Beitrags-Archiv für die Kategory 'Hochschullehre'

Weimar ist ein Glockenschlag

Samstag, 9. Juli 2011 0:44

Zwischen Gutachten, Korrekturen, spannenden neuen Ideen zur Simulation von Lernern, Texturen und Alltagen vielerlei aber nicht allerlei Sorten und Färbungen komme ich auf den Sophienstiftplat. Später werde ich rausfinden, dass ich genau mit der richtigen Stimmung hier angkomme. Hier steht der Kiosk 6 und es ist wenige Minuten vor 22 Uhr.

Da ist es dunkel genug für Kathrin Baumanns Fenstertheater. Offiziell gesehen ist das hier eine Diplomprüfung (genauer: Diplomverteidigung) im Fach Freie Kunst an der Bauhaus Universität zu Weimar. Technisch gesehen wird hier ein Film laufen, der aber weder ein klassischer Film noch eine Videoinstallation ist. Der Kiosk 6 wird zum Fenstertheater und birgt Platz für ein Fenstertheater, das seinerseits als innere Mauerschau in einer Danksagung an Weimar, die Stadt, den Ort, die Heimat, mündet, wobei diese spezifische Perspektive wohl allein dadurch möglich wurde, dass die Künstlerin durch die anfänglichen Wirrungen sich selbst in den wiederkehrenden Mustern entdeckt hat. Sie hat es den Menschen der Stadt auch ganz direkt mitgeteilt. Im Theater sehen wir dann, dass sie es auch dem Brunnen, dem Pflaster und den Fassaden mitgeteilt hat. Heute teilt sie es der Stadt mit.

Im Wiederklang mit dem Besenmann, dem Flaschenmann, der Traditionsbäckerei. Pflastersteine bekommen Pflaster in einem musikalisch-inspirierenden Muster. “Wenn ich ein Vöglein wär”, und wär’ ich’s, dann flög ich. Das will man dann für sich selbst direkt glauben. Der Ort der Inszenierung spielt eine Rolle. Hier treffen fünf Straßen auseinander. Gerade so, wie aus dem Fensterblickwinkel der Künstlerin. Ich habe bereits festgestellt: Technisch ist das ein Film. Er wäre also technisch gesehen wiederholbar. Weil der Moment, das Theaterereignis, den Raum mit einschließt läuft der Film ein einziges Mal ab. Hier. Dann niemals wieder. Und das ist noch nicht alles. Hinten am Kiosk läuft ein anderer Film, es passiert dort etwas anderes. Das sehen nur diejenigen, die sich aus den grünen, bequemen Sesseln erheben. Sie sehen aber wieder die andere Seite nicht. Gerade, so die Künstlerin, als müsse man sich in der eigenen Wohnung entscheiden, ob man dem Geschehen aus dem vorderen Fenster oder aus dem hinteren Fenster Beachtung schenkt. Wir sehen also grundsätzlich nicht alles. Und ich muss dort sein. In der Stadt, der dieses Dankesstück gewidmet ist. Ohne Frage, dass sich myriadenfache Inspirationen breit machen. Sich entscheiden dürfen ist etwas anderes als sich entscheiden müssen. Mit Leichtigkeit betritt die Künstlerin Miniaturwelten im Gras an der Ilm, balanciert sie halbtransparent als Bestandteil des Theaters auf der langen Bank, der sie, wie sie sagt “Gesellschaft leistete.” Weil es ein Film ist, sehen wir die von Schauspielern abverlangte hingebungsvolle, geistige Nacktheit nicht. Es ist eben ein darüber erhabenes, ein Fenstertheater, das mich an der Introversion, am In-Dich-Gekehrt-Sein teilhaben lässt, ohne mir das jemals aufzuzwingen. Im Erleben weisen die losen und die festgezurrten Enden des Stücks über die (im Grunde zutiefst materielle) Reproduzierbarkeitsannahme von festen Sequenzen hinaus, und gerade damit mit einem unglaublich großen Schmunzeln auch über die Initiationsriten von Prüfungen dieser Art. Der Blick, so (er)scheint es immer wieder, zeigt sich selbst den eigenen Schnittpunkt mit dem Anker, den er selbst der Vernunft spielerisch entrissen hat.

