Ebengeistig Minne machen

Was immer der Wahnsinn noch mit mir vorhat. Das bleibt nach wie vor schwer auszumachen. Eindeutigkeiten sind über die Zeit häufiger geworden, willkommener im Gegenüber und führen dabei insbesondere zu unvermuteten Höhenflügen. Da mag man’s hier schwer haben und dort etwas leichter, alles bleibt und bebt. Eine Glückssträhne, die ein Leben weilt und doch bleibt. Ich frage mich selbst schon lange nicht mehr nach der Rechnung. Auch nicht, ob das wohl verdient sei. Das ist einfach so. Vielleicht ist es, so wie es die Große sagt, einfach Zufall. Vielleicht ist mir auch etwas zugefallen. Aber das sind nur marginale Spitzfindigkeiten, die ich andernorts ja schon als albern verurteilt habe.

Ebengeistig Minne machen


Da wird ein ganzes Land plötzlich zum inhärenten Symbol für ein Wagnis. War’s hier noch Brasilien, dort Australien, ist es in freundig-erwartbarer Übereinstimmung dann wieder Irland. Das Prinzip bleibt. Offenbar liegt uns das Exotische in einer komplexen Form mehr als in der platten Ausführung auf Pauschalreiseninternetportalen (die wirklich allesamt schreiend unübersichtlich und sehr sehr unergonomisch sind—aber das ist ein anderes Thema). Auf manch eine Wiederbegegnung muss man erst zehn Jahre warten. Auf eine andere einen Tag. Sehnsüchte sind nicht linear und sie sind auch nicht relativ. Wer hier relativiert, ist bereits mindestens einen üblen Tod gestorben. Wer ungefragt tradiert, der natürlich auch. Was schreibt er bloß wieder? Ist er nicht Wissenschaftler? Ist da nicht alles relativ? Ja, das sage ich Euch heute, das Leben eines Wissenschaftlers ist schon arm und übel. So völlig emotionslos vor sich hinbasteln—im luftleeren Raum ohne Bezug zur Welt. Es gäbe also keine Romantik, weil ein Sonnenaufgang kitschig ist. Man könne nicht romantisch sein, weil es keinen Sonnenaufgang gäbe. Man könne ihn nicht genießen, weil man sein Phänomen durchschaut. So dummdreist muss man erstmal sein! Zu glauben, es bedürfe gesteigerter Erkenntnis um zu erkennen, dass es ihn nicht gibt. Und sich im schlimmsten Fall dann sogar noch intellektuell überlegen vorzukommen. Situationen wie diese lassen mich peinlich berührt zurückstehen. Auch wenn, nein, gerade weil ich Pauschalreiseninternetauftritte verachte.

Derweil genießen Entscheidungen Reaktionen, die ganz offensichtlich auf Furcht aufgebaut sind, Konjunktur, während ich dabei sitze und hin und wieder sogar lächeln darf: Ebenerdig oder besser noch: Ebengeistig meine Lyra auspacke—wenngleich leider nur die metaphorische. Eine Echte habe ich derzeit nicht. Nicht, weil mir das platonische Element daran so wundervoll gefällt, sondern weil das für den Moment einen Ausweg schafft (und das nicht mal für mich). Nein, genauer betrachtet erscheinen mir die platonischen Entwürfe attraktiver Begegnung irgendwie lügenbehaftet, stumpf fast. Schwing’ die Lyra kleiner Mann, Per-Sona, Per-Sönchen, Söhnchen. Auf dass sie sich zum Tanz fein drehen. Oder drehen und wenden, wie auf einem rostig gewordenen Grill. Wer hier länger liest wird wissen, dass es hier kein Fazit gibt. Wer aufmerksam hingehört hat wird auch verstehen, dass es gar keins geben kann. Am Ende, und darum geht’s ja auch in der Minne, zählt das was übrig bleibt. Um nicht zu sagen: was vom Glanz abfällt. Diese Welt ist unglaublich großartig. Nicht nur, aber eben auch wegen dieses immensen Widerspruchs, den sie (erstaunlich beständig) selbst erzeugt.

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Datum: Donnerstag, 6. März 2008 11:26
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