Akolythen und andere Reinkarnationen

Halbschlaftrunken lassen sich tausend junge Akolythen des Unfugs erheben, durch die Unfähigkeit des Zugangs getrieben und glauben, dass kleine, lustige Rollenspiele irgendwas ins Leben, nunja, we®ben. Tradiert werden Konzepte, reines Gutes, reines Böses und natürlich die Mischformen, weil, klar, wenn Schwarz, wenn Weiß, dann Graustufen. Vermengen-Lehre einer Pseude-Analogie, die nichtmal Oberflächenmerkmale aufweist. Dualisten, allesamt einer Dialektik verschrieben, die’s nie gab. Das kann erheitern, wenngleich auch etwas zynisch. Also in etwa so, als glaubte man immer noch, dass die Batikbewegung (oder andere von der Haute Couture gestaltete Subkulturen, z.B. Punk) keine primitive Modeerscheinungen sondern eine Gesinnungsausbrüche seien. Harmlose Revolutionen. Jeder sollte sich eine zulegen. Damit verbaut (~verbraucht) man sich’s dann. Mitunter vollständig. Das “Huuu, sind wir guuuut” oder das “huuu, sind wir böhöhöööse” ist ebenso langweilig und ebenso komplett identisch und untereinander vertauschbar. Als bestünde die Welt aus Mannschaftssport. Dann hält man sich für nen Baumliebhaber oder noch besser: die fünftausenste gleichzeitig lebende Reinkarnation von Maria Callas (für die sich mehr als die Hälfte angehender Sängerinnen unbestätigten Gerüchten zufolge nach heimlich ausgeben soll). Und man hat natürlich gleich mit dem Erzengel oder den entsprechend anderen Dämonen gesprochen. Die kamen dann vorbei, auf einen Tee. Klar, wer wäre schon gerne die Reinkarnation von “’s Meiers Paule”, Knecht auf dem Gutshof zu Klebelingen oder so. Obschon mir der Gedanke dann doch zwei Gramm besser gefällt als mir die Cäsar-Seele mit ein paar Millionen anderen Möchtegern-Helden zu teilen. Man kann auch glauben, einer der nicht lebt wie man will, möge als Ameise wieder geboren werden. Schlechtes Karma halt. Aber wer befindet denn schon darüber? Der Asketen-Praktikant, dem sein Leben lang die Askese nie gelungen ist? Dann doch lieber “der Bettler am Straßenrand”. Aber es gibt ja Strömungen, die wir zwischen den Seilen entdecken: Hauptsache jeder kann “der Auserwählte” sein, und sei es auch nur der “auserwählt Gepeinigte” oder sonstwas besonders Herausragendes. Ist nicht ganz so leicht, das richtig zu verstehen. In erster Linie könnten wir nun annehmen, dass sich all’ das entfaltet, weil in üblichen Umwelten so wenig Platz für das Heiligtum “Ego” sei (wäre es da nun ein erleuchtetes oder geschundenes ist da wie schon erwähnt ganz egal). “Gibt es einen Platz für mich da draußen?”, tja und “Gibt es einen Platz für mich da drinnen?”.

Fragen über Fragen, die natürlich beantwortet werden sollen, wie in jedem Fishing-Fo(u)r-Compliments Contest. Klingt auch alles viel besser als der Meanstream. Na, jedenfalls besser als all der andere Mainstream. Dann kommen da noch die Partnerschaften. Wenn man, oh ja, erst seinen Seelenpartner gefunden hat, klar, am Supermarkt an der Ecke. Der war da halt. Weil, naja, das Schicksal, gut, alles irgendwie zusammenführt. Da war dieses erleuchtete Klingen in der Luft. Wenn’s nicht klappt, hat man wenigstens ganz ordentlich was zum Rumheulen. Tief und auf das erschütterndste melancholisch, versteht sich von selbst. Das ist ja nun auch wesentlich elaborierter und längst nicht so verworfen, wie ein völlig banales aber durchaus ehrliches: “na, ich war halt geil”: Bloß, was wäre nun daran so schlimm? Na, die Umgangsform natürlich, weil’s alles im Sinne der halbreinkarnierten Dreiviertelgötter orchestriert werden muss—oder wer hätte nun gerne Mozarts Geschlechtskrankheiten geerbt oder die Vielzahl bach’scher Kinder? Tjaha, da fängt’s dann an. Etwas darf nicht einfach nur gut tun, es muss auch gleich einen meta-kosmischen Sinn haben. Vielleicht sollten wir mit dem Olymp (oder irgend einer anderen in diesem Sinne wesentlichen Instanz) mal verhandeln, dass wir immer nur den Personenkult vererbt bekommen. Das wäre einfacher.

Dann gibt’s die, für die alles in einem Wochenende erlebt sein muss. Arkanes Geplapper für 1320 Euro, wieder ist man auserwählt, erlesener Kreis allemal, Arztgattinnen nicht selten. Dann ist man, hat was, wurde nichts aber darauf kommt’s nicht an. “Jaklar, jetzt muss ich mal so richtig an mir arbeiten in nächster Zeit” und “das ist jetzt so ganz zentral Thema”. Dem im Grunde uninteressanten Leben wird mithin ein Anstrich verliehen, der ein Dasein zu rechtfertigen vermag, das genau genommen von Haus aus keiner Rechtfertigung bedarf. Plausibilität ist so einfach. Natürlich hat man Erlebnisse in einem wohlgestalteten Raum, bei einem Sonnenaufgang (auch, wenn die Sonne streng genommen gar nicht aufgeht). Darin klingt dann das wahre, und was bei der Gelegenheit wichtig ist: Alles andere ist nur Schatten. Wurde man doch soeben wieder erleuchtet. Bis zum nächsten Wochenende? Dann werden wieder neue Siegel gebrochen. Diesmal aber endgültig die richtigen.

Üblicherweise schließe ich mein Pamphletum Laberum mit einem Fazit ab, mit einem Ausweg. Aber den kann’s heute nicht geben. Aber für 1320 Euro können wir da gern mal in einer geräucherten (oder für die anderen: geschwefelten) Umgebung drüber reden, nicht wahr? Andererseits macht selbst denken auch klug. Das wäre doch mal ein selbst gebastelter Ausweg—wenngleich etwas anstrengender. Für mich jedenfalls ist klar, dass “fühl den Ippon” (Sensei Marijan Glad, Gundelfingen, 2007) eine der signifikanten Auf- und Anforderungen des Jahres 2007 war. Ganz ohne immenses Dahinter. Aber dafür mit einer Menge davor. Bleiben noch ca. 200 Millionen Durchgänge dieser einen, einen, einen Bewegung. Und die schaffe wenigstens ich nicht an einem einzelnen Wochenende. Vielleicht aber fühl ich den Ippon dann mal. Oder auch nicht.

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Datum: Samstag, 5. Januar 2008 10:25
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