Erster Eindruck: Chicago
Anbei meine Eindrücke vom ersten Tag. Ungefiltert und roh. Warum das wesentlich ist, wird vielleicht noch klar werden. Chicago ist auf den ersten Blick eine sehr undurchdringliche Stadt. Ihre Geschichte und die paar Anekdoten, die man so darüber weiß, mögen ihr Übriges dazu tun.

Den US-Amerikanern gilt sie vielleicht als die amerikanischste Stadt, jedenfalls, wenn man dem ausliegenden Buch im Hotel Glauben schenken darf. Die Zersplitterung in die Communities und Neighborhoods sei hier mehr erkennbar als überall sonst. Ich kann eine Aussage wie diese natürlich kaum überprüfen. Wenigstens ist mir dieser Charakter auch andernorts schon besonders aufgefallen. Die Stadt pustet jedenfalls eiskalten Wind. Sie lässt, öfter als hierzulande gewöhnlich, die Fassaden bröckeln.

Eine Matrix auf ganz reellem Grund. Man braucht für die Doppelwelt keine Computersimulation, sie ist hier allgegenwärtig. Dafür ist die Stadt gleichzeitig ehrlicher, was man ihr hier hoch anrechnen will. Die Unterschiede zwischen arm und reich werden, wenngleich im Übermaß vorhanden, vielfach auf Attribute der Fassade reduziert. Man möchte das fast als Entlarvung wahrnehmen, auch wenn das natürlich reichlich überinterpretiert ist. Das schien mir dennoch der Code zu sein, die Sprache, in der die Stadt flüstert während der kalte Wind über sie hinweg fegt.

Anders als San Francisco, bietet Chicago bedeutend mehr Horizont. Auch für den geneigten Fußgänger. Der Horizont hat in San Francisco oft (sehr) gefehlt. Vielleicht ist es die Kombination aus einer härteren Ehrlichkeit, weiteren Horizonten und den Inkonsistenzen in den Fassaden, dass die Stadt immer etwas mehr spiegelt, als vielleicht sogar gesund wäre.

Jedenfalls wurde das auch künstlerisch eindrucksvoll in Szene gesetzt.