Ein sehr altes Mosaik

Die Reise nach Kreta ist ja nun schon wieder etwas her, dennoch sind natürlich nach wie vor Dinge offen, die es vielleicht wert sind, erzählt zu werden. Ich laufe, wie jeder, oft an grauen Steinen vorbei. In der Regel bleiben sie das. Wenigstens so lange, bis jemand sagt, dass eventuell etwas besonderes an ihnen sei. Wissen allein erhebt sie dann in den Status des Betrachtungswürdigen oder Erinnerungswürdigen. Wenn real betrachtet, kommen noch jene Konnotationen hinzu, die dem Objekt hernach so viel Unterschied zu vorher verleihen, dass viele Mühen lohnend erscheinen um—betrachtet man es ahistorisch und ohne jede Ästhetik—einen grauen Stein anzusehen. Das folgende Objekt jener Gattung sei nichts weniger als Europs erstes Mosaik. Und so grau ist es gar nicht.

Knossos Mosaik des Minos

Meine Reisen in die Vereinigten Staaten haben mich zwar im Hinblick auf Superlative desensibilisiert, es gibt dort ja immer gleich mehrere. Aber es soll mir reichen, wenn dieses hier einfach sehr, sehr alt ist. Wenigstens vor dem Hintergrund europäischer Geschichte. Die Asiaten mögen da wieder schmunzeln. Das Mosaik liegt auf dem Boden des zu einem Großteil aus Beton und mit viel romantischer Phantasie rekonstruierten ehedem minoischen Palasts von Knossos. Unsere ortskundige Scholarin war nicht immer einer Meinung mit dem Archäologen. Tatsächlich war sie damit sogar sehr unterhaltend. Sie hat und jedoch immer beide Lesarten gezeigt. Und, ich muss es laienhaft zugeben, nicht selten erschienen die archäologischen Positionen etwas absurd. Mit der alten Mythologie kannte man sich, wie oft in Griechenland, sehr gut aus. Orthodoxen Klöstern ist es im wesentlichen zu verdanken, dass viel davon erhalten blieb und später der Öffentlichkeit zurückgegeben wurde. Viel phantasievolle Ausschmückung hat sich Arthur Evans bei der Rekonstruktion insgesamt erlaubt, wie man hier im Thronsaal sehen kann:

Knossos Thronsaal

Und ich kann mir in der Tat vorstellen, dass man sich in Fachkreisen darüber vortrefflich streiten kann, und überhaupt das ganze Gebilde vielleicht für einen Affront gegen die hermeneutische Kunst hält. Als Laie “dritter Ebene” freue ich mich trotzdem über etwas mehr Fleisch auf dem Skelett. Man wird andererseits während der ganzen Tour das Gefühl nicht los, die ehrenhaften Herren Rekonstrukteure hätten sich eventuell dazu hinreißen lassen, hier und da ein paar essentielle Dinge mitgehen zu lassen. Nur so ein Gefühl.

In der Festung Knossos kannte man nicht nur Toiletten (gute 3000 Jahre vor Versailles, neuer Palastbau um 1600 vor), sondern auch zweifach Abwasser (Regenwasser und verschmutztes Wasser) und ein Röhrensytem für fließendes Zuwasser, auf das man lapidar heruntersehen kann:

Knossos Zuwasserroehren

Letzteres hat mir schon beim zweiten Gedanken komplett die Sprache verschlagen: Drei verschiedene Wassersysteme. Zum Schluss gibt es dann noch einen Superlativ. Es sei die älteste befestigte Straße Europas, die hier zum Nebenpalast der Ariadne führe.

kreta2009_knossos_strasse

Ob’s stimmt? Es fällt jedenfalls nicht schwer zu glauben.

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Datum: Samstag, 20. Juni 2009 8:03
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