Ausstellung: Eros in der Kunst der Moderne

Eine umfassende und gut komponierte Ausstellung ist der Fondation Beyeler unter dem Titel “Eros in der Kunst der Moderne” gelungen. Im Wesentlichen sehen wir Malereien, Photographien. Bildhauereien und Plastiken und auch Videos folgen. Ein paar wenige Installationen sind zu bewundern. Wenn Picasso sagt, Kunst sei niemals keusch und man die Rezeption der Werke nachschaut, so ensteht zunächst der Eindruck, dass Eros zu einem verbundenen Teil der modernen und zeitgenössischen Kunst geworden sei. Während es vor dem Hintergrund von Picassos Biographie kaum Zweifel geben dürfte, dass darin eine Haupttriebfeder eben auch für die seine Kunst bestand, so eröffnet der Gang durch die Zusammenstellung noch weitere Einblicke. Es gibt Leute, die behaupten, alles sei gezeigt und gesagt. Während vielfach aufgedeckt wird, Novum durch Aufzeigen und Zeigen, so bleibt doch eine nicht zu übersehende Distanz. Die zum Teil mit wunderschöner Ironie inszenierte Distanzhaltung des Betrachters (den Beobachter zur dritten Person wandelnd) bewegt sich dabei noch, spielt vor allem mit der Neugier und bewegt sich elegant durch Vieldimensionen. Da wird man regelrecht berauscht: von so viel Perspektiveveränderung. Eine für mich überraschende Konstante war indes eine sehr große Distanz zwischen jenen, die sehen und jenen, die gesehen werden. Hier hätte ich, um noch einmal auf Picasso zurück zu kommen, weniger Keuschheit erwartet. Vielleicht schafft es Dali mit einem illusionistischen Augenzwinkern in Ansätzen uns zu zeigen was (sich) da bewegt. Andererseits wissen wir ja auch ungefähr, was notwenig war um diese Durchgänge zu schaffen. Prophetisch und im Rahmen der Ausstellung so herzerfrischend zynisch, dass man sich ein herzhafteres Grinsen gar nicht verkneifen mag: Paul Delvaux “La Vénus endormie”. Wie viel Grübeln zwischen Modell, Werk und Publikum dem Maler hier offenbar wurde, lässt sich unschwer sehen. Man beginnt sich unter den Betrachtern umzusehen und könnte diese bewegende Komposition durchaus als Teil manch einer Installation im Dienste des Themas verstehen. Und Ernst Ludwig Kirchner, der einen erneut sehr entfernenden (und entfernten) Blick auf die “im See badenden Mädchen” wirft, zeigt uns die Distanz ganz direkt, ganz ehrlich, wie mir scheint. Etwas Vergleichbares habe ich noch in intensiverer Form mit seiner “Bäuerin mit Kind” erlebt (nicht Teil der Ausstellung). Einen der wenigen bereits vorhandenen Brüche durch die Distanz schafft Rebecca Horn mit dem “Kuß des Rhinozeros” mit der Hilfe großer Mechanik und hinreichend elektrischem Funken. Inspirierend wird die Ausstellung daher, weil klar wird, wie viel noch versucht werden darf—auch gerne im Sinne von “Versuchung”. Wenn wir Glück haben, dann gelingt es auf bisher unbekanntem Weg die Bezüge zwischen Werk und Betrachter und jene zwischen Künstler und Welt noch organischer zu gestalten. Hier bleibe ich mehr als gespannt. Die Austellung selbst ist von vielen Inspirationen durchzogen, im Anbetracht der Reichhaltigkeit nie an einem Tag zu schaffen, es sei denn man spaziere um des Spazierens willen hindurch.

Link Foundation Beyeler
Link Portal Kunstgeschichte, Rezension
Link Art TV, Eros – Rodin und Picasso

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Datum: Samstag, 17. Februar 2007 11:17
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