Seilerhaus

Montag, 2. August 2010 16:47

Es wird einen Wettbewerb geben im alten Seilerhaus. Wo die Seiler sind, kann ich nicht feststellen. Warum es das Seilerhaus noch gibt, weiß ich auch nicht. Es ist eine Reihe differenziertes Völkchen anwesend und die Luft sieht milchig, gelblich aus. Ich höre dunkle, dumpfe, schwere Klänge. Halb wie Maschinen dröhnen sie, aber sie gehören auch zur Umgebungsmusik. Jede Umgebung hat eine Musik. Ein paar der Anwesenden machen sich mit allerlei bedrohlich aussehendem Gerät auf den Weg in ein Zimmer auf eine SM-Party. Ich folge ihnen nicht, neugierig wäre ich fast gewesen. Das Haus hat fünf verwinkelte, alte Stockwerke. Ich sehe Freunde von ihr, sie selbst ist gerade nicht da. Die Freunde sind seltsame Geister, gefangen zwischen allerlei seltsamen Ideen und Projekten, Handgreiflichkeiten auch. Und sie verachten mich irgendwie während ich das Gefühl habe, sie könnten vielleicht Recht damit haben. Es liegt insgesamt hinreichend Aggression in der Luft. Aus einem Zimmer höre ich ein paar recht verzweifelte Schreie. Ob die einst wussten, worauf sie sich einließen?

Der Wettbewerb beginnt. Es ist ein Wettrennen, und es geht um die Wurst. Im wörtlichen Sinne. Es geht genau genommen darum, welche der beiden Gruppierungen am nahenden Tag auf der Leichathletik-Strecke die Würstchen verkaufen muss. Vierhundert Meter Hürden, nicht mein Ding. Ein Würstchen wird 301 Rupien kosten. Warum wir in Freiburg plötzlich in dieser entfernten Währung bezahlen, weiß ich nicht. Da das Würstchen 2 Euro im Einkauf kostet, sieht das nach einem klaren Verlust aus. Das Würstchen ist aber subventioniert. Um nun zu entscheiden, wer verkaufen muss, wird es ebenfalls einen Wettbewerb geben. Und wie es der Zufall will, muss ich einspringe, für Kalle, der kam nicht.

Mir hängen links und rechts zwei schwere Maissäcke von den Schultern. Die muss ich von ganz unten nach ganz oben schleppen. Die sportliche Dame lacht schon als sie mich damit ausstattet. Ich schleppe mich und die Säcke in den Fünften. Die Treppen sind feucht und glitschig. Das kommt von den Überresten des Käses, den man braucht um die Seile zu schmieren. Überall ist dieser Käse. Er ist aus dem Holz nicht mehr herauszubekommen. Oben angekommen, werde ich endlich diese schweren Säcke los. Nun muss ich Flaschen stapeln. Immer eine Weinflasche neben eine Sirupflasche. Eine ganze Mauer muss ich bauen, weil das bei den Seilern so Tradition ist heute. Unter dem Dach ist es heiß. Dann muss ich die alten Holzspäne noch in den Keller bringen. Das fällt mir am leichtesten—weil sie trocken sind, sind sie auch leicht—und mich packt ein wenig der Mut, als ich leichtfüßig die Treppen heruntergleite. Und ich war gar nicht so schlecht. Aber es hat nicht gereicht. 3 Minuten und 39 Sekunden. Das war meine Zeit. Meine schlanke Gegnerin hat es in 3 Minuten und 36 Sekunden geschafft. Das seien 3 Sekunden zu ihren Gunsten, rechnet sie mir vor. Ohne einen Ausdruck der Freude, aber irgendwie siegessicher. Als sei’s vorherbestimmt. Und sie hat mit ihrer Arithmetik auf jeden Fall recht.

Ich gehe in den dritten Stock, weil da eine Art Gemeinschaftsraum ist und sehe, dass die genannte Party eine Pause macht. Ein Drittel der sichtbar anwesenden sieht in jeder Hinsicht ziemlich gebeutelt aus. Die Anderen grinsen und trinken etwas. Hinter den Augen offenbar schon die Pläne für weitere kunstvolle Grausamkeiten. Bald verschwinden sie alle wieder: Wir haben ja jetzt alle die Trophäen gesehen. Ich weiß nicht, ob ich mich vorbereiten muss für den Verkauf in ein paar wenigen Stunden. So schwer kann es nicht sein. Ich verwerfe den Gedanken an das Wettrennen—und an das Wettrennen auch. Kurz sehe ich sie vorbeischlendern. Sie lacht und winkt mir zu, zieht einen ihrer Freunde in ein Zimmer. Ich erlaube mir dazu ein Lachen. Armer und glücklicher Kerl.

