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Almosen. Gar nicht so schnöde, dieser Mammon?

Dienstag, 4. Februar 2014 9:58

In der Zwischenzeit. Könnte auch so stehen. Weil jemand Ellipsen mag. Ich zum Beispiel. In der Zwischenzeit ändern sich einfach mal wieder wesentliche halbinterne Parameter. Kann also rum jammern, oder es lassen. Semesterende für den Prof im Praktikum. Nein, das ist keine Teilpersönlichkeit, der ich eine Rolle zugewiesen habe. Es ist die Maske der Person, Pherson, das Ding zwischen dem, was ich als zu mir gehörend zu empfinden gelernt habe und dem, von was ich immer noch glauben muss, dass es irgendwo draußen ist. Die Bezüge sind immer noch nicht graduell. Auch weil vor allem mein Beruf mich dahin führt, immer wieder halbdurchlässige Hürden zu entdecken. Mann, Fisch und Schnaps in enger Verkleidung. Wer folgen möchte, folgt. Bitte nicht sagen, man sei nicht gewarnt worden. Die Warnung ist nicht meine Aufgabe; nicht mein Club. Entscheidungsfreiheit, einmal höchstes Gut (wer hier nicht merkt, dass er/sie de facto so gut wie aufgeklärt ist, also böse), einmal darum eben Einfallstor des Bösen.

Aber im Ernst?! Wer glaubt das denn?

Wer glaubt denn, dass der Moment des Erkennens wahrlich der tiefe, lange Sündenfall ist?! Rechtfertigung hat ja der Mammon, und das ist schon so gebetsmühlennaiv, dass man es echt nicht mehr gesagt bekommen möchte. Wir sind doch viel, viel mehr Phönizier, und gerade deren Kultur halten wir gleichzeitig entweder für ausgestorben. Oder wir haben wahlweise überhaupt keine Meinung dazu. Schaut einfach mal so drauf, wen wir ernsthaft für erfolgreich halten, wen wir als erfolgreich feiern und von was wir uns vorsichtig abgrenzen. Sagen wir mal mit einem dreifach lustigen: “So schlecht geht es uns doch gar nicht.” Und dann sind wir obendrauf noch Demokraten. D.h., wir haben’s so gewollt. Nur ist es lustig, dass belächelt wird, wer das in Frage stellt. Außer entsprechende Würdenträger, zu deren Rolle es gehört, sich (bitte, bitte erfolglos) gegen die Bewegung der Welt zu sträuben. Werd’ einer also Funktionär, oder klinke sich wohlbelächelt aus, werde weich und sanft—was anderes sei unethisch—und gefalle dem Hecheln nach dem Almosen, überhaupt gut sein zu dürfen. Denn das ist ein Privileg, man soll sich da nichts vormachen.

Ich kenne viele unglaublich gescheite Kolleginnen und Kollegen. Und alle davon leben von den Almosen aus dem Sonstwo, die sie, mit dicken, langen Bettelbriefen an seltsame Verlage (das kleinere Übel) und an noch viel seltsamere Organisation (das größere Übel) irgendwie über ein halbes Jahr retten sollen. Bitte, mein lieber und tief verehrter Herr Albert Einstein, erinnern Sie sich daran, wie planbar Ihre Innovationen waren, wie sie in Kennzahlen zu fassen, Ihren Freunden, den Bürokraten, als Planbarkeits- als Machbarkeits- oder gar als Steuerungsindikatoren zu präsentieren gewesen waren. Unterwürfig, versteht sich. Damit die Regularie den gescheiten Gedanken endlich in der Planbarkeit aufnimmt. Wie man Sie dazu gezwungen hat, lauter Unsinn von sich zu geben, weil und, nein, besser: damit Sie einstweilen die Zeit für Ihre Ideen bitte nicht mehr so chaotisch aufzubringen im Stande gewesen wären. Sie küren den Großteil der Titelseiten, wann immer man über Intelligenz spricht, waren offenbar nicht gut in der Schule (prognostische Validität und so), und vielleicht, lieber Herr Einstein, vielleicht wären Sie heute ein Verlierer. Und vor diesem Hintergrund muss ich mich entweder (aus zwei diametral verschiedenen Gründen) dafür schämen, dass ich es überhaupt noch versuche, mich damit auseinanderzusetzen. Nämlich weil ich damit eine Selbsteinschätzung vornehme, die herauszunehmen ich mir bitte nie zur Persönlichkeit gedeihen lassen möchte—und dies natürlich eigentlich auch niemals so in Angriff nehmen will. Andererseits aber schon, weil das an sich und sich hingebende Vorgehen dem Bürokraten verständlicherweise ein wahrer Gräuel sein muss. Qui bono (außer U2 jetzt halt, konnte nicht widerstehen)?

Mir fiel ein Buch wieder in die Hand von irgend einem Arzt, in den 50ern tatsächlich publiziert. “Über die Dummheit”. Absurder Quatsch, würde ich sagen. Aber andererseits wird’s immer weniger absurd, weil diese Art zu argumentieren längst wieder solonfähig wurde. Ganz bitter und bitte ohne Lemon. Und nun?

Jetzt muss ich, in Ermangelung einer echten Alternative, versuchen so gut zu sein, den ganzen echten Laden im Hinterhof wieder aufzubauen. Damit es noch Sündenfälle geben kann, und man sich vorzüglich und mit wieder gekehrter Entzückung an der geplanten Dummheit vergehen kann. Ja, dann, wenn erst, sollte doch, hätte nicht, wollte aber. Luftschluss Luftschloss, Endstation Station, meine Lieben, zum Schluss einmal mehr. Aber auch eben nicht weniger. Ist jemand dabei?

Thema: Politik und Gesellschaft, Staunen und Zweifeln, Wissenschaft | Kommentare (0) | Autor:

Eine Ära geht zu Ende

Mittwoch, 23. Juni 2010 22:18

Heute, endgültig. Ganz heimlich, leise, während viele nichtsahnend sich der Sonne hingaben. Zum Glück war es eine Schöne, die Letzte. Nicht insgesamt, es war auch gar nicht meine. Die ist lange her. Dennoch ging sie ans Herz. Sehr sogar und  der KoNtExT war erst danach so richtig deutlich und klar. Ich werde pathetisch. Das mag ich sonst nicht. Ich werde nostalgisch. Das mag ich eigentlich noch viel weniger. Traurig auch. Denn sind die Gebäude auch die Gleichen, die Hallen noch in ähnlich weiches Licht getaucht, so ist doch alles anders. So, als habe ich irgendwo lange gewohnt und kehre nach Jahren wieder zurück. Natürlich verändert der Nachmieter alles. Manches vielleicht sogar zum Guten, wer vermag es endgültig zu beurteilen. Aber ich werde mich da nicht mehr auf die gleiche Art zu Hause fühlen. Jetzt, wo er nicht mehr da ist. Der mit dem spitzen Hut. Den Hut, den nicht mal der Kostümverleih noch in originaler Nachempfindung wirklich auftreiben kann. Die vertrauten Situationen, die vielen lachenden Momente, die wiederkehrenden Ärgernisse und wie wir uns damit arrangierten. Manchmal scheint’s fast wie ein Sieg der Bürokraten, und mag man auch versuchen und das Lächeln und die fragenden Gesichter des Nachmieters erkennen, zu schätzen, mehr noch, ja, fast zu lieben lernen. Ein stilles Echo, lautlos fast, und fühlt sich kalt an. So nah.

In Reflexion und Belesenheit hat Simone Pflaum eine sehr schöne Prüfung bestanden und uns gleichermaßen einen Rückblick geschenkt. Eine Prüfung, die in mehrfacher Hinsicht besonders war: Sie ist die letzte angehende Magistra meines so geliebten Fachs in Freiburg. Dank Dir, dank Euch, Ihr verrückten Freigeister und Wahrer der komplexen Ideen. Es war eine schöne Zeit mit Euch. Ich werde mich mit einem Lachen an die schöne Zeit erinnern, wenn ich Euch hier und da begegne.

Indes flattern die behavioralen Belege externaler Motivierung, die Prüfungslisten und Anwesenheitslisten, die Abrechnungen und schnellen Kassen der neuen Zeit rings und quer über meinen Schreibtisch, gleich doppelt ähnlich einem Sieg der Bürokraten, deren verdrehte Revolution kaum aufzuhalten scheint. Ware, Trademark, Ressource, Humankapital. Ich verspreche, ich versuche trotzdem mein Bestes in der Hoffnung es möge genug sein. Denn der Ort, Ihr lieben, verträumten Magister, er ist immer noch magisch. Auch wenn dies nun tiefer als früher vergraben liegt und die Anstrengungen mehr werden.

Morgen fahre ich nach Jena zu einem zweiten Teil eines Blockseminars, eigentlich über Simulation und Planspiele. Dort sitzen zwei handvoll angehende Magister und begegnen mir in im Grunde technologischen Diskussionen mit spontan eingeworfenen Zitaten von Eugen Fink. Man sehe die doppelte Ironie darin und möge sich schelmisch freuen.

Thema: Hochschullehre, Politik und Gesellschaft | Kommentare (0) | Autor: