Voller Energie: Hamlet im Rathausinnenhof

Das Wallgraben Theater in Freiburg inszenierte seine dritte Shakespeare Inszenierung nach “Der widerspenstigen Zähmung” und “Romeo und Julia”. Unter der Regie von Hand Poeschl entwickelt sich das Drama am dänischen Hof zu einem mitreißenden Spektakel voller kleiner und großer Ideen. Dabei wird der Hof und auch das Rathaus selbst—mit seinen zahlreichen Fenstern zum Hof—zur dreiminensionalen Bühne, die vom Ensemble vollständig gefüllt wird.Das virtuos gestaltete Gegenspiel von Jugend und älterer Generation, sowohl auf der Seite der Schauspieler als auch in der Interpretation, vermag gleichzeitig einen einen Zeitbezug herzustellen und die altehrwürdige Spannung des Dramas zu bewahren. Das ist mit Shakespeare niemals leicht, aber umso besser gelungen—vor allem, weil es sanft geschieht und entlang der Kunst. Daher wird eine Brücke geschlagen, wie sie spannungsreicher kaum sein könnte. Voller Energie, aufbrausender Heldenfall—aber Hamlet (Marco Mehring), der Prinz, er ist ein frecher postadoleszenter Reißer, vor Energie nur so strotzend. Ophelia (Heidi Klein) ist, wundervoll anders interpretiert, keine blasse entfernt-verschmähte, sondern Girlie in rosa und verhält sich auch so—bis sie verrückt wird und ihren Eimer durch die Gegend trägt, auf den die Zahl 42 gepinselt ist. Eines von vielen Details, die zum Schmunzeln anregen. Was wäre wohl herausgekommen, hätten sich William und Douglas getroffen? Nicht auszudenken! Etwas davon merkt man in jeder Szene der Inszenierung. Das hat auch noch den letzten Rest Sommerträgheit vertrieben. Für mich persönlich war die Interpretation des Polonius (Jürgen Michaelis) einer der deutlichen Höhepunkte. Ebenso die wundervollen Anspielungen in der Darstellung von Rosenkranz (Christian Packbier) und Güldenstern (Gabriele Zink) tief in der Tradition des “Pickelhärig”. Das Köngispaar (Peter Willi Hermanns und Sybille Denker) gibt sich ganz gemäß der stereotypen Vorstellung eines Oberschicht-Paares, verloren zwischen Hektik, Geschäften, Individualismus und Standestreue—was einen sehr schönen Kontrast zu den “jungen” zeichnet und auch nach dem Hierarchieempfinden heutiger Zeit noch wunderbar funktioniert.

Ein großer Dank an das Wallgraben-Theater und die wirklich gute Besetzung.

Link http://www.wallgraben-theater.com/stueck/stueckinh/Hamlet.html

Besetzung
König: Peter Willi Hermanns
Königin: Sybille Denker
Hamlet: Marco Mehring
Horatio: Christian Theil
Polonius: Jürgen Michaelis
Ophelia: Heidi Klein
Laertes: Adrian Moll
Rosenkranz: Christian Packbier
Güldenstern: Gabriele Zink

Regie: Hans Poeschl

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Datum: Sonntag, 16. Juli 2006 14:01
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