Beiträge vom Mai, 2011

Erste Rückführung an den Gabelung-Weg

Donnerstag, 12. Mai 2011 16:22

Ist nicht ganz 16 Jahre her. Wie gestern eigentlich, dieses Heute. Es scheint eine Verständigung vertikaler Art zu daraus zu wachsen, dass ich mir das Verständnis eines früheren Ichs allmählich zögerlich zu erlauben im Stande bin. Das ist ein Anfang. So komme ich durch massive Rückmeldung der Welt und durch die Kollektion vielfältiger Einzelbegegnungen, die auch selbst ein noch ärgerer Misantrop als unwahrscheinliche Häufung klassifizieren müsste, immer näher an eine alt bekannte Entscheidung. Die Qualität insgesamt mag eine andere sein. Aber ich bilde mir ein, das liegt hautptsächlich an den veränderten (in der Regel gewachsenen) Gestaltungsmöglichkeiten, dem übergeordneten Einfluss auf und von mehr Umwelten. Vielfältiger, aber auch weiter in sich geschlossen. Insbesondere dadurch bedingt, dass eine stabile Ideologie, wenngleich noch politisch wirksam, denoch aber ohne Ausprägung bleiben muss. Welten sind Schatten. Und aus den Schatten erheben sich Formen, die Ähnlichkeiten zu Altbekanntem zeigen. Dabei hilft, dass die Kontinuität der Per-Sona, namentlich, äußerlich, eine überdauernde Objektpermanenz konstruieren lässt (es ist immer noch die Gleiche, obwohl sie längst eine ganz andere ist). Na, und somit dürfen diejenigen, die das möchten, das nun ganz klassisch oder in einem der neuen Sinne systemtheoretisch lesen. Wege führen also wieder zusammen. Ich hab schon öfter den dummen Spruch “man begegnet sich immer zweimal im Leben” vernommen (was für ein absurder Unfug, zweimal, immer). Ich hab verstanden, das bedeutet: “Kriegste alles wieder, wenn ich mal größer und mächtiger bin oder so”. Aber die Wege scheinen sich an neuralgischen Punkten zu kreuzen. Wie rum an diesem Punkten die Kausalität gepolt ist. Das vermag ich beim besten Willen nicht zu sagen. Es fühlt sich allenfalls in selten-romatischen Momenten danach an, als ob die Welt den Moment erzeugt. Klingt nach Schicksal. Klingt unwahrscheinlich. Und das kann man nun auch wieder doppelt auslegen. Theosophen, irgendwo? Aber verschieben wir dieses Gemetzel auf den nächsten, schlechten Hollywood-Actionstreifen. Wo die Gabelung auseinanderführt, führt sie in deutlich spürbaren Schritten wieder zusammen. Die Konvergenz erzeugt jetzt inbesondere an den Stellen Verwerfungen, an denen Linientreue gefordert wird. Ich bin ja nichtmal der Fluglinie treu. Also wird das nichts auf diesem Weg. Und wenn die Welt mich zwingt—so würde ich das jedenfalls empfinden—die alte und nicht mehr gültige Entscheidung künstlich aufrecht zu erhalten, dann müsste ich mich nach einem konzentrischen Prinzip entscheiden: Von innen nach außen. Von Kollegen wurde ich wegen meines Grundsatzes, den ich vereinfachend als “Mensch bleiben” bezeichne, nicht selten sehr schräg und zum Teil mitleidig angesehen. Ob das ein klarer Hinweis ist? Liebe Welt, ich brauche in dieser Hinsicht eher ein Rockkonzert als ein leises Klingen im Walde. Nicht, weil ich taub bin, sondern weil ich zutiefst impulsiv bin. Aber ich erkenne an, dass mir insbesondere in der Konvergenz eine klare Nachricht zuteil wird. Denn das Momentum aus den Impulsen entspringt paradoxerweise einem Ort, und das war nicht nur schon immer einer der erklärten (und institutionalisierten) Zwecke dieser Art von Orten, sondern auch der von mir ursprünglich zum primären Ziel erwählte. Wenn ich genau hinsehe—ich habe seit längerem erneut gesagt bekommen, dass ich das gefälligst tun soll—dann entdecke ich etwas bislang Unglaubliches. Es scheint, als muss ich mich auch vollständig neu darin entdecken.

