Beiträge vom Juli, 2011

Yellow Ball

Mittwoch, 27. Juli 2011 16:38

Das Schicksal des kleinen für Trocknergänge spezialisierten Balls in Gelb hat mich schon länger mal interessiert.

Aus seiner eigenen Perspektive sieht seine Welt gar nicht so trostlos aus!

Thema: Film | Kommentare (0) | Autor:

Erfolg Rückmelden

Dienstag, 26. Juli 2011 17:22

Semesterenden sind allenthalben anstrengende in vielfacher Hinsicht auch vielfältige Zeiten (sic!). Prüfungszeiten sind anspruchsvoll, für beide Seiten. Alle sind froh, wenn sie dann doch rum sind, wenn alles irgendwie glimpflich ging. Man bangt (bitte auf Deutsch aussprechen), und es ist bitter, wenn’s dann doch mal nicht klappt. Das ist wirklich schade. Dazwischen liegen Perlen, eingeschoben in den Takt des bürokratischen Walzers. 10.00-10.30—10.30 – 11.00 und so weiter und so fort. Man will dann manchmal aufspringen, hüpfen, mit den Füßen laut auf den Boden stampfen, schreien “ja, ja, ja, ja, genau so.” Die Redezeit für die Rückmeldung des Glücks sind begrenzt und die im Kontext angemessene Dauer für den Transport solch gewaltiger Begeisterung wenig angemessen für den Inhalt. Wir haben keine schönen Rituale des Glücks. Liebe Kommunikationstheoretiker, ich sende eine Du-Botschaft: Mit Rezepten für die Rückmeldung wenig glücklicher Ausgänge habt Ihr uns ja massiv ausgestattet (Sandwitch-Technik usw.). Ich will von Euch jetzt eine ähnliche Antwort für die Rückmeldung des Erfolgs. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Sachlich gesehen kann ich das. Da muss ich einfach nur dafür sorgen, dass Wissen und Erwartungen, Verstehen und Kriterien, kognitiv zusammengewürfelt werden können. Das kann ich. “Gut gemacht” klingt viel zu väterlich. So als müsste ich vielleicht in 15 Jahren nochmal drüber nachdenken das zu verwenden. Schreien, tanzen und hüpfen ist wohl andererseits auch nicht angemessen. Ich brauch’ von Euch einen Kanal, sowas auszudrücken. Allein auf den positiven Eigenschaften eines Werks rumzureiten macht die Empfänger der Botschaft nach Punkt 5 der 40-stufigen Rückmeldung verlegen und sie wollen ähnlich bedrückt den Raum verlassen als wären sie gerade gescholten worden. Zu wenig bringt’s nicht rüber, zu viel macht unglaubwürdig. Warum eigentlich? Das scheint etwas Kulturelles zu sein? Ja? Nein? Bloß nicht zu positiv? Da sitzen sie dann und warten auf die rhetorische Wende, da das an sich Positive ja bloß dazu herangezogen werden könne, etwas entsprechend Negatives mit einem angenehmen Rück-Gewicht zu versehen. Und so warten sie auf den bitteren Ausgleich. Wenn der nicht kommt, dann muss die Interpretation des Grundes für die Sprachhandlung sich andere Wege suchen. Die sind dann aber auch nicht unbedingt viel attraktiver in ihrer Auslegung—zu wenig sachbezogen. Ich lass mich dann trotzdem dazu hinreißen, Positivem mit Eindeutigkeit zu begegnen. Am Ende auch, weil das für mich selbst ziemlich bereichernd ist, und weil ich ja sogar dankbar bin, bei einem Stück virtuoser Fähigkeits- und Wissensdemonstration anwesend zu sein. Aber eine etwas bessere Idee, wie das ginge, würde ich dankend in Empfang nehmen.

Thema: Hochschullehre | Kommentare (0) | Autor:

Weimar ist ein Glockenschlag

Samstag, 9. Juli 2011 0:44

Zwischen Gutachten, Korrekturen, spannenden neuen Ideen zur Simulation von Lernern, Texturen und Alltagen vielerlei aber nicht allerlei Sorten und Färbungen komme ich auf den Sophienstiftplat. Später werde ich rausfinden, dass ich genau mit der richtigen Stimmung hier angkomme. Hier steht der Kiosk 6 und es ist wenige Minuten vor 22 Uhr.

Da ist es dunkel genug für Kathrin Baumanns Fenstertheater. Offiziell gesehen ist das hier eine Diplomprüfung (genauer: Diplomverteidigung) im Fach Freie Kunst an der Bauhaus Universität zu Weimar. Technisch gesehen wird hier ein Film laufen, der aber weder ein klassischer Film noch eine Videoinstallation ist. Der Kiosk 6 wird zum Fenstertheater und birgt Platz für ein Fenstertheater, das seinerseits als innere Mauerschau in einer Danksagung an Weimar, die Stadt, den Ort, die Heimat, mündet, wobei diese spezifische Perspektive wohl allein dadurch möglich wurde, dass die Künstlerin durch die anfänglichen Wirrungen sich selbst in den wiederkehrenden Mustern entdeckt hat. Sie hat es den Menschen der Stadt auch ganz direkt mitgeteilt. Im Theater sehen wir dann, dass sie es auch dem Brunnen, dem Pflaster und den Fassaden mitgeteilt hat. Heute teilt sie es der Stadt mit.

Im Wiederklang mit dem Besenmann, dem Flaschenmann, der Traditionsbäckerei. Pflastersteine bekommen Pflaster in einem musikalisch-inspirierenden Muster. “Wenn ich ein Vöglein wär”, und wär’ ich’s, dann flög ich. Das will man dann für sich selbst direkt glauben. Der Ort der Inszenierung spielt eine Rolle. Hier treffen fünf Straßen auseinander. Gerade so, wie aus dem Fensterblickwinkel der Künstlerin. Ich habe bereits festgestellt: Technisch ist das ein Film. Er wäre also technisch gesehen wiederholbar. Weil der Moment, das Theaterereignis, den Raum mit einschließt läuft der Film ein einziges Mal ab. Hier. Dann niemals wieder. Und das ist noch nicht alles. Hinten am Kiosk läuft ein anderer Film, es passiert dort etwas anderes. Das sehen nur diejenigen, die sich aus den grünen, bequemen Sesseln erheben. Sie sehen aber wieder die andere Seite nicht. Gerade, so die Künstlerin, als müsse man sich in der eigenen Wohnung entscheiden, ob man dem Geschehen aus dem vorderen Fenster oder aus dem hinteren Fenster Beachtung schenkt. Wir sehen also grundsätzlich nicht alles. Und ich muss dort sein. In der Stadt, der dieses Dankesstück gewidmet ist. Ohne Frage, dass sich myriadenfache Inspirationen breit machen. Sich entscheiden dürfen ist etwas anderes als sich entscheiden müssen. Mit Leichtigkeit betritt die Künstlerin Miniaturwelten im Gras an der Ilm, balanciert sie halbtransparent als Bestandteil des Theaters auf der langen Bank, der sie, wie sie sagt “Gesellschaft leistete.” Weil es ein Film ist, sehen wir die von Schauspielern abverlangte hingebungsvolle, geistige Nacktheit nicht. Es ist eben ein darüber erhabenes, ein Fenstertheater, das mich an der Introversion, am In-Dich-Gekehrt-Sein teilhaben lässt, ohne mir das jemals aufzuzwingen. Im Erleben weisen die losen und die festgezurrten Enden des Stücks über die (im Grunde zutiefst materielle) Reproduzierbarkeitsannahme von festen Sequenzen hinaus, und gerade damit mit einem unglaublich großen Schmunzeln auch über die Initiationsriten von Prüfungen dieser Art. Der Blick, so (er)scheint es immer wieder, zeigt sich selbst den eigenen Schnittpunkt mit dem Anker, den er selbst der Vernunft spielerisch entrissen hat.

Und ganz am Anfang schon, als die Künstlerin die Stimme erhebt und im Kontrast zu den Weimar-Interviews (vermutlich mit Passanten) sagt: “Weimar ist ein Glockenschlag”, in einer Prägnanz, die Perspektive unmittelbar erlebbar macht, da merke ich, bin auch ich angekommen.

Thema: Bild und Kunst, Film, Hochschullehre, Politik und Gesellschaft, Rezensionen | Kommentare (0) | Autor:

Erbarmen

Mittwoch, 6. Juli 2011 1:28

Aber einbrechende Nacht ist so gar nicht, was wir nun erleben. Plötzlich zerreißt die Stille, die selbst keine ruhige Stille war. Durch Risse dringt grelles Licht. Aus dem Innern des Hauses. Nicht von außen. Allen ist in ihrer Lähmung klar, dass das nichts Gutes bedeuten kann. Nichts für uns Gutes allenthalben. Die Risse werden größer. Seltsame, hoch gewachsene menschliche Gestalten treten hindurch, setzen in gespenstischem Gleichtakt Fuß um Fuß in unsere stillstehende Welt. Eine Figur nach der nächsten. Sie bringen das gleißende Licht mit, das alles Verzehrende. Vor einer verängstigten jungen Frau bleibt eine der Figuren stehen. Man sieht ihr feingliedriges, ebenes Gesicht. Sie lächelt in diesem barmherzigen Lächeln, das man von Heiligenbildern kennt, hält eine dünne Schnur empor. Auch diese Schnur leuchtet, pulsiert. Sie wickelt sich wie von selbst um den Hals der ängstlichen Frau. Mit einem Ausdruck von Güte im Gesicht der Eindringenden fällt der Kopf der jungen Frau auf den Holzboden, im gedämpften Klang. Ihr Körper sackt zusammen und fällt auf Holz und den schmierigen Käse. Unter dem Fuß des Eindringlings kommt ihr Körper zur Ruhe. Regung und Lähmung führen sichtbar in uns allen einen nie dagewesenen Wettstreit während wir sehen, dass einer um den anderen fällt und immer mehr grelle Gestalten auftauchen. “Sie bringen den Stahl”, schluchzt eine mir sehr nahe stehende Gesellin, die ich so oft in die Manufaktur gehen sah. Dann fällt auch sie. Auf mir liegen Seilerhauskörper, im kurzen Aufgenblick entwertet. Stets mit einem Ausdruck der Gnade im Gesicht der Stahlschmiede. Dann betritt sie den Raum. Die Stahlschmiedin. Groß, schlank, mit einem gleichgültigen Gesicht. Ihre liebevolle Stimme erklingt: “Wir werden hier aufräumen.” Sie berührt einige, die noch leben. Wie alle anderen in sich zusammen brachen, so stehen die Berührten auf. Sie tragen unmittelbar eine noch viel schlimmere Leere als all die Toten. Ihre Augen sind von Glanz erfüllt, ihre einst so aufbegehrenden Impulse sind gebunden, ihr Wille gehört augenblicklich ihr, der Stahlschmiedin. Sie folgen ihrer gütigen und ruhigen Handbewegung. All dies kommt mir vor, als erlebte ich Jahre der Lähmung. Rings um mich herum sind Enthauptete und Berührte. Die Stahlschmiedin schreitet majestätisch durch die Reihen, begleitet von ihren grazilen Kämpferinnen, stets das gleißende Licht mit sich bringend. Nach einer erlebten Ewigkeit steht sie vor mir. Mir ist als falle ich tief. Ganz tief in mich zurück. Als sei ich nicht mehr und gerade am entstehen. Ich spüre einen mir zutiefst fremden Wunsch. Möge sie mir auch den Kopf nehmen, mich erlösen, mich nicht des Willens berauben und ausleeren. Jeder meiner Atemzüge soll mein eigener sein. Ich möchte Leben, nicht einfach existieren. Meine Lippen formen in unendlicher Langsamkeit das Wort “Ende”. Sie, die Stahlritterin, aber hält die schlimmste Folter für mich bereit: Erbarmen. Und in diesem Moment werde ich von ihr berührt.

Thema: Seilerhaus, Worte | Kommentare (0) | Autor: