Vom Über-Wachen

Ich war auf dem Weg auf eine Dienstreise. Der Flieger ging ab Frankfurt so um die 11.00 Uhr. Man muss in Freiburg früh los, um einen solchen Flieger sicher zu bekommen. 5:20 holte mich ein Taxi ab. Der Fahrer hatte nur noch wenige Stunden bis zum Schichtende. Wir sprachen kurz über Sicherheit und die Checks am Flughafen, und er hatte eine interessante Geschichte zu erzählen. Offenbar hat er bei einem Flug ein Fahrtenmesser (also schon was größeres und aus Metall) aus Versehen im Umschnallbeutel vergessen. Die Kontrollen passierte er nach seinen eigenen Aussagen unbehelligt und gelangte mitsamt des Messers in den Flieger. Seither, so erzählte er mir, habe er das Messer jedes Mal mit dabei und jedes Mal mit durch die Kontrollen bekommen. Was an der Geschichte dran ist und wieviel davon übertrieben, das vermag ich nicht einzuschätzen. Dennoch kam mir der offensichtliche Gedanke, der von den Sicherheitsexperten in der Link Reportage der Tagesschau ebenfalls an unterschiedlichen Stellen geteilt wird. Hier wird viel grimmig Aussehendes veranstaltet. Vielleicht weniger, um einer möglichen Kriminalität Einhalt zu gebieten, sondern damit sich Passagiere sicherer fühlen (ohne vielleicht tatsächlich sicherer zu sein). Und wie sollte man auch noch sicherer werden? Gemessen an der tatsächlichen Kriminalitätsdichte könnte man vor jedem Flughafen ein stehendes Heer von 20.000 Sicherheitsbeamten stationieren—man hätte wohl immer noch ein Ungleichgewicht zugunsten des Flugverkehrs. Wenn die Wahrscheinlichkeit, vor einem Flughafen erschossen zu werden, schon bei einem Aufenthalt höher ist als die Wahrscheinlichkeit selbst als Vielflieger überhaupt jemals im ganzen Leben in einer Maschine mit Terroristen zu sitzen (und das ist wohl der Fall), dann könnte man schon beruhigt durch’s Checkin laufen, so man denn die Ankunft am Flughafen überlebt hat.

Die Sache mit den Daten ist da vielleicht schon undurchsichtiger. Als mich vor ca. drei Jahren eine Kassiererin in einem Freiburger Drogeriemarkt entgeistert fragte, warum ich denn nicht längst im Besitz einer Payback-Karte sei (sei doch praktisch), da habe ich ihr geantwortet: “Weil ich meine Daten nicht so billig verkaufe.” Sie hat dann kurz nachgedacht und gesagt: “da könnte was dran sein.” Natürlich weiß ich, dass meine Daten mehr wert sind, als die paar krümeligen Cent pro erfasstem Einkauf. Die Gewinnspanne des Unternehmens muss gewaltig sein. D.h., wenn die mir ein vernünftiges Angebot machen, dann komme ich vielleicht darauf zurück. Aber für das lausige Almosen? Auf keinen Fall. Auch immer wieder lustig ist die Frage (verzeihung: eher befehlsförmige Nötigung) durch eher aufdringliche TV-Werbung bekannter Elektronik-Diskounter (die natürlich stets teurer sind als alle anderen, aber wer merkt das schon?): “Ich brauche dann noch ihre Postleitzahl!” Als sei es ein notwendiger Teil des Buchungsvorgangs. “Aha, und wofür brauchen Sie die?”. “Für die Statistik!” Achso, naklar, hätte ich mir ja denken können (= um nach Stadtteil lokalisierte Werbung drucken und verteilen zu können). “Nein”, sage ich, ohne weiter zu begründen. Schließlich möchte ich jetzt doch hier weg. Aber von wegen! “Ich brauch’ das aber, für die Statistik. Sie müssen mir ihre Postleitzahl sagen.” Ich muss genau was muss ich? “Nein”, sage ich immer noch höflich, “das muss ich nicht. Andernfalls trete ich vom Kauf zurück.” Warum ich das denn nicht einfach sagen könne, ich merke doch, dass ich hier den Ablauf aufhalte. Das seien doch gar keine persönlichen Daten. Ich sage “weil meine Daten nicht umsonst sind” und blicke in fassungslose Augen, Kopfschütteln, Blick zum nächsten Kunden. Na, wer glaubt jetzt zu ahnen, wie gerne ich hier wieder einkaufen gehe?

Nicht uninteressant, wie die Tagesschau das hier angerissene Thema anfasst. Die Reportage hat eine nachvollziehbare leichte Positionierung innerhalb der Interessen. Da diese Positionierung mich in guten Teilen anspricht, hat’s mich gefreut. Noch fairer wäre es, es als Versuch einer Balancierung auszulegen, die durchaus gelingen kann. Dass Herr Arzt mit seinen hingebungsvollen Aktionen dabei (leider) nicht als medienversiert hervorgeht, ja, gelegentlich gegenüber seinen Kontrahenten sogar unvorbereitet wirkt, mag man ihm nicht nur verübeln. Vielleicht muss er seine Ansichten selten so pointiert und schnell formulieren.

In meinen Augen sind alle vier Teile der Reportage mehr als sehenswert. Zur Erinnerung aber auch zur Information:

Link Tagesschau: Videoserie Alltag Überwachung

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Datum: Dienstag, 6. Februar 2007 16:40
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3 Kommentare

  1. 1

    Meiner Meinung nach kann man gar nicht paranoid genug sein. Die Jahre des Informatik-Studiums haben dazu eher weniger beigetragen als das eifrige Lesen von Newsgroups und das generelle Surfen im Internet. Verschwörungstheorien sind mit Sicherheit blanker Unsinn, allerdings entwickelten diese Berufsparanoiker schon vor Jahren Szenarien eines Datenklaus und entsprechender Verwertung, die es heute offenbar sogar schon in die Mainstream-Medien wie der Tagesschau geschafft haben. In den bekloppten Theorien so mancher Internet-Community vor einigen Jahren wurde statt der Konzerne zwar der Staat als der Schuldige ausgemacht, von dieser Variable abgesehen sind einige Parallelen aber nicht von der Hand zu weisen. Und schließlich weiß jeder, der mal Shadowrun gespielt hat, von der Macht der Konzern-Zukunft und den Schwierigkeiten der SIN-losen 🙂 Praktische Übung für den Datenverweigerer: Einfach jedes Mal ne andere Postleitzahl angeben, wild erfunden.

  2. 2

    Die “Berufsparanoiker” kommen auch im Tagesschau-Bericht vor, haben darüber hinaus inzwischen durchaus seriöse Organisationen gegründet. Und die nicht unberechtigte Sorge vorm “gelegentlichen” Mißbrauch von staatlichen Organen bleibt dabei bestehen. Man achte dabei auf die aufgeworfene Frage zum Konformitätsdruck im Zusammenhang mit dem RFID-Thema. In der Recherche kommt das nicht zu kurz, wohl aber natürlich in meinem eher anekdotenhaft und kaum mit journalistischer Finesse geführten Blogbeitrag. Daher: es lohnt sich, nochmal in die Quelle reinzuschauen. Darüber hinaus sind Berichte wie diese in der ARD nicht wirklich neu (ich meine mich an Beiträge in entsprechenden Magazinen zu erinnern), wenngleich sie seltener zur Primetime der eigentlichen Tagesschau laufen, sondern eher wie hier interessensgerichtet im Netz präsentiert werden. Ich habe den Eindruck, man ließ die Kritiker dort schon immer auch zu Wort kommen. Oder sehe ich das falsch?

  3. 3

    Ich finde es erstaunlich, mit welcher fast schon blasierten Überheblichkeit und welchem Unverständnis man konfrontiert wird, wenn man an dem schon allgegenwärtigen “Daten-auf-den-Tisch-Lege-Spiel” nicht partizipiert. Schliesslich, was ist schon eine Postleitzahl? Die Kassiererin verschwendet nicht eine Sekunde den Gedanken daran, dass z.B. nach einem zeitlich übersichtlichen Abschnitt Peergroup-platzierte Hochglanzbroschüren mit z.B. neuen Computerspielen in einen Stadteil einflattern werden, in dem es möglicherweise eine hohe Bevölkerungsdichte von 12-25 jährigen gibt.

    Zufall, dass ich über Email (dank sei der guten Rückzahl-Bonus-Karte) etwa einmal im Monat zu einem möglicherweise kaufkritischen Zeitpunkt Informationen über neue Damenprodukte bekomme, jetzt noch stylisher und mit Aloe Vera, luftdurchlässig, jedes Vierteljahr in einem neuen Design aber definitiv ist immer Pink dabei?

    Und das sind die Lappalien. Möchte ich, dass es möglich ist, dass vor Abschluss einer Lebensversicherung meine Daten abgerufen werden, welche Gesundheitspräparate ich die letzten Jahre in welchem Turnus gekauft habe und auf welchen Internetseiten ich mich bezüglich verschiedenster Erkrankungen erkundigt habe? Ob ich es überhaut noch wert bin, versichert zu werden oder eher ein gesundheitliches Verlustgeschäft bin?

    Finde ich die Vorstellung toll, in London durch die Straßen zu flanieren und mir zu überlegen, dass man mir dank Blair’schem Überwachungswahn und neuester Überwachungstechnik grade durch meine Unterwäsche starrt?

    Jeder ist verdächtig bis seine Unschuld bewiesen ist.
    Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich hatte das anders in Erinnerung…

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