Geschwollene Adern
Man öffnet nichtsahnend die Geburtstagspost und findet darunter einen Brief aus Luxemburg, adressiert an eine Adresse, die man seit vier Jahren nicht mehr bewohnt, versendet von einem Dr. Hans-Peter Z. Auf dem Umschlag drohen die Worte:
Persönlich/Vertraulich
Nur vom Adressaten zu öffnen
Alle bisher mit dieser Erzählung Konfrontierten reagierten sehr ähnlich: “Will er Dir Geld schenken?” Nicht ganz.
“So steigern Sie Ihre sexuelle Kraft!” verspricht der seriös vom Briefkopf herabschielende Spezialist für Männergesundheit, und das nicht verschreibungspflichtig und um 95% preisgünstiger als Via… [sic].
Einige Textstellen sind mit gelbem Textmarker hervorgehoben, wohl, um der Zielgruppe – Leute die zumindest potentiell “seit über 20 Jahren nur schwache oder gar keine Erektionen hatten” – das Auffinden der wichtigsten Informationen zu erleichtern. Diese seien im Folgenden wiedergegeben:
- kräftige Erektionen
- befriedigenden Sex
- Steinharte Erektionen
- der Penis selbst wird fleischiger, stärker
- mehr ejakulieren
- [Produktname] reaktiviert Drüsen und Organe
- risikofrei
- risikofrei
Weiterhin beinhaltet das vierseitige Dokument wichtige Hinweise für das erfolgreiche Balzverhalten im fortgeschrittenen Stadium. So enthält das angepriesene Präparat eine durchblutungsfördernde orientalische Frucht, so dass bei der Erektion die Adern deutlich hervor treten. “Dieser Anblick wirkt auf Frauen absolut stimulierend. Sie werden es selbst erleben!” Gleichzeitig regt dieselbe Frucht die Prostata an (ein “erwünschter Nebeneffekt”), wodurch sie mehr Samenflüssigkeit produziert. Psychologische Studien wiederum hätten ergeben, dass viel Sperma im Vergleich zu ein paar Tröpfchen auf Frauen besonders erotisierend wirken, was mit dem instinktiven Wunsch nach Fortpflanzung zu tun habe, der auch nach den Wechseljahren noch vorhanden sei. Meine Lieblingspassage.
Auf Grund der beschriebenen Effekte sei es möglich, “den Partnerinnen” – sie werden nicht näher benannt – “Orgasmen wie Erdbeben”, “Mega Orgasmen” zu bereiten und davon, 10, 15 und sogar 20 pro Woche. Der nächste Abschnitt stellt in Aussicht, dass man sich fühlen wird, “wie nach einem Bad in einem Jungbrunnen…”
Zudem ist das Produkt, wie schon hervorgehoben, völlig risikofrei, was auf einen einfachen kausalen Zusammenhang zurückgeht: “[Produktname] ist kein Medikament, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel. Daher ist das Produkt nicht verschreibungspflichtig, frei von Nebenwirkungen und auch für Diabetiker und Herzkranke geeignet. (Hervorhebung im Original)
Spätestens der letzte Satz eröffnet tiefe Einblicke in den Geisteszustand des Verfassers.
Freitag, 25. August 2006 14:55
Interessante Zielgruppenfindung. Andererseits sind solche Nachrichten inzwischen ja schon wieder so alltäglich geworden, dass ihre Inhalte kaum mehr verwunderlich sind, sondern in einen besonderen Gattungs(mülleimer)zusammenhang gebracht werden können. Ich kann dem Text wenig bis gar nichts ungewöhnliches entnehmen. Solche Mails flattern zu hunderten täglich rein. Allein die Tatsache, dass sowas jetzt auch schon per Briefpost kommt, ist vielleicht ein erwähnenswerter Umstand. Nunja, viel Spaß beim Bestellungen aufgeben.
Montag, 28. August 2006 7:44
In der Tat war der Vertriebsweg und die damit verbundene Aufmachung der Hauptgrund für die Aufregung. Dieser führte auch zur ersten intensiveren Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Schriftstücks, da die elektronische Variante eben auf Grund ihrer Häufigkeit schon gleich durch kognitive Filter ausgeblendet wird, so denn die elektronischen versagen.