativuniversums trösten kann. Das was sich selbst hervorbringt, ist hier etwas, was sich selbst bewertet ohne die Kriterien offen zu legen. Es muss sich notwendigerweise immer bestätigen, immer validieren lassen. Ohne Staunen meinerseits: Das hört nirgendwo auf. Wenn ich in diesem Zusammenhang über Wissenschaft nachdenke, dann haben wir einen Lernprozess von Individuen vor Augen. Die Innovation stirbt zuletzt, vor allem in Kreisläufen, die sich immer und immer wieder selbst wiederholen. Meine Zweifel betreffen die Annahme, dass nun jemand trotz privater oder professioneller historischer Studien einen Zustand, sagen wir einmal den aktuellen, als goldene Zeit, als paradigmatisches “so wird’s nie mehr” prophezeihen lässt.

“Wir können uns die Ethik nicht mehr leisten.”

Irgendwann lese ich diesen Satz als Schlagzeile und irgendwann wundere ich mich über eine solche Schlagzeile nicht mehr. Das da… das ist er. Das ist mein Nachbar, und der nimmt mir alles weg. Blaue Schaufeln, Sandkorn, Burg, Regen, neue blaue Schaufeln, Sandkorn. Wir können eben nicht mehr. Weil wir annehmen, dass Dinge weniger Wert werden. Menschen auch. Das muss so sein. Wir wollen, nein, wir müssen mit Ländern konkurrieren können, die Kinder arbeiten lassen. Da müssen auch die Kleinen ran. Ihren Beitrag leisten. Leistung muss sich auszahlen. Die Schwachen von den Starken trennen. Habe ich das nicht schon einmal gehört? Ich will indes nicht Betroffenheit heucheln, will nur klar gestellt wissen, dass ich nicht so tun werde, als wüsste ich von nichts. Ich möchte das nicht ausblenden. Wird mir da genommen, wem wird’s gegeben? Weil doch Tauschmittel immer noch nur Tauschmittel ist, meine Damen und Herren. Ist meine Arbeit (bin ich) etwa über Nacht nur noch halb so viel wert geworden? Und was ist bei der Gelegenheit doppelt so viel Wert geworden? Löhne halbiert, Preise erhöht—wer hat’s denn bekommen? Über Nacht war nämlich das Geld weg. Ratz fatz. Wo ist es geblieben, trotz Inflation? Umsätze gigantisch. Nur soviel. So prüft und bestätigt sich selbst, was anders nicht herauskommen kann—aus einem Kreis. Konjunktur ist keine Sinuskurve und sie ist auch kein Kreis. Wenn ihr mir heute erzählt, die Kurve habe etwas mit Psychologie zu tun, mag das zwar einerseits nicht stimmen hilft aber andererseits auch nicht über die Verlegenheit hinweg, dass wir kaum das Wetter vorhersagen können und das obwohl wir massiv (viele und teuere) Instrumente im System haben. Aber “die Wirtschaft” in einem Jahr? Die Wirtschaft an der Ecke vielleicht, um den alten, vergammelten Kalauer mal wieder aufzugreifen. Fünf Zehntel Prozentpunkte sind dabei blanke Ansichtssache. Solche Standardabweichungen sollte ich mal wagen zu publizieren! Vielleicht würde man mir aber verzeihen, solange ich etwas “Theoriekonformes” präsentiere. Mit anderen Worten: Solange ich bloß nichts Neues herausfinde. Bitte keine schlafenden Hunde wecken.

Tags »

Autor:
Datum: Dienstag, 5. September 2006 0:23
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Staunen und Zweifeln

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Diesen Artikel kommentieren

Kommentar abgeben

Login erforderlich