Dampfbar

Zwielicht bringt Interessantes hervor. Vom Schattenreigen handelt eine vergleichbare Geschichte. Hin und wieder sind Gedanken dieser Art hier abgebildet. Mehr oder weniger dumme Worte wurden hier erfunden und auch wieder verworfen. Vielleicht sind es ja Einmalworte. Oder sie stehen für seltene Anlässe als Verfügbarkeitsworte in einem langen großen, vielleicht eher dunklen Lager und warten auf den Tag da sie im Teig eines verworrenen Satzes gebraucht werden. Ein Wort darf nicht mehr als sieben Buchstaben haben. Ein Satz darf nicht länger als sieben Worte sein. Ein Text darf nicht länger als sieben Sätze lang sein (und dennoch muss er alles transportieren). Keep it simple. Und wenn die Dinge nicht “simple” sind—vielleicht sogar nichts für “Simpel”? Die Antwort ist einfach: wir fangen eben immer wieder von vorne an. Mühlenartig. Das klumpende Mehl, aus dem ein ungenießbares Brot gebacken wird, mag andererseits leicht zu essen sein und ebenso leicht zu verdauen. Weil keine Nährstoffe darin sind. Wenn sich genügend dieser Illusion hingeben, dann reicht’s vielleicht für Jahrhunderte. Wenn’s auffliegt, dann ist es eben dumm gelaufen. Dann werden andere Konnotationen herhalten müssen. Begriffe sind ja zum Glück “dampfbar”.

Tomate in Grau

(Tomate in Grau)

Aus diesem Grund gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Dogmen, die aus den zyklischen Bezügen entstehen, irgendwie erhalten lassen. Wenngleich sie sich ablösen. In der Wissenschaft sprechen wir eher von Paradigmen, meinen aber meist das Gleiche. Auch wenn wir nicht das Gleiche meinen sollten, nähmen wir für eine flüchtige Sekunde unsere erkenntnistheoretischen Mütter und Väter ernst. Verständnis ist hier seltener unser Problem, weil jene geistigen Vorfahren sich erfolgreich sehr viel Mühe gegeben haben, vollständig, redundant, anschaulich dennoch formal eindeutig zu bleiben. An der Auslegung haben sie wenig Zweifel gelassen. Einige von ihnen, die jung genug waren, haben freilich später der Auslegung mit Schrecken zugesehen. Vermutlich haben sie sich je nach persönlicher Ausrichtung prächtig amüsiert und sind Sarkasten geworden, oder sie haben gelitten (was ihnen schon aus Respekt vor ihren Arbeiten nicht zu wünschen wäre). Vor diesem Hintergrund bliebe die Frage zu stellen:

Wollen wir wirklich annehmen, dass wir das Buch des Wissens bereits verfasst haben und dass alle Erkenntnis unser ist und dass wir nicht zweifeln müssen. Und, das möchte ich sachte hinzufügen:

... dass wir nicht mehr staunen wollen?

Diese Vorstellung empfinde ich als langweilig.

Zwielicht bringt Interessantes hervor. Während wir Trübsal geblasen und im Trüben gefischt haben, allesamt trübe Tassen sind und das Wetter auch nicht so recht mitmachen wollte. Wie wäre es denn, wenn wir (ganz heimlich, versprochen!), Augen und Ohren mal wieder öffneten und etwas darin fänden, das uns überrascht. Ob wir es nun mit unseren Instrumenten anschließend als annehmbar oder als verwerfbar identifizieren wäre ja erst ein zweiter Schritt, wenngleich ein notwendiger. Vielleicht zwingt uns das Schattendasein, das Zwielicht, der Reigen inmitten der Verwerfungen genauer hinzusehen. Den Blick zu schärfen hat noch nie geschadet. Aber die Gedanken dazu sind noch längst nicht am Ende angekommen.

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Datum: Montag, 2. Oktober 2006 11:12
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