Ich möchte jetzt dem Seiler zur Hand gehen. Ein paar Knoten in die großen, schweren Seile knüpfen. So muss er sie später abliefern. Die Seile finde ich. Sie riechen noch nach Käse, so frisch sind sie. Aber der Seiler ist woanders und ohne seinen gelehrten Blick werden mir die Knoten misslingen. Also beschließe ich, das Seilerhaus weiter zu erkunden bis der Seiler wieder auftaucht oder etwas ganz anderes geschieht.

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Da zieht der Heinrich hin

Freitag, 30. Juli 2010 7:29

Nun ausgerechnet du, der Heinrich, zieht nach Walhall, nun wirst du selbst zum Schädel dort. Was für ein schöner Beleg dafür, dass die Projektion soviel mehr Gewicht hat als jeder tatsächliche Inhalt. Schade um den Inhalt ist es kaum. Du fielst ohnehin nur ob der Blüte mancher Ideen auf nahrhaften Grund, wenn er, nunja, Tautologie, da war, der Grund. Und wie beruhigend das gerade sein mag für alle anderen, ein Zeichen: Hey, beruhig dich junger Revoluzzer. Denn mögest Du auch das Format des Heinrichs haben, sie loben dich am Ende fort. Sie schlagen dich indes mit hartnäckiger Beständigkeit und meißeln dich allenthalben in Stein. Darum hätte man dich allenthalben ruhig ehren dürfen. Lass es uns einfach so vereinbaren: Wir halten die gefährlichen Schriften besser weiter in den Köpfen verschlossen, so dass sie die preußischen Wachen vergeblich im Gepäck suchen. Ein beneidenswert glanzvolles Kunststück wäre es—entsprechende Fähigkeiten vorausgesetzt—den Schädel woanders hin zu entwenden. Zum Denken wird’s indes das gemütliche Gemüt ebensowenig anregen. Ach, Heinrich, inzwischen predigen sie ja öffentlich Wein und trinken heimlich Wasser. Wintermärchen 2.0.

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Spalt, so:mit:da

Samstag, 17. Juli 2010 12:17

Manche nie gemachten Erlebnisse schleichen sich aus dem Wasserglas (Sturm aus dem ~) und fliegen einem von irgendwoher um die Ohren. Stelle ich mir das anstrengend oder gelassen vor, nachdenklich oder wild, eher ersteres. Letztlich letzteres. Und über die Jahre lächelt die Frage süffisant auf mich herab, die alte, die “was-wäre-wenn”, der kategorische Konjunktiv, der die Planenden, die Hoffenden, die Liebenden, die Verletzten und Kranken und manch andere Zeitgenossen seit jeher plagt; und den wir nicht beantworten können. Sonst wär’ “er” ja nicht kategorisch. Wir sind ja nicht mal in der Lage, das Wetter für mehr als zwei Tage stabil vorherzusagen. Und da haben wir eine Menge Technik drin stecken. Aus Vagheit und Bestimmtheit entsteht eine nicht zu bremsende Anziehungskraft, ideenreich (allemal), und abgründig genug, dass sie so unbändig zu verzaubern weiß. Das alles ist sowohl einfach als auch komplex. Daran beteiligt sind die Menschen, die daran beteiligt sind. Das ist kein eben unerhebliches und schon gar kein nebensächliches Detail.

Wir könnten an dieser Stelle zusammenfassen und sagen: Was soll’s, es ist “somit da”. Andere Interepretationen erlauben aber auch: “So, mit-da” oder gar ganz getrennt “So, mit und da” im Sinne von “Da hast’ es, mitgezogen (-gefangen, -geflogen) und da ist es”; und derer noch manche mehr.


Beteiligt ist ein wohlwollender Moment, der insbesondere zwischen allen weltbewegenden Rasereien der konkret empfundenen Zeit einen Spalt aufreißt, der da aber eigentlich längst schon war. Wie bestimmt war das Zupacken in Deinem Traum, Tanzende, Starke, Bewunderte, Lebendige?

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ParaDocks Webseite

Freitag, 16. Juli 2010 22:04

Wir haben soeben die ParaDocks-Webseite einem deftigen Relaunch unterzogen. Bei 36 Grad unter dem Dach und bei einigen Datenbank-Querelen war das ein Riesenspaß. Dennoch ist die Seite da. Danke Saty, Iva und Inka für die hochproduktive und schnelle Zusammenarbeit, einmal mehr.

www.paradocks.de

Es müssen zwar immer noch ein paar Produkte und Dienstleistungen folgen, aber so ist’s schonmal wieder einen Schritt informativer geworden. Mir persönlich macht auch das neue Design ziemlich viel Spaß.

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Irren ist besser

Dienstag, 13. Juli 2010 19:26

Es ist viel zu heiß hier in Freiburg. Eugen hat mir den Tag gerettet, unverhoffter Querschläger. Viel zu viele Kleinigkeiten. Ich habe keine Lust mehr, dauernd in kleinen und unbedeutenden Positionen Recht haben zu müssen. Überhaupt ist Recht haben reichlicher Unfug. Es reicht, wenn ich mich mit Positonen auseinandersetzen muss, die recht haben wollen. Zur schnellen Demontage fehlt mir auch auf halbem Weg immer noch ein wenig Handwerk. Erbsen zählen kann ich schon ganz gut. Rückwärts prüfen auch. Ich will jetzt in der Rekonstruktion nochmal schneller werden. Sich zu irren ist viel besser.

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Mofa Spaß für Kinder

Mittwoch, 7. Juli 2010 9:25

Mofa fahren, oder besser “Moffa fahn”, ein Spaß für Kids mit Quads und anderen Gefährt. In Östereich schon ab 15, hierzulande ab 16. Noch. Das will man ändern. Ist keine so gute Idee, eigentlich. Daran gibt’s kaum Zweifel. Die Süddeutsche ist heute mal wieder einem lustigen Versuch erlegen, solcherlei in der Sache durchaus brauchbare Ideen mit Zahlen zu belegen. Da heißt es dann, in Österreich seien nach der Fahrerlaubnis für 15-jährige die Unfälle “sprunghaft angestiegen” und allein deshalb müsse man jetzt vorsichtig sein ob die Kids fahren dürfen.

Jetzt hab’ ich direkt eine unglaublich brillante Idee gehabt: Als Modellversuch würde ich gerne in einem (bevorzugt bitte bevölkerten) Bundesland ein einjähriges Fahrverbot für, nun, sagen wir mal 23-jährige einführen und durch die Ordnungshüter bitte entsprechend streng kontrollieren lassen, so dass auch sichergestellt sei, dass das Modellversuchsverbot wirklich implementiert ist. Sollte sich zeigen, dass nach Ablauf des Jahres die Verkehrsunfälle der 23-jährigen im Vergleich zum Vorjahr “sprunghaft gesunken” wären, so ist es wohl angebracht darüber nachzudenken, ein solches Verbot grundsätzlich auszusprechen. Bei entsprechendem Erfolg böten sich entsprechende Modellversuche auch für andere Alternstufen an. Brummbrumm?

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Baggersee, Datenanalyse, Weinperspektive

Donnerstag, 1. Juli 2010 14:54

Kann nichts passieren, außer Kopfschwirren. Meine post-hoc Analyse ergibt erstaunlich viel Neugier, gewürzt mit etwas Überraschung. Geistig ausparken, heute etwas programmieren, nicht fertig werden. Wenig bei rumgekommen aus Kopfschwirren. Muss fertig werden. Was nun? Flächen! Flächen helfen den kaputten Verstand zu sortieren. Bloß Flächen. Keine Ober-Flächen.

Drei Farben oder vier Farben? Ich sehe jedenfalls keine vier Lichter. Für was stehen die Flächen? Für einen Baggersee (woanders), für eine gediegene Flasche Wein (nicht woanders), stehend, daher ist die Perspektive verschoben (aber das war ja klar) und für etwas Ruhe vor dem im Sturm der gebundenen Schlussfolgerungen vielleicht (noch viel weniger woanders)? Faszinierende Überraschung zwischen den Zeilen, paralysiert für ein paar Momente. Wer außerhalb der Schachtel denken will muss außerhalb der Schachtel denken (Vorsicht: Tautologie, aber keine einfache). Kein Mantra des a priori schlechten Gewissens, aber eine Tatsache. Und wir machen uns ja “Bilder der Tatsachen”. Jemand wirft sein Leben um, winkt doch endlich mal jemand ab, jemand kommt ins Grübeln, wittert eine Gelegenheit (und sei es eine zum Nachdenken, danke Stolurow). Zurück zu den Zeilen der Analyse. Tut mir um den Moment leid: Datenanalyse. Der Reist bleibt Unsinn, elaborierter Unsinn latürnich.

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