Auf dem Weg nach Kiel, Teil 1

Auf der Fähre einchecken war ein Kinderspiel. Die Preise für die Überfahrt waren wohl kurzfristig etwas angehoben worden, aus gegebenem Anlass. Daher war der Unterschied zum Meerblick nur noch etwa 20 Euro. Einen kleinen Luxus, den ich mir gegönnt habe. Also beginnt meine Reise, wie ich rausfinden durfte, in der VIP-Lounge der Linie. Der Überblick über die Stadt, die gerade so tut, als seien Sonne und blauer Himmel hier der Naturzustand, lässt den gestrigen Tag noch einmal in der Erinnerung auftauchen. Durchatmen, grinsen, weiteratmen, laufen, grinsen, durchatmen (usw.). Zwei freie Cappuccini und einen Apfel später befinde ich mich auch schon auf dem Schiff. In voller Sonne auf die Abfahrt wartend. Ich senke hier das Durchschnittsalter. Das ist nicht mehr überall der Fall.


Durch die Drehung des Schiffs bekomme ich und alle anderen Reisenden einen letzten schönen Einblick in Aker Bryggen und auf das Rathaus. Oslo wird allmählich keiner. Die Reservierung im Restaurant kommt mir entgegen. Um 21.00 Uhr gibt es dann ein Buffet, zu einem annähernd Mitteleuropäischen Preis sogar. Frühstück sei inbegriffen und in der Observation Lounge. Das wird sicher erinnerungswürdig. Und natürlich gitb’s Duty Free, sogar die Minibar ist inklusive. Nunja, dann wird das Vorspiel (norwegisch für “Vorglühen”) ja umso interessanter, und ich kann mir beim Efüllen der Hausaufgaben vielleicht sogar eine Eins mit Sternchen verdienen.


Das Bild ist nicht montiert. Diese Zeilen wurden praktisch genau so geschrieben. Zimmer mit Blume, Bad mit Dusche. Eingestellt hatte ich mich naiver Weise auf etwas ganz anderes. Ich bekomme ein paar Steuern wieder, weil ich das eine oder andere eingekauft habe. Das Geld gibt’s bei der Rezeption. An Bord wird alles mit Kronen bezahlt. Die Dame klagt Ihr Leid: Die Leute lassen sich Euro auszahlen und wundern sich nachher über krumme Umrechnungskurse. Überhaupt sind meine Landsleute ganz offen extrem unfreundlich. Nicht alle zwar, aber doch ziemlich viele. Was ich die Leute in tiefstem Dialekt das Personal anschnautzen hören musste (wegen nichts und wieder nichts), hat mir glatt wieder den Atem verschlagen. Dann gibt mir die Dame ein Kabel und sagt, ich hätte in meiner Kabine Internet. Ich könnte ja auf Facebook gehen oder so. Ja, klar. Nachher werde ich diesen Text hochladen. Mehr nicht. Aber das ist dann doch zu dekadent ums jetzt nicht zu machen.



Nachdem ein mein Ärger über unverschämte Landsleute fast verflogen ist, gehe ich nochmal auf’s Sonnendeck und fange an die Landschaft zu genießen, schieße ein paar Fotos. Manche auch mit Schiff drauf. Ich möchte ja auch das eine oder andere Foto für Friedemann vorrätig haben. Eine weitere Reise, die sich schon allein aus ästhetischen Gründen lohnt. Mir kommen urplötzlich wieder mehr Ideen, meine Gedanken kreisen um allerlei Neues und Altes, was sich verbinden lässt was nicht. Die Stena Line (vermutlich von Kopenhagen nach Oslo) fährt vorrüber. Winken von beiden Seiten. Schnell wieder vorbei. Die See ist ruhig. Unglaublich ruhig. Fast ein Tümpel. Aber ich bezweifle, dass man auf diesem Schiff grundsätzlich groß mitbekäme, dass man auf dem Wasser ist.

Für Steffi kaufe ich nachher im Auftrag noch einen Duft auf Deck 7. Das scheint sich offenbar doch zu lohnen. Wenngleich ich—typisch Mann halt, und so—nix davon verstehe. Ansonsten gibt’s da eher wenig zu kaufen, für was ich Zielgruppe wäre. Deck 6 und 7 erinnern an US-amerikanische Malls. Faszinierend als Objekt der Menschen-Prozessier-Maschine. Fast so fremd, wie das einzige Casino, das ich je besucht habe (das Horseshoe in Indiana). Ich sehe viele leuchtende Augen. Die gab’s im Horseshoe damals nicht. Beim Cappuccino in der Observation Lounge kam ein “Ten Forward” Gefühl auf. Whoopie Goldberg hat allerdings gefehlt um die Sache perfekt zu machen. Jetzt bin ich gespannt, was der Abend und der Sonnenuntergang noch anzubieten haben.

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Datum: Donnerstag, 22. April 2010 19:21
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