Der Sequenzer als Instrument

Eine technisch-historische Beschreibung des Sequenzers läßt sich leicht nachschlagen, z.B. hier:

Nachschlagen http://de.wikipedia.org/wiki/Sequenzer

Heutige Sequenzer können jedoch entgegen der Darstellung sehr wohl auch Tonaufnahmen realisieren (so ähnlich wie ein vielspuriges Tonbandgerät). Hier sollen ein paar Ideen diskutiert werden, wie man ein solches Gerät als Musikinstrument einsetzen kann und worin da genau der Reiz, beispielsweise für ein Life-Konzert besteht. Es ist nicht gleich offensichtlich, warum man den Sequenzer—eigentlich ein Gerät zur exakten Wiedergabe von Tasten- und Tonmanövern—auch als Instrument einsetzen kann; nicht mal warum man ihn überhaupt so bezeichnen kann. Als Instrument ist er ebenfalls vielfach in modernen Ensembles eingesetzt worden, sowohl in der populären Musik als auch in experimentelleren Varianten. Oft wird er auch nur zur Wiedergabe eines Playbacks eingesetzt; dabei wird dann auf keine Eigenschaften der Musik mehr life Einfluss genommen. Hier gibt es nur noch ein paar tontechnische und bühnenorganisatorische Vorteile, nicht gleich alles von einer CD abzuspielen. Zunächst einmal vermag ein Sequenzer, wozu kein Mensch in der Lage ist. Immer wieder etwas in genau der gleichen Art und Weise wiedergeben. Im Grunde, wie von einer Aufnahme und erfüllt somit ein lang existierendes Ideal, der exakten “intentionsgenauen” Wiedergabe von Kompositionen. Nachdem die Möglichkeiten der Aufnahme da waren, stellte man natürlich schnell fest, dass so etwas durchaus langweilig ist. Das “Menschliche” fehlt bei exakter Reproduktion. Übersetzt bedeutet das: es fehlt die Überraschung, etwas Unerwartetes, das einen in Staunen versetzt. Ist die Reproduktion in den Händen eines Menschen zumindest noch eine handwerklich bewundernswerte Fähigkeit, so wird sie bei Maschinen kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Ein reproduziertes Ergebnis ist hier ja gerade das, was wir erwarten. Es fehlt das Neue, das Überraschende. Wir finden in der Begegnung mit Musik nach einiger Zeit heraus, dass auch Interpretation als wundervolle Ergänzung zur Komposition, nicht in einer vorherbestimmten Weise zur Perfektion gebracht werden wird. Spiele ich nun ein klassisches Instrument, so gibt es Angelegenheiten der Musik, die ich versuche sehr exakt wiederzugeben. Andere Dinge unterliegen meinem Gutdünken, meiner Laune, der Stimmung, der Zeit, dem Kontext, dem Raum etc. Ein Sequenzer ist nun auf wunderliche Weise ein “Instrument, das bereits im Spielen begriffen ist”. Es würde Klang wiedergeben, Musik, wenn wir so möchten—gerade so, wie wir es zu spielen “gelehrt” haben. Ich werde den Sequenzer konsequenter Weise im Konzert daran hindern müssen, meine Komposition exakt wiederzugeben. Die Interaktion besteht also im Konzert darin, Interpretation wirklich werden zu lassen. Das hat im Sinne des Eingriffs etwas Chaotisches, etwas Zerstörerisches beinahe. Das Arrangement wird verändert, weil es bereits existiert. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen. So kann der Sequenzer nahezu beliebig viele Spuren wiedergeben. Im einfachsten Fall ist es möglich, einfach Life zu entscheiden, welche Spuren (Stimmen) der Sequenzer spielt und welche Stumm bleiben, so als ändere man das Arrangements einer Orchesterbesetzung noch während der Aufführung. Auch kann natürlich zu Bestehendem etwas hinzugefügt werden, z.B. durch Tasten (eine Klaviatur) oder durch andere technische Eingriffsstellen (mit der Maus und über spezielle Controller). Auch ist es möglich, Vorbereitetes mit life Aufgenommenem zu vermischen. Improvisation kann auf diese Weise wiederholbar gemacht werden—kann in andere Kontexte gesetzt werden. Wie jedes Instrument erfordert auch der Sequenzer, wenn er nicht gerade einfach zur Wiedergabe eingesetzt wird, ein wenig handwerkliches Geschick. Je nach Entscheidung über den Eingriff in das Geschehen kann dies der Arbeit eines Pianisten sehr nahe sein, der eines Tontechnikers, der eines Sounddesigners, eines Programmiers (auch wenn die normalerweise nicht life programmieren). In interessanten Darbietungen mischen sich diese Fähigkeiten mehr oder weniger dicht—je nach Fähigkeiten des Interpreten. Die einen werden mehr vorbereiten, andere werden mehr spontan entscheiden. Und schließlich hängt diese Mischung natürlich von der Komposition, also den vorgegebenen Eigenschaften der Musik ab. So vielfältig, wie die Einsatzmöglichkeiten des Sequenzers können hier Entscheidungen vorbereitet werden. Und letztlich hängt davon auch ab, wie wiedererkennbar eine Komposition ist. Wiedererkennbarkeit ist zwar nicht zwingend eine wichtige Eigenschaft von musikalischen Werken, sie wird aber von vielen Zuhörerinnen und Zuhörern besonders geschätzt. Bis hierhin wird schon klar geworden sein, dass der Sequenzer als Instrument in kleinen Ensembles (oder Solo) besonders interessant ist—und so auch in Werken, die improvisierende Momente mit sich bringen. Weil der Eingriff des Interpreten so anders ist, als bei klassischen Instrumenten, wird auch der kompositorische Rahmen ein entsprechend weiter gefasster sein. Nur so lassen sich die Möglichkeiten des ungewöhnlichen Instruments vollständig ausschöpfen. Wir werden uns also in Kompositionen über die Reichweite der Eingriffsmöglichkeiten und natürlich über das vorbereitete Material Gedanken machen müssen. Sind die angedachten Eingriffe in das Geschehen durch einen Interpreten nicht mehr durchführbar, so kann man—wie beim Klavier auch—mehrhändige Partituren andenken. Natürlich ist der Sequenzer zusammen mit klassischen Instrumenten jeder Art interessant. So könnte man Phrasen der anderen Instrumente mit aufzeichnen (ich brauche dazu nur mindestens ein Mikrofon und eine entsprechende Schnittstelle zum Sequenzer: meist ein Audio-Interface), verändert wiedergeben und dies entlang einer Partitur anpassen.

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Datum: Dienstag, 6. September 2005 16:24
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