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Der strahlende Ritter Areahakas

Donnerstag, 5. Mai 2011 18:14

Es gab nur einen dumpfen, kleinen Schlag. Ein Miniaturerdbeben ohne dass, nunja, die Erde bebte. Für einen nicht näher definierbaren Bruchteil einer Sekunde, die keineswegs sprichwörtlich war, waren alle in einen unglaublich kurzen Ewigkeitsschlummer, ohnmächtig, getreten. Weg getreten! Wenn auch nur für kurz. Unmittelbar danach breitet sich eine schleichende Stille im Seilerhaus aus. Über das Gefälle der Stimmungen vorher und nachher sind alle so verwundert, dass sie insgesamt auf ihre Weise zu suchen beginnen. Nach kurzem Chaos finden wir heraus, dass die Manufaktur still steht. Einfach so. Dafür gibt es keine Gründe, vielleicht Ursachen, aber die liegen im Nebel, in der augenblicklich anderen Konsistenz—hauptsächlich die des Käses. Das ist kein wünschenswerter Zustand. Die Manufaktur treibt das Haus, seine Stimmung, seine Einwohner, gibt jenen ein Momentum, die Ziele entweder verachten oder wie ich von Zeit zu Zeit und immer häufiger verwerfen. Jetzt bleibt dieser Puls aus, und ich fühle mich nackt. In einem neuen Sinne, denn nackt sein ist im Seilerhaus ja keine Seltenheit ansonsten. Man spürt so etwas wie eine Scham, und ich sehe viele andere, die sich unsicher umsehen. Die jetzt wissen möchten, wie sie denn nun von allen betrachtet werden. In welchem Licht sie erscheinen. Viele sehen so aus, als fragten sie sich, was sie eigentlich hier her verschlagen hat. Als wollten sie fragen: “Du wohnst doch jetzt nicht wirklich im Seilerhaus, oder?” Das äußere Refugium, gleicht einem schlecht gelernten Standardtanz ohne Variation: “Aufwachsen, Irrtum, Repression, Energie, Ausbildung, Heiraten, Arbeiten, Kinder bekommen, Arbeiten, Sterben”, brüllt es mich von irgendwo innen an. Mir gelingt ein Schmunzeln, aber es bleibt mir im Hals stecken. Das AREAHAKAS-Modell mit seinen kaum ausgeprägten Verzierungen, die mir eine längst vergessene Zeit lang als das an sich Individuelle vorgestellt wurden: Jeder darf entscheiden, welche Farbe die Hose hat, solange es eine der richtigen ist (Hose und Farbe, versteht sich). Die Farbe der Rose ist festgelegt. Der Grundablauf von AREAHAKAS auch. Areahakas, das wäre ein klangvoller Bösewicht in einem Roman, oder ein ätzend strahlender Ritter. Oder beides, aber dann auf keinen Fall mehr als Teil eines Romans. “Die Manufaktur, sie steht still”, flüstert einer. Manche haben gerade einem Blick in den Augen, der bereits andeutet: “Ja und?”. Dass mich diese Aussage erschrecken kann, beruhigt mich. Ohne die Manufaktur, scheinen wir alle nicht zueinander zu finden. Fremdartigkeit breitet sich aus. Einige hüllen sich inzwischen fröstelnd in eine Decke. Das Haus wirkt wie eine Ruine, unwirklich und wie ein Ort, von dem man seine Insassen fragen möchte, ob sie denn wirklich dort lebten. Gerade jetzt ist das ein sehr skurile Vorstellung. Der strahlende Ritter ruft mich in seinen ehrenvollen Dienst. Das Haus hat sich jedoch verbarrikadiert. Keiner von uns findet einen Weg hinaus. Wenn sich etwas halbtot anfühlt, dann das. “Wir kommen grad nicht raus”, stellt eine freundliche Stimme fest. Wir Herdentiere! Wir setzen uns nah beieinander, gewähren uns Schutz vor einer Welt, die für uns gerade nur aus Vergangenheit besteht, die uns jetzt ganz unvermittelt bedroht. Wie können wir uns bloß selbst bedrohen? Viele Worte werden nicht gesprochen. Hin und wieder säufzt jemand leise, sieht zu Decke hoch. Es beginnt zu stinken. Dieser widerliche Käse. Der ist überall. Ratlos bleiben wir in einer Zeit gefangen, die wir für die einbrechende Nacht halten.

Thema: Seilerhaus, Staunen und Zweifeln, Worte | Kommentare (0) | Autor: