Beitrags-Archiv für die Kategory 'Politik und Gesellschaft'

Altes Netzwerk reaktivieren

Samstag, 26. Dezember 2020 10:56

Es wird nun wirklich Zeit, ein altes Netzwerk wieder zu aktivieren. Brücken zwischen Kunst und Wissenschaft sind in den letzten Jahren eher rarer geworden. Es findet einfach nicht mehr statt. Dabei gibt es neue Möglichkeiten.

Gebrauchsgut Lehre

Von der Lehre will ich gar nicht anfangen. Die ist so sehr zum Gebrauchs- und Konsumgut geworden, im Digitalsemester betreibe ich eher einen Online-Store und First-Level-Support. Helpdesk, vielleicht. Da ist vom Akademischen nicht mehr so viel übrig. Vieles davon hat mit zu viel Verständnis, seltsam verstandenen Servicestrukturen, Zertifikatserfüllung und einer schreienden Vermeidung des Inhalts zu tun.

Unsoziale Netzwerke

Obendrein habe ich mich zu lange auf sogenannte soziale Netzwerke verlassen. Die waren vielleicht mal sozial. Inzwischen sind sie das kaum noch. Nur noch ein Strom von Wiederaufgewärmtem, Pseudo-Erinnerungen, Reposts von Empörungen und Empörtheit, Werbung natürlich. Jedesmal das neue, ultimative Dingsda, ohne das man auch schon bis gestern nicht überleben konnte, geschweige denn Profi sein.

Rausschreien bleibt

Rausschreien bleibt, Diskurs erscheint anachonistisch. Und das ist doch sehr schade. Wir haben früher mehr organisiert. Vielleicht waren wir darin manchmal unsere eigene Reality-Soap (jaja, ich weiß, Seife ist geil, hab’s nicht vergessen). Na und? Die war wenigstens spannend. Und sie musste nicht mit Hipsterbart gepaart zwangsweise distopisch sein. Ich vermisse das Utopische. Distopien sind so leicht. Man muss nur die Fantasie gehörig quälen, und schon ist alles dark and gritty. Das will ich auch nicht hergeben, zumal das Analytische darin eine gewisse Freude mit sich bringt. Aber dafür die Utopie gleich ganz zu opfern oder wahlweise im ewig Gestrigen zu versauern? Nein danke!

Rotierende Label

Daneben diskutiert sich meandrig die Bedingung des immer wieder neu bezeichneten Alten, bloß nichts wirklich verändern, aber lieber mal einen neuen Begriff auf’s Selbe kleben. Ändert nichts. Vielleicht bin ich auch einfach nur der ständigen Relabeling-Prozesse müde. Da ist für mich gar nichts “doppelplus gut” dran.

Worin wir mal gut waren

Wir haben so viele Räume aufgebaut, Schreiben, Werken, Konzipieren,  Verwerfen, ForumWorum, KreatTag, Werk- und Produktionsstätten, Menschen mit Tatendrang ausgestattet, inkl. uns selbst. Nun haben wir ja eher mehr Ressourcen, mehr direkte Affektoren. In tümelnder Weltverklärung hinterherzutrauern grenzt an Dummheit, ist Dummheit. Nichts gegen Dummheit. Obwohl, doch.

Neu machen

Also muss ein altes Netzwerk neu angefacht werden. Ein schelmisches Grinsen bleibt mir, hab’s mir ja halb gestohlen. Denn das alte Netzwerk gibt’s doch immer noch. Alles noch da.

Thema: Bild und Kunst, Hochschullehre, Musik, Politik und Gesellschaft, Realität, Staunen und Zweifeln, Worte | Kommentare deaktiviert für Altes Netzwerk reaktivieren | Autor:

Freiheit von Meinung. Begriffskonvergenz?

Mittwoch, 31. Dezember 2014 8:01

Die Meinungsfreiheit ist zweifelsohne ein hohes Gut, ein Recht vielleicht—man muss es vorsichtig sagen—das nicht nur gegeben wird, das man sich auch nehmen muss. In Assoziation der Meinungsbildung, das heißt, wo die Meinung her käme und wie sie sich konstituiert, ist sie Ausdruck einer Episteme und Verursacherin der Aufregung allerseits. Nachzulesen und nachzuweisen ist dies an völlig beliebiger Stelle, an der Foristen Exponate des Überrascht-Seins und der verzweifelt anmutenden Beihilfe zur Meinungsbildung hinterlassen. Da habe ich gelernt—und bezogen auf meinen Sprachraum: Menschen wollen unter anderem andere umbringen, foltern, ohne Recht belassen, gequält und für Unbeeinflussbares sanktioniert wissen. Es scheint, als seien die Widerstreiter solcher Ideen so rar, dass das Grübeln eine Sparflamme der Gleichgültigkeit bereit hält. Und könnten die nicht gar gestreut sein? Manches liest sich darin allzu strategisch, wenn auch zutiefst nachvollziehbar und zugleich auf verlorenem Posten.

Wer gegenüber der Annahme, der Souverän erfreue sich höchster Gesundheit eine wirkungsvolle Therapie sucht, soll sich einen Nachmittag lang auf einem Forum herum treiben. Egal auf welchem.

Was die Diskussion nicht bloß erschwert sondern gleich ganz verhindert, ist die verständliche Uneinigkeit über die Methode des Dafürhaltens, die Grundlage der alltäglichen Prämissenbildung, die sich nunmehr weder aus einem Werkzeugkasten des Dran-Glaubens noch aus einer Grundhaltung ableitet. Die impliziten Erkenntnistheorien passen natürlich nicht ineinander. Das müssen sie auch gar nicht. Eine Wissenschaft muss nicht zu einer archaisch-emergenten Empfindungsplausibilität passen und noch viel weniger zum dogmatisch-vorgeschriebenen Wahren. Im Versuch der Vereinigung verlieren alle Spielweisen der Intersubjektivität und entbehren bei aller verständlichen Konsenssuche ihre Kraft. Vereinbarkeitsesoteriken (Gottesneuron, digitale Demenz, Quantenökonomie, unter vielen anderen) und aus dieser Verzweiflung hervor gehende Abbildungsfunktionen von Halbwahrheiten auf Scheinprämissen lassen das Bild nicht eben in einem aufgeklärteren Licht erscheinen—wobei es der Aufklärung wohl wie Pluto geht: Längst kein Planet mehr. Der Umstand, dass das keinen wundert mag vielleicht noch zynisch sein. Dass es als Kultur etabliert ist wirkt dumm (daran merkt jemand wie ich zwischendurch auf schmerzvolle Weise, dass er alt wird). Aber es stimmt auch nachdenklich, da leider nichts Unverstehbares an seine Seite tritt. Das Unverstehbare würde mich lediglich bedrohen, und diesen Generationenkonflikt würde ich begrüßen. Was mich irritiert ist leider, wie gut alles zu verstehen ist—ohne dass sich daraus auch nur etwas im Ansatz Verständnisvolles daraus ableiten ließe. Ich kann mich darüber hinaus einfach nicht damit abfinden, dass wohlinformierte Dummheit nun etwas sein soll, das irgendwie cool sein kann. Das geht einfach nicht in Ordnung. Ebensowenig, wie intentionale Uniformiertheit: Solange ich mich mit den Daten nicht auseinandersetze, muss ich meine Welt nicht umdenken.

Über alles andere—und es ist vor genanntem Hintergrund schon fast erstaunlich, dass es dies trotz allem noch so reichhaltig gibt—freue ich mich maßlos. Wenngleich ich die Basiraten mit großer Sicherheit überschätze—da mir der Elfenbeinturm einstweilig zur erweiterten Raumpflege überlassen wurde, Mondenkind! Und zwar ist diese sicherlich naiv anmutende Freude ganz unabhängig davon, ob ich nun inhaltlich zustimme oder nicht. Denn darin meine ich eine herzliche Aggression, eine liebevolle Abwendung, eine jugendgegebene Zerstörungswut zu erkennen, die vor allem deshalb so positiv wirkt, weil sie sich gegen das Starke wendet statt gegen das Schwache.

Darin gibt es also eine Meinungsfreiheit, die sich daraus ableitet, dass eine Meinung unter freien Umständen entstehen kann, sich selbst nicht dadurch, dass sie entstünde ad Absurdum führe—und öffentlich verfasst werden darf. Dem gegenüber steht eine große, verzeiht, “Lauthals kreischend-schweigende Mehrheit” wobei einhergehend Meinungsfreiheit vermeintlich die Abwesenheit von Meinung (zum Beispiel von informierter) beschreibt und sich wahlweise im unfokussierten Wutausbruch manifestiert (erstmal irgendwie irgendwas kaputt machen, weil ist ja bestimmt doof oder so, zum Beispiel: “Ich hasse Umweltverschmutzung, schlechte Straßen und hohe Benzinpreise, kann sich ja alles keiner mehr leisten.”) oder zum Schutz vor einer Auseinandersetzung wird (im großen und ganzen ist doch sicher alles in Ordnung, muss ich mich nicht wirklich auch noch drum kümmern).

Thema: Politik und Gesellschaft, Staunen und Zweifeln | Kommentare (0) | Autor:

Der dumme, dumme Stift

Mittwoch, 16. Juli 2014 13:53

Die FAZ hat interessantes ins Lichte gebracht:

Forscher warnen vor Powerpointpräsentationen usw.

Ja. Das schlimme Medium.

Die gleiche Diskussion gab’s schon als der Kopierer das Exzerpieren verdrängte. Und am Ende findet man immer wieder heraus: Oh, Überraschung. Es ist nicht das Medium, es ist seine Nutzung.

Und es ist schlicht und manchmal sogar ergreifend möglich, ganz und gar jedes Medium dümmlich einzusetzen. Nächste Frage: Wie gefährlich ist eigentlich der Stift? Erlaubt er doch ganz und gar jedem zu schreiben!

Und: Seit der Einführung des Stiftes ist der Anteil der dümmlichen, schriftlichen Äußerung im Vergleich zur klugen schriftlichen Äußerung drastisch gestiegen! Also: Einfach mal Stift weglegen! Dann wird schon wieder weniger Dummes geschrieben!

Und man denke jetzt bloß nicht an die Einführung des Buchdrucks. Was da alles gedruckt wurde über die Jahre. Ohne den Buchdrück würde uns das alles erspart bleiben!

Thema: Hochschullehre, Politik und Gesellschaft, Technik | Kommentare (0) | Autor:

Almosen. Gar nicht so schnöde, dieser Mammon?

Dienstag, 4. Februar 2014 9:58

In der Zwischenzeit. Könnte auch so stehen. Weil jemand Ellipsen mag. Ich zum Beispiel. In der Zwischenzeit ändern sich einfach mal wieder wesentliche halbinterne Parameter. Kann also rum jammern, oder es lassen. Semesterende für den Prof im Praktikum. Nein, das ist keine Teilpersönlichkeit, der ich eine Rolle zugewiesen habe. Es ist die Maske der Person, Pherson, das Ding zwischen dem, was ich als zu mir gehörend zu empfinden gelernt habe und dem, von was ich immer noch glauben muss, dass es irgendwo draußen ist. Die Bezüge sind immer noch nicht graduell. Auch weil vor allem mein Beruf mich dahin führt, immer wieder halbdurchlässige Hürden zu entdecken. Mann, Fisch und Schnaps in enger Verkleidung. Wer folgen möchte, folgt. Bitte nicht sagen, man sei nicht gewarnt worden. Die Warnung ist nicht meine Aufgabe; nicht mein Club. Entscheidungsfreiheit, einmal höchstes Gut (wer hier nicht merkt, dass er/sie de facto so gut wie aufgeklärt ist, also böse), einmal darum eben Einfallstor des Bösen.

Aber im Ernst?! Wer glaubt das denn?

Wer glaubt denn, dass der Moment des Erkennens wahrlich der tiefe, lange Sündenfall ist?! Rechtfertigung hat ja der Mammon, und das ist schon so gebetsmühlennaiv, dass man es echt nicht mehr gesagt bekommen möchte. Wir sind doch viel, viel mehr Phönizier, und gerade deren Kultur halten wir gleichzeitig entweder für ausgestorben. Oder wir haben wahlweise überhaupt keine Meinung dazu. Schaut einfach mal so drauf, wen wir ernsthaft für erfolgreich halten, wen wir als erfolgreich feiern und von was wir uns vorsichtig abgrenzen. Sagen wir mal mit einem dreifach lustigen: “So schlecht geht es uns doch gar nicht.” Und dann sind wir obendrauf noch Demokraten. D.h., wir haben’s so gewollt. Nur ist es lustig, dass belächelt wird, wer das in Frage stellt. Außer entsprechende Würdenträger, zu deren Rolle es gehört, sich (bitte, bitte erfolglos) gegen die Bewegung der Welt zu sträuben. Werd’ einer also Funktionär, oder klinke sich wohlbelächelt aus, werde weich und sanft—was anderes sei unethisch—und gefalle dem Hecheln nach dem Almosen, überhaupt gut sein zu dürfen. Denn das ist ein Privileg, man soll sich da nichts vormachen.

Ich kenne viele unglaublich gescheite Kolleginnen und Kollegen. Und alle davon leben von den Almosen aus dem Sonstwo, die sie, mit dicken, langen Bettelbriefen an seltsame Verlage (das kleinere Übel) und an noch viel seltsamere Organisation (das größere Übel) irgendwie über ein halbes Jahr retten sollen. Bitte, mein lieber und tief verehrter Herr Albert Einstein, erinnern Sie sich daran, wie planbar Ihre Innovationen waren, wie sie in Kennzahlen zu fassen, Ihren Freunden, den Bürokraten, als Planbarkeits- als Machbarkeits- oder gar als Steuerungsindikatoren zu präsentieren gewesen waren. Unterwürfig, versteht sich. Damit die Regularie den gescheiten Gedanken endlich in der Planbarkeit aufnimmt. Wie man Sie dazu gezwungen hat, lauter Unsinn von sich zu geben, weil und, nein, besser: damit Sie einstweilen die Zeit für Ihre Ideen bitte nicht mehr so chaotisch aufzubringen im Stande gewesen wären. Sie küren den Großteil der Titelseiten, wann immer man über Intelligenz spricht, waren offenbar nicht gut in der Schule (prognostische Validität und so), und vielleicht, lieber Herr Einstein, vielleicht wären Sie heute ein Verlierer. Und vor diesem Hintergrund muss ich mich entweder (aus zwei diametral verschiedenen Gründen) dafür schämen, dass ich es überhaupt noch versuche, mich damit auseinanderzusetzen. Nämlich weil ich damit eine Selbsteinschätzung vornehme, die herauszunehmen ich mir bitte nie zur Persönlichkeit gedeihen lassen möchte—und dies natürlich eigentlich auch niemals so in Angriff nehmen will. Andererseits aber schon, weil das an sich und sich hingebende Vorgehen dem Bürokraten verständlicherweise ein wahrer Gräuel sein muss. Qui bono (außer U2 jetzt halt, konnte nicht widerstehen)?

Mir fiel ein Buch wieder in die Hand von irgend einem Arzt, in den 50ern tatsächlich publiziert. “Über die Dummheit”. Absurder Quatsch, würde ich sagen. Aber andererseits wird’s immer weniger absurd, weil diese Art zu argumentieren längst wieder solonfähig wurde. Ganz bitter und bitte ohne Lemon. Und nun?

Jetzt muss ich, in Ermangelung einer echten Alternative, versuchen so gut zu sein, den ganzen echten Laden im Hinterhof wieder aufzubauen. Damit es noch Sündenfälle geben kann, und man sich vorzüglich und mit wieder gekehrter Entzückung an der geplanten Dummheit vergehen kann. Ja, dann, wenn erst, sollte doch, hätte nicht, wollte aber. Luftschluss Luftschloss, Endstation Station, meine Lieben, zum Schluss einmal mehr. Aber auch eben nicht weniger. Ist jemand dabei?

Thema: Politik und Gesellschaft, Staunen und Zweifeln, Wissenschaft | Kommentare (0) | Autor:

Verschlossen Verschlüsseln

Mittwoch, 20. November 2013 18:32

So ist es nun also erneut: Keine Festung ist uneinnehmbar. Sie sind nur unterschiedlich schwer einnehmbar. Und nicht immer sind die leicht einnehmbaren die attraktivsten. So eine Sache der Natur.

Das Gleiche gilt für die Entschlüsselung der Nachricht, Daten erstmal (Big?), die mit dem geeigneten Kontext in Informationen transformiert werden können. Und es gibt sehr schwere Festungen. Manche haben Hintertüren qua Auslieferung. Ob man nun alte, uramerikanische Dialekte verwendet; die Schlüssel—so obskur sie dem Betrachter auch erscheinen mögen—sind als Information enkodiert. Wenn ich den Schlüssel habe—oder die Hintertür im den Algorithmus (d.h., wenn ich den Boten abfangen kann)—dann kann ich die Daten auf eine Weise re-interpretieren, dass fortan wieder Informationen daraus werden.

Verschlossen 1

Endlich habe ich verstanden, warum der Informationsbegriff so eine große Inflation hinnehmen musste seit den 1970er Jahren. Nichts besonderes. Für mich eine kleine Offenbarung am Rande einer Zugfahrt.

Nun was?

Sekundärenkodierung kann sich nach dieser bis hierhin leicht trivialisierten Logik Wissen bedienen und alle anderen klar in die Irre führen. Vor allem, wenn man den Begriff vorinflationär verwendet. Im Grunde ein urpoetisches Vorhaben gleichzeitig. Bloß mit leichter Verlagerung von der Ästhetik zur Funktion. Aber ästhetisch können wir’s immer noch machen. So habe ich lange über “Wissen ist Macht” gelächelt und dabei ganz genau den gleichen Fehler gemacht, den ich so vielen immer vorgeworfen habe: Ich habe Wissen mit Information verwechselt. Spöttisch sagen wir “Faktenwissen”, herabschauend (und schon das ganz zu Unrecht), und verwechseln da etwas ganz gewaltig. Ich habe das also in die Richtung eines “Herrschaftswissens” im postmodernen Sinn missinterpretiert. Wie dumm eigentlich. So lange komme ich dahinter und freue mich darüber, wie schon vor sehr langer Zeit Menschen gleichen Gemüts auf ähnliche Ideen gekommen sein könnten. Ihren Spuren zu folgen und den Folgen der Verschleierung (inkl. ganz herrlicher Verschwörungsanlagen) auf die Spuren zu kommen, ist ein ganz vortrefflicher Genuss. Ob dem Genuss ein Sinn anheim steht, muss erst noch geklärt werden.

Verschlossen 2

Was soll denn dann eigentlich verschlüsselt werden?

Verschlossen 3

Nun, ich bin in der Tat kein Verschwörungstheoretiker, schon aus Achtung gegenüber zuvor angegebenen Argumenten. So bliebe noch das explizite oder implizite Verbrechen, welches mir persönlich ferner gar nicht liegen könnte. Anderen möglicherweise nicht. Aber es bleiben noch weitere Gründe: Sollte man sich nun wünschen, dass eine Nachricht nur diejenigen verstehen können, die sich aufgrund des schon vorhandenen Wissens einen eingeschränkten Handlungsspielraum selbst verordnen, so muss dafür gesorgt werden, dass die Entschlüsselung der Inhalte ohne die daraus resultierenden Gewissensfolgen eher unwahrscheinlich wird. D.h. ein Wissensbestand ist nur aufzudecken, weil man zur Aufdeckung die notwendigen Maximen bereits für sich erobert haben muss.

“Sende stets so, dass die Maxime des Handels des Empfängers in hinreichendem Umfang erwarten lässt, dass er die für die Auflösung des Hintergrunds postulierten Maximen selbst bereits vollständig in das Selbstkonzept integriert hat.”