Und ganz am Anfang schon, als die Künstlerin die Stimme erhebt und im Kontrast zu den Weimar-Interviews (vermutlich mit Passanten) sagt: “Weimar ist ein Glockenschlag”, in einer Prägnanz, die Perspektive unmittelbar erlebbar macht, da merke ich, bin auch ich angekommen.

Thema: Bild und Kunst, Film, Hochschullehre, Politik und Gesellschaft, Rezensionen | Kommentare (0) | Autor:

Freie Gedanken nebst Vorlesung und Möve

Donnerstag, 30. Juni 2011 11:52

Es ist die vorerst letzte Vorlesung. Vor einem dreiviertel Jahr hab’ ich die erste gehalten. Höhen und Tiefen, mitsamt neuem Vertrauen in das Format, wenn (und nur wenn) man die Zeit investiert, mehr als eine sequentielle Form von Inhaltswiedergabe zu versuchen. Vernetzung ist im Monolog besonders schwierig, und wer bildet sich schon ernsthaft ein, Monologe Shakespear’schen Ausmaßes für jede einzelne Vorlesungssitzung zu ersinnen. Verschiedene Funktionen sind anders als in einem deutlich kleineren Seminar. Ich hatte immer einen dialogischen Stil präferiert. Das war nun weitestgehend unmöglich geworden. Unter anderem begann jede Sitzung mit einem Stück Lyrik. Mal was Großes, Bekanntes, mal was Altbacken-Humorvolles, mal was aus dem direkten Bekanntenkreis, mal aus beeindruckend-virtuoser Jugendhand. Das mag manchem am Rande, anderen zentral und wieder anderen gar nicht aufgefallen sein. Ich weiß nicht, welchen Einfluss so etwas auf die überregionale Qualität hat, auf den Transfer, den horizontalen, den vertikalen. Mir kam es so vor, als seien Spannungsbögen leichter zu halten. Etwas wenigstens. Und so ist mir die Methode (?) ein Instrument geworden, das entsprechend der Fanfare in klassisch-sinfonischer Struktur aus einem draußen stets tobenden Alltag entführen soll. Soweit jedenfalls die Intention. Zu seltenen Anlässen habe ich diese inhaltsorthogonale Form des Einstiegs auch zum Bild erhoben. Allein schon, weil zwei riesige Projektionsflächen (sic!) die zuvor vorbereiteten Inhalte zeigen. So habe ich einer jungen Gruppe an Hauptfachstudierenden, die mir im Jenaer Jahr besonders ans Herz gewachsen waren, diesen zum einen leicht modifizierten und zum anderen durch die Art der Perspektive auch umwundenen Impuls spendiert, wenngleich die Collage insbesondere zur Zeit des Semesterendes nicht eben kleine zeitliche Wochenendopfer erforderten.

Gekrönt (man könnte locker auch sagen: in den Schatten gestellt) wurde das durch eine Performance. Julia Wollmann hat auf so eindringliche und tiefe, gleichzeitig nie die Spontaneität verlierende Weise Tschechows “die Möve” gespielt, dass man sich davor auch im sonst eher rational orientierten Universitätskontext nicht bewahren konnte. Eine Sternstunde, welcher ich dankbar beiwohnen durfte. Etwas eröffnend, das über alle da gewesenen Dinge hinaus geht. Dies bleibt ohne Video und Publikation. Solche Dinge lassen sich nicht ohne einen Lastwagen an Technik ordentlich einfangen. Es sei denn, man war dabei. Dann hilft die Erinnerung zurück zu magischen Momenten an welchen es die immer mehr durch bürokratische Verfahren regulierte “moderne” Universität (es tut mir leid, ich darf (!) Sie nicht zur Prüfung anmelden, ich bin hier nur der Professurvertreter und komme in der Hinsicht noch nach dem Reinigungspersonal) zunehmend mangeln lässt. Ach, und da hab’ ich an den Schiller gedacht. Mit dem hat sich ja die Friedrich-Schiller-Universität zu Jena ganz besonders zu identifizieren versucht. Und der Schiller hat mir gut getan, hat mir mehr als ein Lächeln zugeschustert. Mich erinnert und mir auf zwar leichte Weise aber mahnend den Wink mit dem Stadtwald zuteil werden lassen: “Das Reich der Vernunft ist ein Reich der Freiheit und keine Knechtschaft ist schimpflicher, als die man auf diesem heiligen Boden erduldet.” Dies findet man auf hohem Transparenz gegenüber der Universitätsbibliothek angeschlagen.

Ich frage mich, was die Studierenden sich dazu denken, die jeden Tag daran vorbeilaufen. Ob sie sich davon wahlweise inspiriert oder gar verhöhnt fühlen? Ich vermag es nicht zu sagen.

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Geistesblitze

Mittwoch, 1. Juni 2011 9:24

Wundervolle Menschen mit wundervollen Ideen zusammenbringen, ein Schmelztigel des Irrsinns kreiren, Freiraum und Rückmeldung (Ein- und Ausatmen), und dann über all die unglaublichen Schätze staunen, die spielend (!) heraussprudeln. Menschen in Freiheit des Geistes zu erleben ist unglaublich attraktiv. Ich glaube, ich hab’ Dich jetzt verstanden, guter, alter, geschätzter Friedrich Schiller!

Thema: Hochschullehre, Staunen und Zweifeln | Kommentare (0) | Autor:

Frühe Selbstverteidigung unfertiger Ideen

Sonntag, 17. April 2011 17:43

Gerade eben noch ca. 250 weitere Seiten Prüfungsliteratur assimiliert. Schneller Lesen (wir haben doch keine Zeit). Ich mag keine Bücher und Schriften, die sich mit viel Getöse (=Gesülze) verteidigen bevor sie überhaupt was Substanzielles gesagt haben. Das hat immer den Beigeschmack der Immunisierung. Und solche mag für Glaubende Sinn machen, in der Wissenschaft hat’s – finde ich – nichts verloren.

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Forschungsinternübergreifend

Mittwoch, 23. Februar 2011 12:55

Dem Wissensmanagement verschrieben, stand das schon lang mal an. Soeben einen internen Bereich für Forschungspraktika und Qualifikationsarbeiten gegründet. Für alle Projekte, die mein Forschen mit dem Forschen von Studierenden auf verschiedensten Stufen verbindet.

Zu den Plänen gehören:

  • Projektübergreifender Austausch.

  • Standortübergreifender Austausch.

  • Gegenseitige (virtuelle und echte) Präsentationen, u.a. von Qualifikationsarbeiten.

  • Internes “Multimediazentrum” für die Basics und solche, die’s geworden sind.

  • Gemeinsames Planen von Dokumentation und/oder Publikation.

  • Gegenseitige Hilfestellung je nach Stand, Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Viel dran gemacht werden muss nicht mehr. Content entsteht beim Gehen. Vielleicht hat gerade das genau die richtige Größe, um ohne viel Verwaltung erfolgreich zu sein. Das Forum ist vorerst in deutscher Sprache mit dem Radius laufender und angeschlossener Forschungsprojekte geplant. Mal sehen, was draus wird.

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Frage, Antwort, Entscheidung, Konsequenz

Freitag, 18. Februar 2011 18:13

Es ist ja schon eine Weile da. Trotzdem wollte ich das Video hier auch noch zeigen. Sei es der Vollständigkeit oder Wiederfindbarkeit halber, sei es, weil sich Lesergruppen nicht immer überall überschneiden.

Aus der Abschlusssitzung der Vorlesung Lernen, Entwicklung, Sozialisation: Eine Einführung im Wintersemester 2010/2011, Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie. Der Versuch, alle Inhalte noch einmal Lyrik verdichtet zusammen zu fassen. Mit einem Fokus auf dem empirischen Erkenntnisprozess/Erkenntnistheorie. Ausgewählte Beispiele aus der Persönlichkeit, Entwicklung, Motivation, Lehren, Lernen, Problemlösen, Sozialisation, Inferenziellem Lernen, Informationsverarbeitung.

Thema: Hochschullehre, Musik, Wissenschaft, Worte | Kommentare (0) | Autor:

Kognitive Bedingungen des Lernens

Donnerstag, 13. Januar 2011 23:08

Auf dem gedanklichen Weg bereits, morgen ein Seminar für Erstsemester. Knoten im Kopf nebst immer wiederkehrenden Versuchen, die Dinge weiter zu veinfachen, ohne ihnen den Biss zu rauben und ohne sie einfach nur dumm zu machen. Studierende verdienen mehr als letzteres. Etwas reduziert, aber nicht zu sehr.

Das Bild kann man zum Vergrößern anklicken. Es ist immer noch etwas Magie darin. Möge mir mein Kopf nicht einfach nur einen weiteren Streich gespielt haben. Aber leichter hatte ich es glaub’ ich bisher noch nicht.

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