Das Ganze und die Summe
Der Spruch, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile, ist aufgrund der dummen Kontexte, in dem er immer wieder verwendet wird, eigentlich zerstört. Das ist schade. Gerade weil die Aussage ursprünglich einen sehr ästhetischen Kern hatte. Ich will nicht näher darauf eingehen, jedoch übersetzt er sich auf Feld, im Wald und auf der Wiesen an solchen Stellen eher mit: “Weil wir zu faul und/oder zu dumm sind, Dinge wirklich ausführlich und hinreichend zu beschreiben, sagen wir einfach, dass man nichts beschreiben kann (weil’s ja vielfältig ist und so) und brauchen noch irgend einen dummen, romantisch klingenden Spruch, der unsere Ignoranz auf charmante Art zu verschleiern weiß.” Eigentlich ermahnt der Spruch das Gegenteil. Man solle sich nämlich nicht allein mit Einzeleffekten und monokausalen Zusammenhängen zufrieden geben, sondern ganze Systeme beschreiben. Aber dann muss man sie eben auch beschreiben. Und das ist, wie meine Studierenden im laufenden Semester gelernt haben, ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Aber es ist möglich und das Erfolgserlebnis nach Abschluss gigantisch—weil man zur Abwechslung wirklich etwas aussagen kann.
Nun sind andererseits Summen in vielen Kontexten höchst spannende Konstrukte, und nicht immer sind sie arithmetisch einfach. Da kann man dann schonmal ins Träumen geraten. Gut, dass einen hier und da jemand wieder auf einen realistischen Grund und Boden zurückholen kann. Naja, zumindest gut, dass es versucht wird, selbst wenn ich mich immer mal wieder als hinreichend beratungsresistent erweise.