Verschlossen 4

So könnte die gegebene Nachricht zwar in erster Instanz technisch entschlüsselt und ihre Realisierungen offen gelegt werden, sie können jedoch von vielen nur zu einem nicht abschließenden Grad verstanden, die sich im Sinne des Senders nicht hinreichend befasst haben um eine Entschlüsselung überhaupt zu ermöglichen. Vereinfacht ausgedrückt: als könne nur jemand ein Konto eröffnen, der bereits die Grundlagen der Arithmetik beherrscht. Oder besser: Als könne nur jener ein Konto betreiben, der bereits Gelegenheit hatte, den Machiavelli selbständig und ohne weitere Hilfe zu widerlegen. Letzteres widerspricht dem Geldmarkt natürlich, und dies ist dann auch das Ende der hier zur Vereinfachung gewählten Analogie.

Verschlossen 5

Erst einmal abgeschlossen, stellt sich an dieser Stelle die Frage nach der Primärenkodierung erneut. In offenem Sichtfeld verstecken? Oder dennoch in einer Festung verbergen? Eine Festung verspricht natürlich einen Grund für ihre Existenz. Wanderer, die etwas im Wald umhertragen, sind—wenn sie einmal aufgespürt wurden—eine einfache Beute. Aber vielleicht vergisst man ja den Bettler am Straßenrand. Das damit einhergehende Differenzial ist schwer zu lösen, weil man dazu die Entscheidungskomplexität kennen muss, die bei zunehmender Breitensuche durchaus als gering zu erwarten ist. Es bleibt das alte Problem zwischen Breite und Tiefe.

Verschlossen 6

Freilich ist dieser ganze Text erneut ein recht arrogantes Exponat. Aber das lässt sich an dieser Stelle leider auch nicht durch zusätzliche Entschuldigungen entkräften.

Verschlossen 7

Post Sriptum:

Na? Könnt ihr das besser auflösen, als ich wie folgt? Zum Vergleich für eure Akten ein Beispiel (allein diese Konstruktion). Und nun noch einmal grafisch, vollautomatisch (ja, vor diesem Hintergrund lache ich über eure Wordle-Clouds, Word-Frequencies und sogar über die “einfachen” N-Gramme), et voilà:

Verschlossen Verschlüsseln

P.P.S.: Früher haben wir es einfach so ausgedrückt: Ätsch! Auch ein Code.

Thema: Politik und Gesellschaft, Staunen und Zweifeln, Technik, Wissenschaft | Kommentare (0) | Autor:

Der Boni Bonus

Mittwoch, 13. März 2013 16:39

Überraschend ist ja nicht etwa, dass es einen Hang der Industrie gibt, die Höhe der Manager-Boni zur Aktionärssache zu machen. Erstaunlich ist nur, dass jetzt scheinbar alle Journalisten glauben, dass dadurch

A) die Boni-Vergabe sozial gerechter wird und dass

B) die Boni insgesamt niedriger werden (also deren Summe).

Also, bitte, Herrschaften, dazu ist kein dezidiertes wirtschaftliches Wissen notwendig, nur die Beantwortung der folgenden Frage:

Wann (d.h. unter welchen Bedingungen) beschließt eine Aktionärsversammlung, dass der Manager einen Bonus verdient hat?

Und dann die Folgefrage: Was macht so ein Konzern folgerichtig durch Vorstandsbeschluss—angeleitet von seinem Top-Manager—nachdem er einen guten Gewinn eingefahren hat? Also: empirisch…?! Nochmal ins Archiv gucken? Nein? Ich frag mich ja bloß...

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Weimar ist ein Glockenschlag

Samstag, 9. Juli 2011 0:44

Zwischen Gutachten, Korrekturen, spannenden neuen Ideen zur Simulation von Lernern, Texturen und Alltagen vielerlei aber nicht allerlei Sorten und Färbungen komme ich auf den Sophienstiftplat. Später werde ich rausfinden, dass ich genau mit der richtigen Stimmung hier angkomme. Hier steht der Kiosk 6 und es ist wenige Minuten vor 22 Uhr.

Da ist es dunkel genug für Kathrin Baumanns Fenstertheater. Offiziell gesehen ist das hier eine Diplomprüfung (genauer: Diplomverteidigung) im Fach Freie Kunst an der Bauhaus Universität zu Weimar. Technisch gesehen wird hier ein Film laufen, der aber weder ein klassischer Film noch eine Videoinstallation ist. Der Kiosk 6 wird zum Fenstertheater und birgt Platz für ein Fenstertheater, das seinerseits als innere Mauerschau in einer Danksagung an Weimar, die Stadt, den Ort, die Heimat, mündet, wobei diese spezifische Perspektive wohl allein dadurch möglich wurde, dass die Künstlerin durch die anfänglichen Wirrungen sich selbst in den wiederkehrenden Mustern entdeckt hat. Sie hat es den Menschen der Stadt auch ganz direkt mitgeteilt. Im Theater sehen wir dann, dass sie es auch dem Brunnen, dem Pflaster und den Fassaden mitgeteilt hat. Heute teilt sie es der Stadt mit.

Im Wiederklang mit dem Besenmann, dem Flaschenmann, der Traditionsbäckerei. Pflastersteine bekommen Pflaster in einem musikalisch-inspirierenden Muster. “Wenn ich ein Vöglein wär”, und wär’ ich’s, dann flög ich. Das will man dann für sich selbst direkt glauben. Der Ort der Inszenierung spielt eine Rolle. Hier treffen fünf Straßen auseinander. Gerade so, wie aus dem Fensterblickwinkel der Künstlerin. Ich habe bereits festgestellt: Technisch ist das ein Film. Er wäre also technisch gesehen wiederholbar. Weil der Moment, das Theaterereignis, den Raum mit einschließt läuft der Film ein einziges Mal ab. Hier. Dann niemals wieder. Und das ist noch nicht alles. Hinten am Kiosk läuft ein anderer Film, es passiert dort etwas anderes. Das sehen nur diejenigen, die sich aus den grünen, bequemen Sesseln erheben. Sie sehen aber wieder die andere Seite nicht. Gerade, so die Künstlerin, als müsse man sich in der eigenen Wohnung entscheiden, ob man dem Geschehen aus dem vorderen Fenster oder aus dem hinteren Fenster Beachtung schenkt. Wir sehen also grundsätzlich nicht alles. Und ich muss dort sein. In der Stadt, der dieses Dankesstück gewidmet ist. Ohne Frage, dass sich myriadenfache Inspirationen breit machen. Sich entscheiden dürfen ist etwas anderes als sich entscheiden müssen. Mit Leichtigkeit betritt die Künstlerin Miniaturwelten im Gras an der Ilm, balanciert sie halbtransparent als Bestandteil des Theaters auf der langen Bank, der sie, wie sie sagt “Gesellschaft leistete.” Weil es ein Film ist, sehen wir die von Schauspielern abverlangte hingebungsvolle, geistige Nacktheit nicht. Es ist eben ein darüber erhabenes, ein Fenstertheater, das mich an der Introversion, am In-Dich-Gekehrt-Sein teilhaben lässt, ohne mir das jemals aufzuzwingen. Im Erleben weisen die losen und die festgezurrten Enden des Stücks über die (im Grunde zutiefst materielle) Reproduzierbarkeitsannahme von festen Sequenzen hinaus, und gerade damit mit einem unglaublich großen Schmunzeln auch über die Initiationsriten von Prüfungen dieser Art. Der Blick, so (er)scheint es immer wieder, zeigt sich selbst den eigenen Schnittpunkt mit dem Anker, den er selbst der Vernunft spielerisch entrissen hat.

Und ganz am Anfang schon, als die Künstlerin die Stimme erhebt und im Kontrast zu den Weimar-Interviews (vermutlich mit Passanten) sagt: “Weimar ist ein Glockenschlag”, in einer Prägnanz, die Perspektive unmittelbar erlebbar macht, da merke ich, bin auch ich angekommen.

Thema: Bild und Kunst, Film, Hochschullehre, Politik und Gesellschaft, Rezensionen | Kommentare (0) | Autor: